# taz.de -- Senatstour in Friedrichshain-Kreuzberg: Auf Safari im Görlitzer Pa… | |
> Der Senat tourt am Dienstag durch Friedrichshain-Kreuzberg und besucht | |
> den Görli. Und Bizim Kiez protestiert gegen den geplanten Zaun um den | |
> Park. | |
Bild: Kai Wegner ruft beim Rundgang durch den Görli einem Demonstranten etw… | |
BERLIN taz | Schwarz und lang steht der Reisebus auf der rechten Spur der | |
Frankfurter Allee, dahinter drei Oberklasse-Audis mit Blaulicht und ein | |
Polizei-Mannschaftswagen. Ein Grüppchen Frauen und Männer ist, begleitet | |
von Polizisten, gerade durch die klassizistische Häuserfront zur | |
Menschenkinder GmbH verschwunden, eine Kita samt Familienzentrum. Der | |
führende Mann sieht aus wie Regierungschef Kai Wegner von der CDU – und ist | |
es auch. Der schwarz-rote Senat hat an diesem Dienstag seine Sitzung nach | |
Friedrichshain-Kreuzberg verlegt und tourt nun im Anschluss daran mit den | |
örtlichen Stadträten durch den Bezirk. | |
Die Kita ist der der erste von vier Stopps, denen eine klassische | |
Dramaturgie innewohnt. Der eigentliche Höhepunkt ist nämlich erst als | |
dritter Punkt für den späteren Nachmittag vorgesehen: ein Rundgang im | |
Görlitzer Park. Der Senat will der dortigen Drogenproblematik mit einem | |
Zaun begegnen, die grün-geführte Bezirksregierung hält das für den falschen | |
Ansatz. | |
Wie im klassischen Drama gibt es einen klaren Auftakt, dann ein paar das | |
Tempo rausnehmende, aber die Spannung steigernde Momente bis zum großen | |
Showdown im und am Park, wo sich später rund 200 Zaun-Gegner versammeln | |
werden. Viele Worte sind dazu schon gefallen, aber der Senat dazu dort vor | |
Ort, das ist ein Novum. Vor Jahren hatte mal Schlagzeilen gemacht, als dort | |
auf Einladung der örtlichen CDU der bei seiner eigenen Partei umstrittene | |
Boris Palmer unterwegs war, der umstrittene grüne Oberbürgermeister von | |
Tübingen. | |
Wegner und Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann von den Grünen wirken | |
nicht wie unversöhnliche Gegner, als sie gleich nach der gemeinsamen | |
Sitzung im Bezirksamt Friedrichshain vor Journalisten auf Park und Zaun zu | |
sprechen kommen. Die Haltungen sind gegenüber früheren Äußerungen | |
unverändert – „da wird der Senat jetzt handeln“, sagt Wegner. Aber man | |
scheint zu akzeptieren, dass die jeweils andere Seite die Sache anders | |
sieht, und doch nach Gemeinsamkeiten drum herum zu suchen. Und man ist auch | |
per Du. | |
## Zentrales Argument gegen den Zaun | |
Was Herrmann als zentrales Argument gegen den Zaun und nächtliches | |
Abschließen vorbringt – dass sich die Kriminalität dann in die | |
Nachbarschaft und direkt in die Hausflure verlagere –, mag Wegner gar nicht | |
wegreden: Es bringe nichts, die Drogenkriminalität aus dem Park zu | |
verdrängen, wenn sie danach in den Hauseingängen lande. Er setzt darauf, | |
dass die Polizei, weil sie künftig nicht mehr im Park patroullieren müsste, | |
dadurch Zeit und Leute genug für den Schutz der Nachbarschaft hat. | |
Einig sind sich die beiden, dass es intensive präventive Maßnahmen geben | |
soll. Und so bewegt sich die Kolonne aus Bus und Begleitfahrzeugen durch | |
den Bezirk und macht sich von der Kita auf den Weg zu einer Bibliothek. | |
Was an diesem Nachmittag auffällt: Es sind nicht die sonst verbreiteten | |
Rein-raus-Stippvisiten, bei denen dem Besuch das Pressefoto am wichtigsten | |
ist. Der Regierende Bürgermeister und mehrere weitere Senatsmitglieder | |
verbringen fast eine Stunde bei „Menschenkinder“, lassen sich in drei | |
Gruppen einteilen – entscheidend dafür ist der Griff in eine | |
Süßigkeitenschale. | |
Die Diskussion um den Zaun ist trotzdem auch auf der Weiterfahrt vorrangig. | |
Am Vormittag hat sich im Landgericht ergeben, dass der Vorwurf einer | |
Vergewaltigung im Park, der die Debatte intensivierte, möglicherweise | |
deutlich anders zu betrachten ist. Darauf angesprochen, sagt Wegner: „Das | |
spielt keine Rolle, was die Bewertung des Görlitzer Parks angeht.“ Dort | |
