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# taz.de -- Proteste gegen Rechtsextreme: Kleiner, aber feiner werden
> Was die Demonstranten eint, ist ihre Ablehnung der AfD. Aber reicht das,
> um mehr zu erreichen als ein kurzes Frühlingsgefühl?
Bild: Demonstration gegen rechts in Güstrow am 2. Februar
Jede erfolgreiche Bewegung braucht einen linken Besserwisser, der sie
schlechtredet, und damit herzlich willkommen in dieser taz-Kolumne. Tut mir
leid, ich will wirklich nicht beim Feiern stören. Ihnen wäre es
wahrscheinlich lieber, ich hätte diesen Text in Schriftgröße 7,5 auf das
Flugblatt einer trotzkistischen Splittergruppe gedruckt und am Rand der
Demo verteilt. Aber jetzt müssen wir da durch.
Ja, es ist fantastisch, dass [1][über eine Million Menschen] gegen die AfD
protestiert haben. Es ist ein erhebendes Gefühl, [2][mit fremden Menschen
in der Sache verbunden zu sein], wenn man sich im Alltag mit dem Irrsinn
doch meist allein fühlt. Aber jetzt kommt das Aber.
Was die Demonstranten eint, ist ihre Ablehnung der AfD. Das ist nicht
nichts. Aber reicht das, um mehr zu erreichen als ein kurzes
Frühlingsgefühl?
Bewegungen brauchen, um erfolgreich zu sein, die Erfahrung der
Selbstwirksamkeit: Etwas zu erreichen, das über Bilder in der „Tagesschau“
hinausgeht. Das Gefühl, viele zu sein, ist für den Moment beruhigend, sogar
berauschend. Aber wie das so ist mit dem Rausch, er lässt sich nicht
wiederholen, ohne Kopfschmerzen zu bekommen.
## Lässt sich nicht wegdemonstrieren
Vermutlich lassen sich die wenigsten AfD-Wähler von den Demos beeindrucken.
Das zeigen vergangene Proteste: 2018 demonstrierten und feierten in
Chemnitz über 60.000 Menschen unter dem Motto [3][„Wir sind mehr“]. Bei der
folgenden Landtagswahl in Sachsen kam die AfD auf mehr als 25 Prozent.
Auch für ein AfD-Verbot ist die Zahl der Demonstranten irrelevant, zum
Glück. Darüber entscheiden unabhängige Gerichte, und das kann Jahre dauern.
Es ist auch die von vielen Krisen bestimmte Weltlage, die Menschen dazu
bringt, die AfD zu wählen. Das Gefühl der Schwäche des Nationalstaats, die
Klimakrise, die Angst der Mittelschicht, abzusteigen. All das führt ja
nicht nur in Deutschland zu einem Aufstieg der Rechtspopulisten und lässt
sich nicht einfach wegdemonstrieren.
## Ihr seid nicht allein
Ist also alles vergebens?
Nein, auf dem Sofa bleiben ist keine Option. Denn die Bedingungen, die die
AfD stark gemacht haben, lassen sich verändern. Es war die Politik der
Ampel, die die Rechtsextremen in einem knappen Jahr von 15 auf über 20
Prozent hob. Und die Ampel tut viel dafür, um die AfD weiter zu stärken:
Sie entlastet Gutverdiener und verschärft die Abschiebepolitik. Wer gegen
den Rechtsruck demonstriert, demonstriert auch gegen Ampel und Union.
Natürlich dürfen die Demos nicht zu einer identitären Veranstaltung für
Linke werden. Aber wenn sie inhaltlich beliebig werden, nur um niemanden
abzuschrecken, ist auch nichts gewonnen.
Aktuell wird diskutiert, ob die Bewegung gegen die AfD unfreundlich
gegenüber der CDU sei. Eine Verdrehung der Tatsachen. Gerade haben Linke
und Liberale im Saale-Orla-Kreis unter Schmerzen ihr Kreuz beim
CDU-Kandidaten gemacht, [4][um einen AfD-Landrat zu verhindern]. Ein
CDU-Kandidat, der mit dem AfD-Programm Wahlkampf machte: Abschieben,
Bürgergeld kürzen, Windräder verhindern. Und der Landrat, der den Linken
seine knappe Wahl verdankt? Verlor darüber kein Wort.
Wenn der Protest nachhaltig erfolgreich sein will, muss er sich nicht nur
von der Union, sondern auch von der Ampel abgrenzen. Es ist umso
befremdlicher, dass mancherorts Vertreter von Parteien von der Bühne
sprachen.
Genug gemeckert, einen Zweck haben die Demos erfüllt: Sie haben jedem
vierten Deutschen, all jenen, die von den Deportationsfantasien der
Rechtsextremen betroffen wären, gezeigt: Ihr seid nicht allein. Selbst wenn
die Protestwelle schon bald bricht, dafür hätte es sich gelohnt.
4 Feb 2024
## LINKS
[1] /Demos-gegen-rechts-am-Wochenende/!5988363
[2] /Proteste-gegen-rechts/!5985924
[3] /wirsindmehr-Konzert-gegen-Rassismus/!5532967
[4] /AfD-Kandidat-in-Thueringen-verhindert/!5985598
## AUTOREN
Kersten Augustin
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