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# taz.de -- Sterbende Solarwirtschaft in Sachsen: Große Weltpolitik, kleines F…
> Das Solarwerk im sächsischen Freiberg steht still, weil die Subventionen
> ausbleiben. Wie ist die Stimmung in der Stadt?
Bild: Hier werden Solarmodule gefertigt: Produktionsanlage der Firma Meyer Burg…
Schichtwechsel: Nur wenige Mitarbeiter:innen verlassen das Werk des
Unternehmens Meyer Burger in Freiberg und wenige lösen sie ab. Obwohl
eigentlich rund 500 Menschen für den Schweizer Solarkonzern in der
sächsischen Kreisstadt arbeiten und die Solarbranche boomt, ist kaum etwas
los. Seit Dienstag steht die Produktion still. [1][Die größte Fabrik in
Europa zur Herstellung von Solarmodulen soll im April schließen] – nach
nicht einmal drei Jahren.
Über Freiberg scheint an diesem Mittwoch kräftig die Sonne. Vor der
hellgrauen Solarmodulfabrik begrüßen sich zwei Mitarbeiter per Handschlag.
„Bei mir steht nun Urlaub an, dann Überstunden abbauen und dann
Kurzarbeit“, erzählt der eine.
Laut Meyer Burger ist der Markt derzeit nicht rentabel. [2][Mit
„Überproduktion und Dumpingpreisen“ drängten chinesische Firmen,
unterstützt von ihrer Regierung, die Konkurrenz ins Aus], sagt
Geschäftsführer Gunter Erfurt.
Deutschlandweit berichteten Medien, wie er die Bundesregierung unter Druck
setzte: Die Solarwirtschaft in Europa brauche Subventionen im
[3][Preiskampf mit China], oder Meyer Burger werde die Produktion in
Freiberg einstellen und sich stattdessen auf die USA konzentrieren.
[4][Dort winkten mit dem Inflation Reduction Act wohlwollende Umstände.]
Doch bisher blieben die Subventionen aus. Dabei schwächelt nicht nur Meyer
Burger sondern die ganze Solarindustrie in Deutschland. [5][Wenn sie
eingeht, droht erneut eine energiepolitische Abhängigkeit – dieses Mal von
China.] Und wie reagiert der Westen dann, [6][sollte China Taiwan
angreifen]? So spielt die große Weltpolitik indirekt eine Rolle im kleinen
Freiberg. Was macht es mit der Stadt, wenn 500 Arbeitsplätze wegbrechen?
Und wie geht es den Angestellten in Freiberg mit diesem Plan?
## Das Know-how verschwindet
Die Mitarbeiter:innen äußern sich derzeit nur ungern öffentlich. Alle,
die die taz fragt, wollen nicht über die Stimmung im Betrieb berichten.
Aber es wird deutlich, dass sie verunsichert darüber sind, wie es
weitergeht. Gegenüber dem MDR erzählte der Angestellte Maik Schulze am
Dienstag: „Im nächsten Monat beginnt die Kurzarbeit. Entsprechend ist da
viel Unsicherheit und ziemlich viel Angst bei den Mitarbeitern.“
Johannes Brink, für die Grünen im Stadtrat, weist darauf hin, dass die
Beschäftigten bei Meyer Burger keinen Betriebsrat haben, der für sie
spräche. „Deshalb muss man darauf achten, wie mit den Beschäftigten
umgegangen wird“, sagt der 30-Jährige. Er habe Anfang März mit zwei
Angestellten gesprochen, die gerade Änderungskündigungen bekommen hatten.
„Diese überlegten schon, ob sie sich woanders bewerben.“
[7][Da sind sie als Fachkräfte aktuell in einer guten Position.] Fabriken,
die sich freuen würden, gibt es auch in Freiberg. Doch wenn Meyer Burger
wirklich dicht macht, würden die Steuereinnahmen der Universitätsstadt mit
ihren rund 40.000 Einwohner:innen sinken. Kurz nach der Ankündigung
Meyer Burgers im Januar verhängte Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos)
bereits eine Haushaltssperre.
