# taz.de -- Luisa Neubauer über AfD-Proteste: „Das wird ein hartes Jahr“ | |
> Die Klimaaktivistin spricht über das zivilgesellschaftliche Momentum. Und | |
> darüber, was den Kampf gegen den Klimawandel mit dem Kampf gegen Rechts | |
> verbindet. | |
Bild: Nicht mehr nur Klimaaktivistin: Luisa Neubauer bei einer Kundgebung gegen… | |
taz: Frau Neubauer, Sie haben vor einer Woche in Berlin den Protest gegen | |
die AfD mitorganisiert und damit etwas losgetreten: An diesem Wochenende | |
sind [1][Hunderttausende bundesweit] auf die Straßen gegangen. Sind Sie vom | |
Ausmaß der Proteste überrascht? | |
Luisa Neubauer: Ja, ich bin überrascht, aber auch erleichtert, froh und | |
dankbar darüber. Man konnte in den letzten Monaten oder sogar Jahren leicht | |
den Eindruck gewinnen, dass Teile der Gesellschaft angesichts des | |
Rechtsrucks resigniert hätten und annehmen, dass die eigenen Sorgen nicht | |
von anderen geteilt werden. Der Zynismus und der Faschismus leben ja von | |
dieser Krisenmüdigkeit, von diesem Schweigen und der Vereinzelung. | |
Welche Rolle spielen Fridays for Future bei den Protesten? | |
Fridays for Future hat in den vergangenen Jahren große Demo-Kapazitäten | |
aufgebaut und wir sind froh, dass wir die an ganz vielen Orten einsetzen | |
und die Menschen dort unterstützen können, die aus eigenem Antrieb auf die | |
Straße gehen. Aber ich möchte unsere Rolle nicht überbewerten. Das hat eine | |
Eigendynamik entwickelt, und es stehen breite demokratische Bündnisse | |
dahinter. | |
Auslöser der Proteste war der Correctiv-Bericht über ein rechtes Treffen in | |
Potsdam, bei dem Vertreibungspläne diskutiert wurden. Warum hat das so eine | |
Resonanz gefunden? | |
Das Unbehagen war offensichtlich schon länger da. Es fehlte nur [2][das | |
Momentum, das Bewegungen brauchen]. Dieser Bericht war dann der Kipppunkt. | |
Gleichzeitig rollt diese Welle nicht nur, weil Menschen die Überzeugung | |
eint, dass unsere Demokratie gefährdet ist. Sondern auch – und das ist | |
entscheidend – weil sie wissen, dass das nicht so bleiben muss, dass wir | |
die politischen Verhältnisse verändern können. Deswegen fühlen sich so | |
viele Menschen davon angesprochen. | |
Wie finden Sie es, wenn Politiker von Regierung und Union jetzt auf die | |
Proteste aufspringen? | |
Die Proteste richten sich an ganz vielen Orten nicht nur gegen die AfD, | |
sondern gegen den Rechtsruck insgesamt. Viele sind überzeugt, dass man den | |
Rechtsruck nicht mit einem Rechtsruck bekämpfen kann. Ich auch. Diese | |
politische Herangehensweise schien eine Weile lang ja vorherrschend zu | |
sein. Da sind alle politischen Parteien gefragt, sich kritisch zu | |
hinterfragen. Gleichzeitig ist es gut, dass genau diese Parteien und | |
Personen eingeladen und aufgerufen werden, sich hier klar zu positionieren. | |
Es muss möglich sein, die AfD zu verurteilen und gleichzeitig den | |
Rechtsruck der Mitte zu kritisieren. Und es muss möglich sein, ausgrenzende | |
und rechte Narrative der CDU abzulehnen und gleichzeitig gerade die | |
Konservativen aufzufordern, Backsteine zur Brandmauer zu tragen. | |
Sie möchten die Politiker von Union und Regierung in die Pflicht nehmen? | |
Auch. Die Proteste sind ein Appell an alle demokratischen Parteien: zu | |
überprüfen, wo ihre Brandmauer bröckelt. Wir müssen genau da hin schauen, | |
wo der Rechtsruck befördert wird. Nichts davon relativiert die Gefahr, die | |
von der rechtsextremen AfD ausgeht. Wir sehen ja auch, dass Leute wie | |
Hubert Aiwanger und andere versuchen, die Demos zu diskreditieren. Und dass | |
Friedrich Merz bisher nicht auf einer Demo war, hat vielleicht nicht nur | |
logistische Gründe: es hätte sicher eine Demo in seiner Nähe gegeben. | |
Wie wichtig sind kleine Bündnisse vor Ort im Kampf gegen rechts? | |
In den letzten Tagen und Wochen wurde an über 100 Orten demonstriert. Das | |
haben jeweils einzelne demokratische Bündnisse organisiert. Diese | |
dezentralen Bündnisse, die ihre jeweiligen politischen Verhältnisse vor Ort | |
am besten kennen, sind entscheidend, ich würde Menschen immer ermutigen, | |
sich ihnen anzuschließen. Wir werden sie brauchen, gerade, wenn es in | |
diesem Jahr zu den Europawahlen und den Landtagswahlen kommt. Eben weil | |
sich die Ausgangslage in einer Kleinstadt im Rheinland von der im | |
Erzgebirge unterscheidet. | |
Am 3. Februar soll es eine zentrale Demonstration in Berlin geben? | |
Im Februar werden wir noch einmal Menschen dazu aufrufen, nach Berlin zu | |
kommen, um uns schützend vor den Reichstag stellen. Dahinter steht das | |
Bündnis „Hand in Hand“ – mit 600 beteiligten Organisationen. Wir haben ja | |
noch die Bilder von den Rechtsextremen im Kopf, die mal versucht haben, den | |
Bundestag zu stürmen. Dort soll das Gegenbild dazu erzeugt werden. Es wird | |
groß. | |
Die Menschen nehmen aus ganz unterschiedlichen Motiven an den Protesten | |
teil. Welche Forderungen haben Sie? | |
Eine Forderung ist, [3][ein AfD-Verbot] zu prüfen. Die Forderung an alle | |
demokratischen Parteien ist, sich einem Rechtsruck zu widersetzen und in | |
keiner Weise mit der AfD zu kooperieren und zu versuchen, mit ihr | |
Mehrheiten zu organisieren. Demonstrationen gegen Rechts sind aber auch | |
wichtig, weil sie den Blick von Gesellschaften auf sich selbst verändern. | |
Wer auf eine Demonstration geht, demonstriert im wahrsten Sinne des Wortes | |
seine eigene Bereitschaft, sich in Gesprächen mit Verwandten oder auf der | |
Arbeit dafür einzusetzen. Das wird ein hartes Jahr für unsere Demokratie, | |
die mit vielen Krisen konfrontiert ist. Dafür werden wir viele Gespräche | |
mit vielen Menschen führen müssen. | |
Was verbindet den Kampf gegen den Klimawandel mit dem Kampf gehen Rechts? | |
Es ist ja kein Zufall, dass die Faschisten nicht nur die Demokratie | |
schreddern wollen, sondern auch die Klimawissenschaft leugnen und Frauen | |
ihre Rechte wegnehmen wollen. Die denken das zusammen. Darum müssen wir das | |
auch tun. Viele Menschen sehen diese Verbindung. Denn für jede Krise, ob es | |
die Ungerechtigkeit im Land oder der drohende ökologische Kollaps ist, | |
brauchen wir eine wehrhafte, integre und belastbare Demokratie. Das ist der | |
Grundstein von allem, und darum geht es. | |
22 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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