# taz.de -- Dreikampf um die SPD-Spitze: Schaulaufen für den Parteivorsitz | |
> Die SPD Berlin verharrt im Dauerkrisenmodus. Beim ersten Triell um die | |
> künftige Doppelspitze beschäftigen sich die Kandidaten mit | |
> Grabenkämpfen. | |
Bild: Der Giffey-Flügel im Attackemodus: Nicola Böcker-Giannini und Martin Hi… | |
BERLIN taz | Martin Hikel hielt sich nicht mit langen Vorreden auf. Der | |
Zustand der Berliner SPD sei „desaströs“, der Vorstand betreibe | |
Hinterzimmerpolitik, der Landesverband sei schlecht organisiert und setze | |
die falschen Themen, sagte Neuköllns Bezirksbürgermeister. Auch wenn Hikel | |
bei seiner Elendsbeschreibung stets von „wir“ und „uns“ sprach. | |
Unverkennbar war, wer für ihn die Hauptverantwortung trägt: | |
[1][SPD-Landeschef Raed Saleh]. | |
Rund 300 Parteimitglieder verfolgten am Dienstagabend in der | |
SPD-Bundeszentrale in Kreuzberg vor Ort, wie sich Hikel an Saleh | |
abarbeitete. Es war das erste von drei Mitgliederforen der Landespartei, | |
der Start des absehbar mit harten Bandagen geführten Schaulaufens für die | |
künftige Doppelspitze der Hauptstadt-SPD. Ab Anfang April ist die | |
Parteibasis gefragt. Zur Auswahl stehen [2][drei Bewerber:innenduos], | |
die unterschiedlicher kaum sein könnten. | |
Bereits Anfang Februar hatten Martin Hikel und [3][die ehemalige | |
Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini] ihre gemeinsame Kandidatur | |
bekannt gegeben, beide werden dem konservativen Parteiflügel zugerechnet. | |
Es folgten vom linken Flügel [4][Vize-Landeschef Kian Niroomand und die | |
Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen, Jana Bertels]. Zuletzt präsentierten | |
sich der amtierende Co-Landeschef und [5][Machttaktiker Raed Saleh und die | |
dezidiert linke Bezirksverordnete Luise Lehmann] aus Marzahn-Hellersdorf | |
als den Beginn „einer neuen Ära der Berliner Sozialdemokratie“. | |
Letzteres scheint mit Blick auf Saleh ein gewagtes Versprechen. Immerhin | |
führt der Spandauer seit über einem Jahrzehnt die SPD-Fraktion im | |
Abgeordnetenhaus und steht seit 2020 gemeinsam mit Franziska Giffey an der | |
Spitze der Landespartei. Giffey hatte Anfang Januar erklärt, [6][für den | |
SPD-Vorsitz nicht mehr zur Verfügung zu stehen]. Saleh hingegen will es | |
noch mal wissen. | |
## Eine Partei kämpft gegen sich selbst | |
Am Dienstag zeigte sich Saleh dann auch kämpferisch – ohne inhaltlich im | |
Detail auf die gegen ihn gerichteten Vorwürfe der Gegenduos zur allgemeinen | |
Misere der Partei einzugehen. Stattdessen beschwor der Noch-Landeschef | |
einmal mehr „die stolze Sozialdemokratie“ und „die Werte der | |
Sozialdemokratie“. Was auch Saleh nicht abstritt: Die SPD steckt seit | |
Langem in der Krise. | |
Nach den vergeigten Wahlen 2021 und 2023, der Zwischenkoalition mit Grünen | |
und Linken unter der grünen- und linken-animosen Senatschefin Franziska | |
Giffey und dem anschließend von ihr und Saleh vorangetriebenen | |
Seitenwechsel zur CDU sind Teile der Partei vor allem mit einem | |
beschäftigt: dem Kampf gegen andere Teile der Partei. Ein Zustand, der von | |
allen Duos auch bitterlich beklagt wurde. | |
Dass es Parteiflügel gebe, sei in Ordnung, aber die Grabenkämpfe müssten | |
jetzt ein Ende haben, hieß es unisono. Alle Kandidat:innen | |
präsentierten sich folglich auch als fleißige Brückenbauer:innen für | |
die Zukunft. Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini setzten gleichwohl auf | |
eine eigene Interpretation des neuen Miteinanders: Ihr „konkretes Angebot, | |
gemeinsam die Gräben der Partei zu überwinden“, richtete sich nur an Kian | |
Niroomand und Jana Bertels und deren Anhänger:innen. Das alles andere als | |
kleine Lager, das hinter der Kandidatur von Raed Saleh und Luise Lehmann | |
steht, blieb unumworben. | |
Niroomand und Bertels gingen ihrerseits auf die Kuscheloffensive gar nicht | |
erst ein. Kein Wunder, schließlich treibt vielen ihrer Unterstützer:innen | |
allein die Aussicht auf Hikel und Böcker-Giannini als Parteivorsitzende den | |
Puls hoch. Während Niroomand und Bertels von Grünen und Linken als „unseren | |
natürlichen Koalitionspartnern“ sprachen, warnten Hikel und Böcker-Giannini | |
vor der „fatalen Ausschließeritis“ der anderen. Beide haben schon zuvor | |
kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie die SPD im Bündnis mit der CDU | |
allzeit gut aufgehoben sehen. | |
## Konservatives Duo mit innerparteilichem Krawallpotenzial | |
Vielleicht lag es nur an der späten Uhrzeit. Nach rund zweieinhalb Stunden | |
drohte die bis dahin leidenschaftlich, aber für SPD-Verhältnisse gesittet | |
geführte Debatte im Willy-Brandt-Haus nach Äußerungen von Hikel und | |
Böcker-Giannini zum Thema Rassismus jedenfalls kurz aus dem Ruder zu | |
laufen. | |
Hikel hatte erklärt, er halte die Fixierung auf den Kampf gegen | |
antimuslimischen Rassismus für „fragwürdig“, es müsse ja die Frage erlau… | |
sein: „Sind Muslime eine Rasse?“ Hier schon wurde es lauter im Publikum. | |
Als Böcker-Giannini dann noch assistierte, die Partei müsse es eben | |
aushalten, „dass wir unterschiedliche Meinungen haben“, brüllte Alfonso | |
Pantisano, [7][der Queerbeauftragte des Senats], dem Duo entgegen: „Aber | |
Rassismus ist keine Meinung.“ Im Nachgang sagten linke Genoss:innen zur | |
taz, dass Pantisanos Auftritt zwar ein wenig peinlich gewesen sei. Zugleich | |
zeigte der Wutausbruch das innerparteiliche Krawallpotenzial, das mit Hikel | |
und Böcker-Giannini vorgezeichnet sein dürfte. | |
Dennoch könnte es sein, dass die beiden Vertrauten von Noch-Parteichefin | |
Franziska Giffey am Ende das Rennen machen. Denn letztlich entscheiden die | |
gut 18.000 Parteimitglieder – und die Basis gilt in weiten Teilen „als | |
unbekanntes Wesen“, wie ein langjähriger Ortschef der taz sagte. Rund 40 | |
Prozent der Mitglieder zahlten zwar brav Beiträge, tauchten in | |
Parteiversammlungen aber nie auf. Ob die mehrheitlich links ticken – wie | |
ein nicht unerheblicher Teil der Berliner Funktionäre – oder rechts, werde | |
man spätestens am 18. Mai sehen, wenn die Stimmen eines erwarteten zweiten | |
Wahlgangs ausgezählt werden. | |
13 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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