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# taz.de -- Protest gegen Rechtsextremismus: Sie bilden Banden
> Das Bündnis „Hand in Hand“ will die Zivilgesellschaft vereinen. Aber was
> kann nach den Demos kommen?
Bild: Drei Aktivist*innen vom Bündnis Hand in Hand
Blaue, gelbe und rote Zettel wandern durch die Sitzreihen. Dicht gedrängt
stehen die Klappstühle an diesem Mittwochabend beisammen. Wer zu spät zum
Treffen in Berlin-Kreuzberg kommt, muss an der Wand lehnen, die kompletten
drei Stunden des Plenums. Auch Abstimmungskarten gibt es nicht für alle der
70 Teilnehmer*innen.
„Teilt gern die Zettel in zwei, wenn es zu wenige sind“, ruft jemand von
vorn.
„Ich dachte, wir sind unteilbar“, ruft jemand anderes zurück und lacht.
Die Idee, aus der Zivilgesellschaft heraus ein Bündnis gegen rechts zu
organisieren, ist nicht neu. Das Bündnis „Unteilbar“ organisierte nach dem
damaligen Umfragehoch der AfD vor sechs Jahren politisch breit aufgestellte
Demos. Die Pandemie überstanden sie nicht. Sie lösten sich 2022 unter
anderem wegen zu wenig Aktiven auf.
Schon im November 2023 wagte ein damals noch loser Zusammenschluss namens
„Hand in Hand“ [1][einen neuen Versuch]. Personen von Unteilbar,
Klimaaktivist*innen und Menschenrechtler*innen wollen gegen den
Rechtsruck auf die Straße gehen. Wenige Wochen später löste die
Correctiv-Recherche über ein Geheimtreffen von Rechtsextremen eine
bundesweite [2][spontane Bewegung gegen rechts aus], an der sich mehr als
eine Million Menschen beteiligen.
## Die Bewegung ist schon auf der Straße
Wenn sich ein Bündnis bildet, um eine große Demo vorzubereiten, ist das im
Normalfall ein langwieriger Prozess. Zu wenige Aktivist*innen, zu viel zu
tun, zu wenig Zeit. Diesmal ist es umgekehrt: Die Bewegung ist schon auf
der Straße. Alle wollen etwas tun. Doch wie kann aus den spontanen Demos
eine nachhaltige Bewegung werden?
Es ist Mittwoch, noch 10 Tage bis zur nächsten großen Demo in Berlin. Bei
Keksen und Obst versucht die ungleiche Gruppe eine gemeinsame Basis zu
finden. Junge Klimaaktivist*innen treffen auf erfahrene
Menschenrechtler*innen. Personen von ProAsyl sitzen neben Omas gegen
Rechts. Der Deutsche Fahrradclub, die Caritas, Vereine für Bildungsarbeit
und Erinnerungsarbeit sind Teil des Netzwerks. Mehr als 1.000
Organisationen unterstützen Hand in Hand.
„In den vergangenen Wochen hat uns der Prozess überrollt. Aber genau so
funktionieren Bewegungen“, ruft Bruno Balscheit aus einer Ecke des Raums.
Der Andrang von Organisationen sei genau die Aufmerksamkeit, die sie für
ihre Aktion brauchen, sagt er und fährt sich durch die blonden Locken. Vor
Hand in Hand engagierte sich der 25-Jährige bei [3][Fridays for Future].
Schon damals habe er mit weiteren Aktivist*innen überlegt, wie man eine
bürgerliche Bewegung gegen die AfD starten könnte.
Als er im Herbst 2023 von den Treffen von Hand in Hand erfuhr, beteiligte
er sich, erzählt er am Rande des Plenums. Am Anfang seien viele
Hauptamtliche dabei gewesen, Personen, die in ihrem Job für NGOs
arbeiteten. „Es war alles sehr zäh, wir diskutierten stundenlang über
Details“, sagt er.
Als die Arbeit der Bewegung langsam voranschritt, setzte er sich mit
anderen jüngeren Personen des Netzwerkes zusammen, sie bauten Anfang Januar
eine Website, erstellten Mobi-Material und überlegten sich den Slogan „Wir
sind die Brandmauer“. Und dann kam die Correctiv-Recherche.
Meistens brauche es nur einen Funken, um die gesamte Gruppe zu
mobilisieren, sagt er. Bei Hand in Hand habe es funktioniert. Mittlerweile
sind mehr als 40 Personen in Arbeitsgruppen zum Programm, Finanzierung oder
der Mobilisierung aktiv. Zehn weitere Personen, zu denen Bruno gehört,
behalten den Überblick über das Netzwerk. Manche von ihnen kennen sich aus
ihrer vorherigen Arbeit. Im Plenum sind sie meistens derselben Meinung,
wollen das Netzwerk schnell voranbringen. Andere überfordert das.