Ist Meyer Burger Thema in der Stadt? Eine kurze Straßenumfrage: Am
Obermarkt vor dem Rathaus erzählt eine Frau mit grauen Haaren und
Sonnenbrille, sie kenne Angestellte und die seien sehr traurig. Ein Mann in
grüner Jacke ist hingegen selbst traurig, weil „die Arbeitsplätze und das
Know-how verschwinden“. Etwas gehetzt sagt eine andere Freibergerin mit
Handtasche: „Das scheint ja von der Politik gewollt zu sein, [8][sonst
hätte sie mehr gemacht].“
## Zeichen für gescheiterte Energietransformation?
In Freiberg entstand schon kurz nach der Wende ein Solarwerk, das immer
weiter ausgebaut wurde. Bis der einst größte Solarhersteller Deutschlands,
Solarworld, 2018 wegen Insolvenz die Produktion einstellte. Trotzdem
versuchte es ein paar Jahre später Meyer Burger in Freiberg erneut, und
eröffnete im Mai 2021 wieder die Solarmodulproduktion in der Stadt. Nun
geht es wohl ein zweites Mal bergab, sagt Jana Pinka. Die linke Stadträtin
sitzt vor einem Café in der Innenstadt.
Im Stadtparlament sei Meyer Burger allerdings nur einmal Thema gewesen,
erzählt sie. Die größte Fraktion, die AfD, konzentriere sich öfter auf
Bundesthemen, statt auf die Stadt. Auch die direkt gewählte Abgeordnete des
Bundestags, Carolin Bachmann (AfD), äußert sich wenig zu Meyer Burger und
wenn, dann nennt sie die geplante Schließung ein Zeichen für die
gescheiterte Energietransformation.
## Deadline 30. April
Dirk Neubauer (parteilos) sieht in solchen Erzählungen ein Problem. Er ist
Landrat in Mittelsachsen, zu dem auch Freiberg gehört, und hat sich in
Berlin für Meyer Burger eingesetzt. Neubauer ist Fan von
[9][transformativer Technik] und berichtet stolz von seinem Elektroauto.
Was ihn hingegen ärgert: Wenn der Standort schlecht geredet werde. „Wir
müssen aufpassen, dass wir nicht zu einem innovationsfeindlichen Landstrich
werden.“ Das kritisiert er nicht nur bei der AfD, sondern auch bei der
Landesregierung von Michael Kretschmer (CDU). Neubauer redet schnell und
findet harte Worte. „Was Sie anpacken, wird bekämpft, wenn es nach
Veränderung riecht.“
Derzeit versuche er, Meyer Burger in Freiberg ohne fremde Hilfe zu retten.
Sein Plan: mit Partner:innen für 700 Millionen Euro Solarmodule im Kreis
bauen. „Das würde den Standort hier bewahren. Ich weiß aber nicht, ob wir
zu spät dran sind.“ Die Kommunen könnten von den Solaranlagen finanziell
profitieren, glaubt er.
Profit bräuchte auch Meyer Burger. Am Donnerstag teilte das Unternehmen
mit, im vergangenen Jahr 300 Millionen Euro Verlust eingefahren zu haben.
Doch trotz Produktionsstopp: Einen Spalt breit lässt das Unternehmen die
Tür noch offen. Endgültig Schluss sei in Freiberg nur, wenn die Politik bis
zum 30. April nicht umsteuere. Die Mitarbeiter:innen können also
weiter hoffen.
15 Mar 2024
## LINKS
[1] /Keine-Subventionen-fuer-Photovoltaik/!5995118
[2] /Solarwirtschaft-in-Deutschland/!5959909
[3] /Krise-der-Photovoltaik-Produzenten/!5963261
[4] /Erneuerbare-Energien/!5994178
[5] /Solarpolitik-in-Deutschland/!5959846
[6] /Chinas-Taiwan-Strategie/!5960351
[7] /Fachkraeftemangel-in-der-Solarbranche/!5964323
[8] /Folge-der-Haushaltskrise-des-Bundes/!5974040
[9] /Stromproduktion-in-der-EU/!5991051
## AUTOREN
David Muschenich
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