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# taz.de -- Energieexperte zu Solaranlagen aus China: „Fürs Klima eher posit…
> China subventioniert seine Solarindustrie – und über Exporte auch die
> deutsche Energiewende. Gut fürs Klima, sagt Energieexperte Volker
> Quaschning.
Bild: Qualitätsprüfung eines Solarmoduls: China dominiert den globalen Solare…
wochentaz: Herr Quaschning, in Deutschland werden immer mehr Solaranlagen
gebaut, die [1][Installationszahlen klettern von Rekord zu Rekord] – und
die einheimischen Modulhersteller gehen in die Knie. Wie kann das sein?
[2][Volker Quaschning]: Momentan läuft der solare Ausbau in Deutschland
auch deshalb so gut, weil die Module aus China extrem billig geworden sind.
Es gibt gigantische Überkapazitäten in China, die Solarwirtschaft wird
[3][vom Staat subventioniert]. Was im Grunde bedeutet: Der chinesische
Staat subventioniert auch die deutsche Energiewende. Und die läuft derzeit
ganz gut ohne nennenswerte eigene Modul-Wertschöpfung. Zur Jahresmitte
wurden hierzulande knapp 7.000 Megawatt neu installiert, bis Jahresende
sollen es mindestens 13.000 werden. Schon im vergangenen Jahr wurde fast
doppelt so viel installiert wie 2022. Das ist nicht schlecht aus deutscher
Sicht. Die Hersteller hierzulande produzieren zu teuer.
Die chinesische Regierung steckt Geld in den hiesigen Solarboom?
Ja. Momentan fahren wir gut damit. Dadurch beschleunigen wir die
Energiewende. Würden Solarmodule viel teurer, würden wir wieder weniger
Solaranlagen installieren. Die Energiewende würde langsamer laufen. Die
aktuelle Situation ist für den Klimaschutz, für die Energiewende und für
Deutschland eher positiv.
Die Hersteller in Deutschland kommen nicht an gegen die chinesische
Konkurrenz, sie können mit den Preisen nicht mithalten. Wieso nicht?
Der chinesische Markt ist im Vergleich zu dem, was wir in Deutschland noch
produzieren, mehr als hundertmal größer. Und der chinesische Markt wächst,
wir gehen dieses Jahr von einem Wachstum von 40 Prozent aus. Das heißt, die
Lücke wird immer größer. Allein über die Größe haben Hersteller in China
einen Wettbewerbsvorteil, weil sie billiger produzieren können. Wer
konkurrenzfähig bleiben will, muss in dieser Geschwindigkeit mit dem
Weltmarkt mitwachsen. Die großen Konzerne in China investieren massiv in
dieses Wachstum: Alle zwei, drei Jahre bauen sie neue Fabriken, die
moderner sind, effizienter sind und so den Preis pro Modul senken können.
Und wer groß ist, der hat eine ganz andere Verhandlungsposition auf dem
Weltmarkt – beispielsweise beim Einkauf der Rohstoffe für die Produktion.
Mehr als 90 Prozent der in Deutschland installierten Module kommen aus
China. Droht damit ein ähnliches Desaster wie bei der [4][Abhängigkeit
Deutschlands] von russischem Gas?
Wir können den Gedanken ja mal durchspielen: China überfällt die Republik
Taiwan, ein veritabler Handelskrieg ist die Folge. China und der Westen
versuchen sich gegenseitig wehzutun. China liefert uns keine Solarmodule
mehr. Für Deutschland wäre die Konsequenz, dass die Energiewende ins
Stocken gerät und Kohlekraftwerke zwangsweise länger laufen müssen. Zwar
wird dadurch der Klimaschutz erschwert. Aber richtig weh tut das vielen
nicht, die Wirtschaft läuft ja weiter, und wir haben dadurch erst mal
kurzfristig keine wirtschaftlichen Nachteile in Deutschland. China hingegen
hätte erhebliche Schmerzen! Natürlich müssten die solaren
Produktionsbetriebe runtergefahren werden, Arbeitsplätze in China gingen
flöten, der wirtschaftliche Schaden wäre vermutlich größer als in
Deutschland. Das heißt, China würde den Klimaschutz torpedieren, aber sich
wirtschaftlich damit sehr stark schaden.
Wie würden Sie denn „wehtun“?
Wenn ich in China an der Regierung wäre, würde ich mir andere Produkte für
einen Lieferstopp aussuchen, zum Beispiel Computerchips. Jede Solaranlage
braucht einen Wechselrichter und jeder Wechselrichter einen Computerchip.
Wenn ich also nicht will, dass Solaranlagen gebaut werden, dann boykottiere
ich Computerchips. Damit treffe ich dann auch gleich die Autoindustrie, den
Maschinenbau, praktisch alles.
Wenn – aus welchen Gründen auch immer – keine Solarmodule mehr aus China
nach Deutschland kämen, wäre das aber doch das Ende der Energiewende in
Deutschland.
Zumindest das temporäre Ende des Solarenergieausbaus. In diesem Fall
müssten hier Fabriken aufgebaut werden. Das dauert zwei Jahre Minimum; vier
bis fünf Jahre, wenn man pessimistisch rangeht.
Sie sind also der Meinung, dieses Risiko könne man eingehen, weil es
unwahrscheinlich ist, dass es eintritt?
Ja. Wir haben ja auch den Vorteil, dass die Module extrem preiswert sind.
Ich denke, das Risiko, dass China uns bei Solarmodulen boykottiert, ist
überschaubar.
Die hiesigen Hersteller haben von der Ampelregierung Hilfen gefordert.
