# taz.de -- Prozess gegen Autonome: Deutungskampf nach Angriff | |
> Antifaschist*innen sollen in Budapest neun Personen angegriffen | |
> haben. Waren die Opfer nur Passant*innen, wie rechte Medien behaupten? | |
Bild: Gegendemonstrationen am Tag der Ehre 2023 in Budapest: Nazijaeger Brad Pi… | |
„Ich wurde fast getötet, weil ich rechts bin“, sagte László Dudog [1][in | |
einem am Mittwoch in der rechten italienischen Zeitung il Giornale | |
erschienenen Interview.] Mit seiner Verlobten sei er auf dem Nachhauseweg | |
von einem Konzert gewesen, als der Angriff passierte. Öffentlich sei er | |
davor „nur“ als rechter Musiker wahrnehmbar gewesen, gibt er sich | |
unschuldig. | |
Neben Dudog und seiner Verlobten sollen rund um den letztjährigen | |
rechtsextremen Gedenktag „Tag der Ehre“ in Budapest sieben weitere Personen | |
von Antifaschist*innen angegriffen und teils schwer verletzt worden | |
sein. In rechten und rechtsextremen Medien hieß es in der Folge, die | |
Angegriffenen seien unschuldige Passant*innen. [2][Auch die FAZ hatte | |
dieses Narrativ übernommen]. Dudog räumt im Interview nun ein, rechts zu | |
sein. | |
Bilder, die der taz vorliegen, zeigen ihn sogar in einem klar | |
rechtsextremen Licht. Auf einem trägt er ein T-Shirt des rechtsextremen und | |
[3][in Deutschland bereits seit Jahren verbotenen Neonazi-Netzwerks Blood | |
and Honour.] Hier soll er taz-Informationen zufolge unter dem Namen Csöpi | |
bekannt und ein in Ungarn führender Kader sein. Auf einem anderen Bild ist | |
er in einem T-Shirt zu sehen, das den Nazi Rudolf Heß als „Märtyrer für den | |
Frieden“ bezeichnet. | |
Und wie rechtsextrem seine Band Divízió 88 ist, lässt sich an ihrem selbst | |
in Ungarn verbotenen Song „Halálgyár“, zu Deutsch „Todesfabrik“, erah… | |
Darin ist von „verkohlten Kindern und gefolterten jüdischen Huren“ die | |
Rede. | |
## Weitere organisierte Neonazis unter den Angegriffenen | |
Dudok ist kein Einzelfall. Mindestens sechs weitere der Angegriffenen sind | |
dem organisierten rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Darunter drei | |
polnische Unterstützer der rechtsextremen Partei „Ruch Narodowy“ | |
(„Nationale Bewegung“), die laut ihres Wortführers Robert Winnicki eine | |
Kraft werden wolle, „vor der sich Linke, Liberale und Schwuchteln fürchten | |
werden“ und der budapester Neonazi Tamás Lipták. | |
Lipták ist ein führendes Mitglied der ungarischen Neonazi-Organisation | |
Légío Hungária. Die hetzt auf ihrer Website und in ihrem Telegram Channel | |
nicht nur massiv gegen queere und migrantische Menschen, sondern | |
organisiert [4][auch gemeinsam mit deutschen Neonazis internationale, | |
rechtsextreme Kampfsportevents]. | |
Und auch der deutsche Neonazi Robert F. und seine Freundin Sabine B. aus | |
Melle in Niedersachsen gehören zu den Angegriffenen. In einem Interview mit | |
dem rechtsextremen Youtube-Kanal Löwenstadt Fightclub, mit dem Titel „Nazi | |
vs Antifa“, hält F. in Kleidung des rechtsextremen Versandhandels Label 23 | |
seine Narben in die Kamera, verspricht jedoch, sich nicht einschüchtern zu | |
lassen, sondern immer weiterzumachen. Er trainiere nun Thaiboxen und sei | |
immer bereit, anzugreifen, sagt er. | |
## Prozess gegen Antifaschist*innen hat begonnen | |
Für drei der mutmaßlichen Angreifer*innen begannen in der vergangenen | |
Woche hingegen die Prozesse. [5][Der aus Berlin stammende Tobias E. gestand | |
bereits den Vorwurf, Teil einer internationalen kriminellen Vereinigung zu | |
sein.] Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, hat jedoch, wie auch die | |
Staatsanwaltschaft, Berufung gegen das Urteil eingelegt. Für die zwei | |
weiteren Antifaschist*innen aus Deutschland und Italien, Anna M. und | |
Illaria S. wird der Prozess am 24. Mai dieses Jahres fortgesetzt. Ihnen | |
drohen langjährige Haftstrafen. Anna M. durfte zumindest vorübergehend | |
unter Auflagen wieder aus Ungarn ausreisen. | |
[6][Gegen 12 weitere mutmaßliche Angreifer*innen läuft bereits seit dem | |
vergangenen Jahr eine europaweite Fahndung.] Zwei von ihnen wurden im | |
November und Dezember 2023 festgenommen, Garbiele M. in Mailand und Maja T. | |
in Berlin. Für beide hat die ungarische Staatsanwaltschaft eine | |
Auslieferung beantragt. | |
Ob den Auslieferungsersuchen stattgegeben wird, ist derzeit jedoch noch | |
unklar. [7][In Berlin prüft das Kammergericht den Fall T.] Die | |
italienischen Behörden hingegen blockieren die Auslieferung von M. bisher. | |
Grund für diese Blockadehaltung seien die mangelhafte Rechtsstaatlichkeit | |
in Ungarn und die zum Teil als unmenschlich beschriebenen Haftbedingungen, | |
die zuletzt auch Illaria S. in einem Brief massiv kritisert hatte. | |
Zum „Tag der Ehre“ reisen auch am kommenden Wochenende wieder tausende | |
Rechtsextremist*innen nach Ungarn, zeigen unbehelligt Hitlergrüße und | |
marschieren in Wehrmachtsuniformen durch die Öffentlichkeit. [8][Auch in | |
diesem Jahr mobiliseren Antifaschist*innen zum Gegenprotest.] | |
9 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ilgiornale.it/news/politica/io-quasi-ucciso-dagli-anarchici-per… | |
[2] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/zwei-deutsche-wegen-antifa-angr… | |
[3] /Rechtsextremes-Neonazi-Netzwerk/!5555699 | |
[4] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/rechtsextremisten-kampfsport-ung… | |
[5] /Urteil-gegen-deutschen-Autonomen/!5988475 | |
[6] /Fahndung-gegen-Linksaussen/!5985352 | |
[7] /Prozess-gegen-Autonome/!5985592 | |
[8] https://antifa-info.net/2024/01/13/tag-der-ehre-mit-der-antifa-nach-budapes… | |
## AUTOREN | |
Tobias Bachmann | |
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