„Wir brauchen Bremser und Pusher in der Gruppe“, sagt Balscheit, „nur so
finden wir gute Kompromisse.“ Ähnlich sieht es Christiane Möller, die für
Omas gegen Rechts da ist. Zu oft hätten sich Bewegungen wegen politischer
Unterschiede aufgelöst. Daher seien die teils mühsamen Diskussionen über
Satzung, Redner*innenlisten und Programm unersetzlich. Ob die
Motivation auch nach der Großdemo bleibt? Daran glaubt sie fest. „Der Druck
von rechts ist viel zu groß, daher müssen wir uns weiterhin auf das
Gemeinsame konzentrieren und den Erfolg der AfD und den allgemeinen
Rechtsruck.“
Dafür verbündet sich Hand in Hand auch mit konservativen Stimmen. In einem
Café dreht das Social-Media-Team Videos für Instagram. Bruno baut die
Stative auf, richtet das Licht auf den Stuhl vor ihm ein. Draußen laufen
Frauen zum Yoga vorbei, drinnen planen sie die Mobilisierung gegen rechts.
Der Student befürchtet, dass die Leute nach den vergangenen zwei Demos in
Berlin erschöpft seien und zu wenige kommen werden. Zwischen 50.000 und
500.000 Teilnehmer*innen sei alles möglich. „Wir mobilisieren nach
Berlin, um uns an die Politik zu richten und ein Zeichen in andere
Hauptstädte zu richten.“ Danach wollen sie vermehrt in die kleineren Orte
im Osten, um dort zu unterstützen.
Für die Großdemo versuchen sie auf Social Media und auf den Straßen zu
mobilisieren. Auch Düzen Tekkal spricht an diesem Tag vor der Kamera, die
Balscheit aufgebaut hat. Die Aktivistin und CDU-Mitglied ist mit ihrer
Menschenrechtsorganisation Háwar Teil des Netzwerks. Im Bündnis sind nicht
alle damit einverstanden, konservativen Stimmen eine Plattform zu geben.
Doch bei der großen Demo in Berlin soll es um mehr als um
Parteizugehörigkeit gehen. Um die größtmögliche Menge an Personen zu
mobilisieren, müsse man Kompromisse machen, so sehen es die meisten im
Bündnis. Dann rufe man eben nicht, dass alle die AfD hassen. Denn im Kern
gehe es nicht um sprachliche Feinheiten, sondern einen stabilen
Zusammenschluss gegen rechts.
Doch wie viele Leute überzeugt das Netzwerk? In Dresden, Hamburg und Kassel
gibt es Ortsverbände, die Namen und Slogan übernehmen und Aktionstage
planen. Dass dort Entscheidungen, die in Berlin beschlossen wurden, nicht
übernommen werden, stört die Gruppe bisher nicht. In Berlin dürfen Parteien
den Aufruf nicht unterschreiben, in Kassel sind sie Teil der Aktion.
## „Eine Demo für uns“
Und auf der Straße in Berlin?
Tareq Alaows läuft mit Flyern und Plakaten durch Kreuzberg. Kein Lokal rund
ums Kottbusser Tor bleibt verschont. Der Migrationsaktivist ist eines der
bekannteren Gesichter von Hand in Hand. Zu der Flyer-Aktion mit ihm warb
das Team auf Social Media. Zehn Leute folgten dem Aufruf, mehr als bei den
letzten Aktionen dabei waren, sagt er. Ein Fischrestaurant, Spätis, Bars,
in jedes Lokal läuft er mit einem orange-lilafarbenen Plakat hinein. Bis
auf ein, zwei Läden stimmen alle zu, ihre Wände bekleben zu lassen.
„Die Demo ist gegen Rechtsextremismus. Also für uns, weißt du?“, ruft er
einem Mann in einem libanesischen Restaurant zu. Auch wenn die Zustimmung
in den vergangenen Tagen groß war, gibt es besonders aus der migrantischen
Community immer wieder Kritik. „Ich verstehe, dass sich nicht alle in
gleichem Maß gehört fühlen, doch das sollte ein Grund sein, zu uns zu
kommen und in den Austausch zu gehen“, sagt Alaows. Oftmals habe er in den
vergangenen Jahren allein oder mit einer kleinen Gruppe für die Rechte von
Migrant*innen eingestanden. Das sei heute anders.
Transparenzhinweis: Die taz Panter Stiftung hat den Aufruf von „Hand in
Hand“ unterzeichnet und für die Organisation des Aktionstages gespendet.
3 Feb 2024
## LINKS
[1] /Demonstration-gegen-AfD/!5982950
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## AUTOREN
Anastasia Zejneli
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