Nachdem klar ist, dass die nicht kommen, [5][wandern Hersteller wie der
Schweizer Konzern Meyer Burger aus Deutschland ab]. Was ist von der Branche
noch übrig?
Fast nichts. Deutschland hatte in den 2000er Jahren mal einen
Weltmarktanteil im höheren zweistelligen Prozentbereich. Heute ist es viel
weniger als 1 Prozent. Damals kamen viele Solarmodule, die irgendwo auf der
Welt installiert wurden, aus Deutschland. Heute gibt es nur noch wenige
Modulhersteller: Heckert in Chemnitz, Solarwatt in Dresden, Aleo im
brandenburgischen Prenzlau, Axitec und AxSun in Baden-Württemberg.
Wie hat Deutschland es geschafft, in den 2000er Jahren einen so hohen
Weltmarktanteil zu erreichen?
Den Anfang finden wir beim Stromeinspeisegesetz 1991. Erst damit war
es überhaupt möglich, mit Sonnenlicht produzierten Strom ins Netz der
Stromkonzerne einzuspeisen. Damals war die Technologie aber wahnsinnig
teuer. Bundesweit begann der Boom im Jahr 2000 mit dem
Erneuerbare-Energien-Gesetz der rot-grünen Koalition.
Dieses Gesetz – abgekürzt EEG – legte die Kosten zum Bau von Wind-,
Biomasse- und Solarkraftwerken auf alle Stromverbraucher um. Warum war das
eine Initialzündung?
Weil es für Planungssicherheit sorgte. Investoren konnten ihre Kredite
kalkulieren, die steigende Nachfrage senkte die Herstellungskosten und
stimulierte die Forschung: Solarzellen haben heute gut den doppelten
Wirkungsgrad, kosten aber nur noch 10 Prozent dessen, was sie vor einem
Vierteljahrhundert kosteten.
Die Zäsur kam mit der Koalition aus Union und FDP ab 2009?
Union und FDP strichen die Vergütung für Solarenergie so dramatisch
zusammen, dass der Markt um 85 Prozent einbrach. Und weil mit diesem
Einbruch der Heimatmarkt verloren ging, schlitterten die deutschen
Solarfirmen massenhaft in die Pleite. Fairerweise muss man dazu sagen, dass
zuvor der Ausbau deutlich schneller voranging, als selbst die rot-grüne
Vorgängerregierung beabsichtigt hatte. Das führte dazu, dass relativ hohe
Stromkosten über die EEG-Umlage produziert wurden. Deshalb gab es viel
Widerstand gegen die Energiewende nicht nur von den klassischen
Energiekonzernen.
Wie könnte [6][die Solarindustrie hierzulande wiederbelebt] werden?
Das würde sehr hohe Summen kosten. Es ist eine Illusion zu sagen: Wir
nehmen jetzt mal eine Milliarde Euro in die Hand, und dann haben wir auf
Dauer eine wettbewerbsfähige Solarindustrie. Man müsste auf europäischer
Ebene richtig klotzen, um hier so eine große Solarindustrie aufzubauen, die
von den Stückzahlen her mit China konkurrieren könnte. Diese Ambitionen
gibt es [7][auf europäischer Ebene] nicht. Dort gibt es das Ziel, dass 40
Prozent der hier verwendeten Solarmodule in Europa gefertigt werden
sollten. Das heißt auch, dass 60 Prozent weiterhin aus China kommen. Aber
sinnvoll wäre das Ziel, eine Produktion von 120 Prozent zu erreichen, also
über die Selbstversorgung hinaus zu produzieren, sodass europäische
Hersteller den Kampf um die Exportmärkte aufnehmen könnten. Dann hätten die
Hersteller preislich eine Chance. Das wäre aber sehr teuer. Das wird von
keiner Partei gewollt und ist politisch nicht in der Diskussion.
Immerhin gibt es in Deutschland noch eine solide Forschungslandschaft auf
dem Gebiet der Sonnenkraft. Könnte Deutschland durch Innovation wieder vor
die Bugwelle kommen?
Wir stehen in den kommenden zwei, drei Jahren vor einem Technologiewechsel.
Bei der jetzigen Solartechnik sind wir technologisch am Limit. Wir
verwenden derzeit Silizium als Rohstoff. Die nächste Generation der
Solarzelle wird eine andere Technologie sein, die effektiver ist. Derzeit
werden [8][sogenannte Perowskit-Tandemsolarzellen] sehr stark gehypt. Das
ist eine Kombination aus Silizium und dem Material Perowskit. Durch die
Kombination beider Materialien lassen sich viel höhere Wirkungsgrade
erzielen. In China schielen alle großen Hersteller auf diese Technologie.
Es gibt auch in Deutschland ein Start-up, das in diesem Bereich
voranzugehen versucht. Wenn die deutsche Regierung unabhängiger werden
will, wäre es sinnvoll, auf die neue Technologie zu setzen und zu sagen:
Wir ballern da jetzt mal richtig rein.
4 Jul 2024
## LINKS
[1] /Photovoltaikausbau-in-Deutschland/!6018468
[2] https://www.volker-quaschning.de/index.php
[3] /Dumping-bedroht-Solar-Branche/!5999279
[4] /Solarpolitik-in-Deutschland/!5959846
[5] /Solarkonzern-Meyer-Burger/!5997915
[6] /Gruener-Fraktionsvize-ueber-Solarindustrie/!5987293
[7] /Stromproduktion-in-der-EU/!5991051
[8] /Berliner-ForscherInnen-ausgezeichnet/!5636842
## AUTOREN
Anja Krüger
Nick Reimer
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