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# taz.de -- SPD-Vorstandstriell: Ein bisschen Stochern im Nebel
> Will die CDU Martin Hikel im SPD-Vorsitzrennen mit einer Bezirkstour
> einen Vorteil verschaffen? Das ist eine steile These – mehr aber auch
> nicht.
Bild: Die Vorsitzwahl ist das große Thema bei der SPD. Wer gewählt wird, ist …
Da musste Christian Gaebler, Bausenator und intensiver Kenner der Berliner
SPD, der er seit 43 Jahren angehört, schon lächeln. Denn in der
Pressekonferenz nach der Senatssitzung – wo es zumindest offiziell nur um
Regierungs- und nicht um Parteiangelegenheiten geht – war am Dienstag
plötzlich [1][das Rennen um den künftigen SPD-Vorsitz] Thema, über den
[2][vom 6. bis zum 19. April die Genossen bei einer Mitgliederumfrage]
abstimmen.
Vize-Senatssprecherin Lisa Frerichs hatte gerade angekündigt, dass der
Senat am folgenden Dienstag wieder auf Bezirkstour gehe und – [3][nach dem
Auftakt in Friedrichshain-Kreuzberg Ende Januar] – nun in Neukölln tagen
werde. Ja, könnte das nicht ungerechterweise dem dortigen
Bezirksbürgermeister Martin Hikel eine Bühne bieten (und ihn so in seinen
Ambitionen unterstützen, SPD-Landeschef zu werden)?, legte eine Kollegin
vom RBB sinngemäß nahe.
Der Termin sei lange schon verabredet gewesen, bevor Hikel Anfang Februar
seine Kandidatur mit Ex-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini öffentlich
machte, reagierte Gaebler. Selbst wenn es anders wäre: Er, der über zwei
Jahrzehnte den großen SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf anführte,
mochte in dem Bezirksbesuch jedenfalls keinen Game Changer sehen: „Ich
bezweifle, dass das der große Renner ist, der SPD-Mitglieder zum Umdenken
bringt.“
Er könne sich auch nicht vorstellen, dass der Regierende Bürgermeister im
Roten Rathaus mit seinem Senatskanzleichef zusammensitze und sich überlege,
wie er am ehesten auf die SPD-Entscheidung Einfluss nehmen kann, sagte
Gaebler.
## Was hilft wem und warum und überhaupt?
Natürlich ist es unter Polit-Profis wie unter berichtenden Journalisten
beliebt, Personalentscheidungen in alle Richtungen durchzudenken. Was hilft
wem und warum und überhaupt? Die Sache ist bloß: Es ist völlig unklar, ob
ein bewusst jetzt angesetzter Bezirksbesuch mit Fernsehbildern Hikel helfen
würde.
Und natürlich könnten Leute sagen: „Guck mal, der ist im Fernsehen – dann
muss der ja gut sein.“ Genauso könnten andere bei dessen Anblick neben dem
Regierungschef sagen: „Guck mal, der Hikel ist mit dem Wegner im Fernsehen
– der wanzt sich ja wirklich an die CDU ran, der geht gar nicht.“
Genauso wenig ist klar, ob die CDU – genauer: Kai Wegner – überhaupt ein
Interesse daran haben kann, Hikel mit seiner Partnerin gegen die
konkurrierenden Duos Kian Niroomand/Jana Bertels und Raed Saleh/Luise
Lehmann zu unterstützen. Das wäre auch mit einem grundsätzlichen Risiko
verbunden: Setzt sich am Ende doch wieder der bisherige Partei- und
Fraktionsvorsitzende Saleh durch, hat Wegner seinen wichtigsten Partner in
der Koalition vergrätzt.
## Im schwarz-roten Senat läuft es schon
Würde es der CDU in der Landesregierung überhaupt merklich helfen, wenn
Hikel SPD-Landesvorsitzender wäre? Bräuchte Wegner das überhaupt? Würde ihm
ein Spitzenduo Niroomand/Bertels tatsächlich schaden? Trotz aller
CDU-kritischen Äußerungen bei der jüngsten SPD-Kandidatenvorstellung ist
aus dem Senat immer wieder zu hören, dass man gut zusammenarbeite, dass das
Klima gut sei, dass es keine Durchstechereien gebe.
Bei Druck von außen kann sich ein Senatsmitglied im Zweifelsfall immer
darauf berufen, nicht der Partei, sondern dem Land einen Eid geschworen zu
haben: also das Amt „getreu der Verfassung und den Gesetzen zu führen und
meine ganze Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen“ – von
Parteitagsbeschlüssen steht da nichts.
Der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) etwa, der bewusst
nie Parteichef war, ließ sich [4][auch nicht einen anderen Regierungsstil
diktieren], als 2012 Jan Stöß die Parteiführung mit ähnlichem Ansatz
übernahm wie nun Niroomand und Bertels, nämlich der Partei mehr Geltung
gegenüber Regierung und Fraktion zu verschaffen.
Bei allem, was derzeit in Berlin zu tun und zu reparieren ist – Wegner hat
schon bei mehreren Themen versprochen, jüngst beim Kampf gegen
Antisemitismus, dafür rund um die Uhr zu arbeiten – würde es auch
überraschen, wenn Regierungs- und Senatskanzleichef die Zeit hätten, die
SPD-Vorsitzentscheidung zu unterminieren. Wobei: Interessant ist so ein
bisschen Stochern im Nebel schon…
23 Mar 2024
## LINKS
[1] /Dreikampf-um-die-SPD-Spitze/!5994959
[2] /Dreikampf-um-Berliner-SPD-Spitze/!5992100
[3] /Senatstour-in-Friedrichshain-Kreuzberg/!5984422
[4] /Wachsende-Konkurrenz/!5047006
## AUTOREN
Stefan Alberti
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