habe man grundsätzlich eine angespannte Kriminalitätslage. Die Planung für | |
den Zaun und weitere Maßnahmen sei „völlig unabhängig von diesem Fall“. | |
## Finanzsenator hilft mit Schokoriegel aus | |
Über die Oberbaumbrücke führt die Fahrt im oft stockenden Verkehr entlang | |
der Hochbahn von Friedrichshain nach Kreuzberg. Wie so oft auf solchen | |
Touren geht es in den Sitzreihen nicht nur ums Hochpolitische. | |
Finanzsenator Stefan Evers (CDU) etwa hilft mit einem Schokoriegel aus und | |
witzelt über seinen anstehenden Besuch bei der SPD-Fraktionsklausur am | |
Wochenende: „Man muss immer dorthin gehen, wo es wehtut“ – die | |
Sozialdemokraten sind von seinen Einsparvorgaben wenig überzeugt. | |
Die Bibliothek als nächstes Ziel liegt unmittelbar neben der neuen | |
Polizeiwache am Kottbusser Tor, großer Streitpunkt in der rot-grün-roten | |
Vorgängerkoalition zwischen SPD-Innensenatorin Iris Spranger und Grünen und | |
Linkspartei. Bürgermeisterin Herrmann lädt drinnen dazu ein, „den ganz | |
normalen Bibliothekswahnsinn“ zu erleben, und berichtet von auslaufenden | |
Quartiersmanagementgeldern, die unabdingbar für den sozialen Zusammenhalt | |
seien. „Für viele, die hier wohnen, ist die Bibliothek ein zweites | |
Wohnzimmer.“ | |
Über die Oranienstraße rückt der Höhepunkt der Tour näher. Wird es bei den | |
angemeldeten 50 Demonstranten gegen den Zaun bleiben? Der Bus parkt am | |
Seiteneingang in der Görlitzer Straße, die Kundgebung hat sich Richtung | |
U-Bahnhof versammelt. | |
Mehr als 200 Anwohner:innen und Aktivist:innen des Bündnisses | |
„Görli Zaunfrei“ warten dort auf die Senatsmitglieder. Die kurzfristig | |
organisierte Kundgebung fiel damit deutlich größer aus, als vom Anmelder | |
David Kiefer, Sprecher der Initiative Wrangelkiez United, erwartet worden | |
war. In mehreren Redebeiträgen wurden die Senatspläne massiv kritisiert. | |
Als gegen 16 Uhr der Bus mit den Senatsmitgliedern am Park hielt, | |
erschallten Sprechchöre: „Der Görli bleibt auf!“ Polizist:innen zogen | |
eine Kette durch den Park, konnten aber nicht verhindern, dass sich die | |
Menschen dem Pulk um Bürgermeister Wegner am Parkeingang entgegenstellten. | |
Trillerpfeifen schrillen, „Haut ab“-Rufe werden laut, auch „Nazis“ hall… | |
Wegner entgegen, als er sich, eng umgeben von Polizisten, quer durch den | |
Park zur Ohlauer Straße bewegt. Die Tour durch den Park ist keine 150 Meter | |
lang | |
## „Das ist unser Park“ | |
Kiefer sagt: „Der schwarz-rote Law-and-Order-Populismus löst keine | |
Probleme, sondern verschärft sie.“ Dem Senat wirft er eine „Unkenntnis der | |
Situation“ vor. Die Probleme des Görli, von Drogenkonsum und -handel über | |
Gewalt bis Gentrifizierung, würden von den Anwohner:innen gesehen; nur | |
löse ein Zaun eben keines davon. | |
In einer Rede einer Mitstreiterin von Kiefer hieß es, es gehe schon lange | |
nicht mehr um die Vergewaltigung. Frauen würden instrumentalisiert. | |
Stattdessen würde eine Politik „rassistischer Verdrängung“ betrieben. | |
Für Philipp Vergin von der Anwohnerinitiative Bizim Kiez zeuge die Idee der | |
Umzäunung von „provinziellem Mindset“. Er erinnerte an die Geschichte des | |
Parks, der erst in den 1980er Jahren nach langem Kampf der Nachbarschaft | |
errichtet worden war: „Das ist unser Park und den lassen wir uns nicht | |
nehmen“, so Vergin. | |
Die Tour endet an der Gerhart-Hauptmann-Schule. Vor dem Gebäude zieht | |
Wegner vor Journalisten ein Fazit. „Dass hier nur 200 Leute demonstriert | |
haben, ist auch ein Signal“, sagt er, „ich hatte deutlich mehr erwartet.“ | |
Mit einigen von ihnen habe er auf dem Weg reden können. Das aber ist für | |
ihn nicht mit allen möglich: „Wer hier Polizisten und demokratisch gewählte | |
Politiker als Nazis beschimpft, disqualifiziert sich – das ist keine | |
Gesprächsgrundlage.“ | |
23 Jan 2024 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
Erik Peter | |
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