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# taz.de -- Herausforderungen für die Grünen: Der Lieblingsfeind
> Wir sind im Krieg. Und im Klimawandel. In der Kritik sind als Verbots-
> und Kriegstreiber-Partei in beiden Fällen die Grünen. Zu Unrecht
> natürlich.
Bild: Erstaunlich stabil: Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Hab…
Dass sich Europa im Krieg mit Putin befindet, wird von vorsichtigen
Staatsmännern immer wieder verneint. Die Lieferung des „Taurus“ wird aus
diesem Grund abgelehnt. Dass sich Putin im Krieg mit Europa befindet, hat
sich allerdings herumgesprochen. Bis ins lächerlichste Detail hinein
kämpften sich Russlands Trolle vor: So war die angebliche Bettwanzenplage
in Frankreich das Fantasieprodukt russischer [1][Desinformationstrolle],
das in den sozialen Netzwerken Klickrekorde erzielte und zu inoffiziellen
Reisewarnungen führte.
So lächerlich, wie es klingt, ist das Beispiel gar nicht, denn es zeigt,
wie ein Angriff auch ohne Panzerkolonnen Richtung Berlin funktioniert.
Solche Informationsangriffe machen eine ohnehin nervöse und verwirrte
Bevölkerung noch unruhiger, sorgen für das Schwenken weißer Fahnen und
begünstigen Rechtsradikale, die Missstimmung und Verunsicherung
ausschlachten. Hunderttausende lügentriefender Kurznachrichten werden
täglich aus Russland und von seinen Kollaborateuren gestreut, und noch weit
gefährlichere [2][Cyberangriffe] können jederzeit die kritische
Infrastruktur treffen und Katastrophen auslösen.
[3][Putins Angriff] gilt also nicht allein der „Rückeroberung“ (wie er es
sieht) der Ukraine, er gilt auch den westlichen Demokratien als
freiheitliche Lebensform. Sehr wirksam hat Russland den Spaltpilz in die
Europäische Union gepflanzt, die Erosion der Nato betrieben und nicht
zuletzt gemeinsam mit China eine Allianz des Globalen Südens gezimmert. Das
sind keine Vorbereitungen für einen Krieg, das ist er bereits, noch
angeheizt durch nukleare Vernichtungsdrohungen.
## Sozialdemokraten profilieren sich als Friedenspartei
Die angrenzenden Staaten haben die russische Konfusionsstrategie längst
verstanden, in Deutschland profilieren sich vor allem Sozialdemokraten aber
weiter als Friedenspartei, in der Illusion, Putin an den Verhandlungstisch
zu bitten.
Deren Attacke richtet sich weniger gegen russische Kriegsverbrechen als
gegen die grüne Konkurrenz, die implizit als Kriegspartei denunziert wird.
So geht Defätismus: Für ein paar Punkte in den nächsten Kommunalwahlen
nordet der Bundeskanzler seinen Kompass „Zeitenwende“ in Richtung „Münch…
ein.
1938 konnten sich der britische Premier Neville Chamberlain und sein
französischer Kollege Edouard Daladier ein paar Monate als Friedensstifter
feiern lassen, bevor das angeblich „beruhigte“ Hitlerdeutschland, ganz nach
Plan, den schrecklichsten Krieg der Geschichte auslöste.
Die Grünen haben Ähnliches schon einmal durchgemacht, als sie angesichts
des serbischen Vernichtungsangriffs auf Sarajevo und des Völkermords in
Srebrenica erkennen mussten, dass auch damals „Nie wieder!“ jetzt war, und
eine verantwortungsbewusste Reaktion auf eine Aggression forderten, die
vieles vorwegnahm, was Putin in der Ukraine schon vor 2022 betrieb.
Den Grünen schlägt aber das geballte Ressentiment entgegen, seitens einer
ehern pazifistischen Basis genauso wie seitens AfD und BSW, die sich als
Putins Pudel demaskieren. Sie suggerieren, die Grünen trieben Deutschland
in einen Krieg, förderten Massenimmigration und opferten die „kleinen
Leute“ auf dem Altar einer ideologiegetriebenen Umweltpolitik.
## Wir stecken mitten in einem gefährlichen Klimawandel
In dieser Situation, da alle Vernunft auszusetzen scheint, erweisen sich
die Grünen, im Verhältnis zu den anderen Ampelparteien, als standhaft und
erstaunlich stabil. Es kommt nun ihnen zu, bei unzweifelhaft ansteigenden
Verteidigungsausgaben, an der immer dringender werdenden Transformation der
Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik festzuhalten und diese zugleich auf
eine sozial gerechte Weise zu gestalten. Denn wir sind nicht nur im Krieg,
wir stecken auch mitten in einem gefährlichen Klimawandel, der noch größere
Anstrengungen der Prävention und Anpassung als bisher erfordert.
Anpassung erhöht die Sicherheit aller vor katastrophalen
Extremwetterfolgen, Prävention erlaubt eine beschleunigte Umstellung von
Lebensstilen – und birgt wirtschaftliche Chancen für eine Exportnation, der
Globalisierung as usual nicht mehr entgegenkommt. Eine sozial-ökologische
Transformation besteht nicht nur aus im Sinne künftiger Generationen
einsehbaren Verzichtsleistungen, sie eröffnet auch arbeits- und
sozialpolitische Gewinne, die sich nicht nur in Euro und Cent ausdrücken
lassen, sondern Freiheitschancen eröffnen. Das Szenario ergibt eine ganz
andere Erzählung der Klimawende, als sie den Grünen als vermeintlicher
„Verzichts- und Verbotspartei“ von rechts unterstellt wird. Doch es kommt
der Quadratur des Kreises nahe, eine Bevölkerung gleichzeitig herausfordern
und beruhigen zu wollen.
Eine wesentliche Weichenstellung (neben den überaus bedeutsamen
Europawahlen) sind die Haushaltsverhandlungen. Während das Sondervermögen
Bundeswehrertüchtigung aus nachvollziehbaren Sicherheitsgründen von der
Schuldenbremse ausgenommen worden ist, wurden Investitionen in den Schutz
des Klimas und der Artenvielfalt geopfert. Dabei bilden diese weit mehr und
sicherer Realvermögen als Lindners wiederum von der Schuldenbremse
ausgenommene kapitalgedeckte Rente. Klimapolitik darf nicht der
Kriegstauglichkeit geopfert und ebenso wenig auf Kosten des Sozialstaates
finanziert werden.
Ein wichtiger Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation ist mithin die
Fiskalpolitik; sie fängt bei gezielten Senkungen der Mehrwertsteuer an,
geht bei der Kürzung unsinniger Subventionen weiter und hört bei einer
höheren Besteuerung großer Einkommen, Vermögen und Erbschaften auf, deren
Nutznießer bekanntlich den größten ökologischen Fußabdruck aufweisen und
überproportional Treibhausgase ausstoßen.
14 Mar 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Claus Leggewie
Daniel Cohn-Bendit
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Desinformation
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Sozialdemokraten
Grüne
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Robert Habeck
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