| # taz.de -- Demonstrationen gegen Rechtsextremismus: Proteste zeigen Wirkung | |
| > In zahlreichen Städten gehen erneut zigtausende Menschen gegen | |
| > Rechtsextremismus und Abschiebepläne der AfD auf die Straße. Aus Berlin, | |
| > Dresden und Krefeld berichten taz-Reporter:innen. | |
| Bild: Zahlreiche Menschen nehmen mit Plakaten an der Demonstration eines Bündn… | |
| Berlin/Dresden/Krefeld taz | Niedlich erscheint im Nachhinein die | |
| ursprüngliche Idee einer Menschenkette rund um den Bundestag. Dieser hätte | |
| wohl eher den Umfang des Bodensees haben müssen, um das zu ermöglichen. | |
| Mehr als 150.000 Menschen versammelten sich laut Polizei an diesem | |
| regnerischen Samstag in der Hauptstadt, um unter dem Motto | |
| #WirSindDieBrandmauer gegen Rechts zu protestieren. Die | |
| Veranstalter*innen sprechen sogar von bis zu 300.000. Aufgerufen zu | |
| der Demonstration hatte das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen | |
| „Hand in Hand gegen Rechts“. Auch in zahlreichen anderen Städten sind | |
| tausende Menschen auf die Straße gezogen. | |
| Seit den Enthüllungen der [1][Correctiv Recherche über | |
| „Remigrations“-Pläne], die Rechtsextreme bei einem Treffen in Potsdam | |
| schmiedeten, gehen bundesweit hunderttausende Menschen demonstrieren. Ans | |
| Licht kamen dabei auch enge Verbindungen von CDU-Politiker*innen zu Rechten | |
| und Rechtsextremen. „CDU war auch in Potsdam“ oder „CDU kuschelt mit | |
| Nazis“, steht auf Schildern, die Demonstrant*innen vor dem Bundestag in | |
| die Luft halten. Mit solch enormen Protesten habe sie nicht gerechnet, sagt | |
| die Geschäftsführerin von Correctiv, Jeannette Gusko. „Wir wussten, dass | |
| die Recherche politisch brisant ist, aber das, was jetzt passiert ist | |
| einzigartig in der Geschichte der Bundesrepublik.“ | |
| Das Treffen in Potsdam habe sie nicht überrascht, berichten mehrere von | |
| Rassismus und Diskriminierung betroffene Redner*innen am Samstag. Es | |
| bestätige nur das, was sie täglich erlebten. „Für uns ist die Gefahr, die | |
| von Rechtsextremismus ausgeht, keine abstrakte, sondern eine reale“, sagt | |
| Elena Kountidou, Geschäftsführerin der Neuen Deutschen Medienmacher*innen. | |
| Der „rassistische Normalzustand“ erfülle sie mit Angst und begleite ihr | |
| Leben „auf unerträgliche Art und Weise“, erzählt auch Sultana Sadiqi aus | |
| Erfurt. Sie berichtet über ihre Erfahrungen als von Rassismus betroffene | |
| Frau in Thüringen. | |
| In die Verantwortung werden auch die bürgerlichen Parteien gezogen. Was | |
| gerade passiert entstehe nicht aus dem luftleeren Raum, sagt Sadiqi. „Die | |
| Regierung und die CDU sind Teil des Problems. Sie müssen soziale Politik | |
| für alle machen, um die AfD zu stoppen“, sagt sie. Die „angebliche Mitte | |
| Koalition“ verschiebe sich immer weiter nach rechts, sagt auch Miriam | |
| Tödter vom Netzwerk „Wir packen's an“, das Geflüchtete in einem „kleenen | |
| Kaff in Brandenburg“ unterstützt. „‚Ich bin der Abschiebekanzler‘“, … | |
| sie. „Wenn das nicht Rechts ist, dann weiß ich auch nicht, was Rechts ist!“ | |
| Die Proteste zeigten auch Wirkung, so die Moderatorin der Veranstaltung. | |
| Zum ersten Mal in 7 Monaten sei die AfD bundesweit wieder unter die | |
| 20-Prozent-Marke gerutscht. Es reiche jedoch nicht auf Demonstrationen zu | |
| gehen, sagt Jeanette Gusko. Die Zivilgesellschaft müsse nun aus dem | |
| privaten Raum in den öffentlichen treten und sich für die Demokratie | |
| einsetzen. | |
| ## Laut Polizei 30.000 Menschen in Dresden auf der Straße | |
| Der Theaterplatz vor der Dresdner Semperoper fasste die Menge kaum. Erste | |
| vorsichtige Schätzungen der Polizei gehen von 30.000 Demonstranten aus. | |
| Unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer Dresden“ hatten fast 200 Vereine | |
| und Institutionen zum Widerstand gegen eine „drohende Normalisierung des | |
| Rechtsextremismus“ aufgerufen, wie Moderator Michael Nattke vom Kulturbüro | |
| Sachsen sagte. | |
| Originelle Banner und Plakate illustrierten diese Absicht. „Wer in der | |
| Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“, wurde gewarnt. „Ja zu Euren | |
| Sorgen, Nein zu Euren Antworten“, formulierte ein kluges Schild. „Ich habe | |
| Angst“, bekundete eine Demonstrantin schlicht, auf den | |
| AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl Maximilian Krah spielte ein Plakat | |
| „Krahlschlag verhindern“ an. | |
| Repräsentanten der Jüdischen Gemeinden in Dresden zeigten sich „stark | |
| beunruhigt“. Ein Unternehmer sorgte sich um die Gewinnung ausländischer | |
| Fachkräfte in einem fremdenfeindlichen Klima. Der evangelische | |
| Landesbischof Tobias Bilz sprach erst nach dem rund einen Kilometer langen | |
| Demonstrationszug durch die Innenstadt, vorbei an der Synagoge. Sein | |
| katholischer Amtsbruder Heinrich Timmerevers nahm ebenfalls teil. | |
| Erneut herrschte bei allem Protestcharakter eine heitere und zuvorkommende | |
| Stimmung auf dem Theaterplatz vor. Kaum zwei Dutzend Polizisten mussten | |
| nicht eingreifen. Es kam am Rande nur zu einem heftigen Wortwechsel | |
| zwischen ihnen und einer sich behindert fühlenden Basisgewerkschaft „Freie | |
| Arbeitnehmer*innen Union“ FAU. An der Spitze des Zuges versuchte der | |
| bekannteste Organisator der Querdenker-Demonstrationen und | |
| Oberbürgermeisterkandidat Marcus Fuchs Demonstranten zu filmen und führte | |
| Interviews mit seinen Gesinnungsgenossen. Die Versammlungsleitung versuchte | |
| vergeblich, ihm das zu untersagen. | |
| ## Zehntausende bei Protesten in NRW | |
| „Diese Demo tut mir einfach gut“, sagt Julia Alkenbrecher. „Sie nimmt mir | |
| das Gefühl, dem Rechtsruck, den wir viel zu lange unterschätzt haben, | |
| ohnmächtig gegenüber zu stehen.“ Zusammen mit tausenden ist die 31-jährige | |
| Krefelderin am Samstag zum Platz der Wiedervereinigung am Hauptbahnhof | |
| ihrer Heimatstadt gekommen. Dort ist sie Teil des von den Fridays for | |
| Future angestoßenen Protests unter dem Motto „Krefeld verteidigt die rote | |
| Linie der Demokratie“ und #Wir sind die Brandmauer“. | |
| Denn zu der Demonstration, zu der Gewerkschaften, Parteien und Vereine | |
| ebenso aufgerufen haben wie Unternehmer:innen, | |
| Migrant:innen-Organisationen, Kulturschaffende und Religionsgemeinschaften, | |
| sind weit über 10.000 Menschen gekommen: Die Polizei korrigiert ihre | |
| Schätzungen von 7.500 auf 10.000, dann auf 12.000. Die | |
| Veranstalter:innen sprechen von 15.000. | |
| Der Protest in der knapp 230.000 Einwohner:innen zählenden Stadt am | |
| Niederrhein ist damit an diesem Wochenende die größte Demo gegen | |
| Rechtsextremismus und Rassismus in Nordrhein-Westfalen. Demonstriert wurde | |
| aber auch in dutzenden anderen, zumeist kleineren Orten wie Viersen, Geseke | |
| und Coesfeld, wo jeweils rund 3.000 Leute auf die Straße gingen. | |
| Die nur 37.000 Menschen zählende münsterländische Kreisstadt Coesfeld etwa | |
| dürfte damit die größte Demonstration ihrer Geschichte erlebt haben. [2][In | |
| den Großstädten NRWs hatten schon in den Wochen zuvor hunderttausende | |
| protestiert]: In Düsseldorf waren es 100.000, in Köln am 16. Januar 30.000 | |
| und am 20. Januar 70.000, in Dortmund und Bonn jeweils 30.000. „Wir sind | |
| von der schweigenden Mehrheit zur Massenbewegung geworden“ ruft Krefelds | |
| SPD-Oberbürgermeister Frank Meyer deshalb schon zum Demo-Auftakt. | |
| „Als ich von den Abschiebeplänen der AfD gehört habe, war Schluss“, sagt | |
| Erol Bekan auf der Krefelder Demo. „Die Idee, möglicherweise Millionen | |
| Menschen abzuschieben, ist einfach unmenschlich“, sagt der 63-jährige, der | |
| im Alter von 10 in die Bundesrepublik gekommen ist. „Ich habe Angst, dass | |
| die AfD an die Macht kommt – und werde ab jetzt bei jeder Demo dabei sein.“ | |
| Nötig sei aber auch alltägliches Engagement, mahnt der | |
| Ver.Di-Gewerkschafter Dominik Kofent von der Bühne der Abschlusskundgebung: | |
| „Wir müssen die Demokratie auch an der Supermarktkasse, am Stammtisch, in | |
| den Betrieben verteidigen“, sagt der Ver.di-Mann – und liefert gute | |
| Argumente. Schließlich biete die AfD gerade Arbeitnehmer:innen | |
| keinerlei Lösungen für ihre zunehmenden wirtschaftlichen Probleme: „Die AfD | |
| will Steuererleichterungen für Superreiche. Sie will keine Strom- und | |
| Gaspreisbremse, kein Kurzarbeitergeld, kein Bürgergeld, keine sichere | |
| Rente.“ | |
| 3 Feb 2024 | |
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| Michael Bartsch | |
| Lilly Schröder | |
| Andreas Wyputta | |
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