# taz.de -- Bündnis von Fridays for Future und Verdi: Fahren und gefahren werd… | |
> Fridays for Future unterstützt den Warnstreik im ÖPNV: Für eine | |
> Verkehrswende braucht es mehr Personal – und das bessere | |
> Arbeitsbedingungen. | |
Bild: Am Streiktag bleiben die BVG-Busse im Depot | |
Noch steht Darya Sotoodeh am Rand des Streikpostens, der sich vor dem hohen | |
Tor des Busdepots im Berliner Stadtteil Wedding aufgestellt hat. Um die 70 | |
Personen sind da. Die 26-jährige Klimaaktivistin ist um 3 Uhr aufgestanden, | |
um sich an die Seite der Verkehrsbeschäftigten zu stellen. Es ist halb | |
sechs, der 2. Februar, noch ist es dunkel. Was für die einen mitten in der | |
Nacht ist, ist für Busfahrer*innen ganz normaler Betriebsbeginn. Nur | |
nicht an diesem Morgen. Flutlicht erhellt den Betriebshof, auf dem die | |
gelben Busse der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) parken. Gefahren werden | |
sollen sie nicht. Zumindest bis 10 Uhr, denn bis dahin bestreiken die | |
Beschäftigten die BVG, im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen. | |
Für Darya Sotoodeh ist es der erste Warnstreik. Sie ist keine | |
Gewerkschafterin. Aber die Probleme im Verkehrssektor und der Austausch mit | |
den Beschäftigten sind ihr vertraut. Lange war die Klimaaktivistin | |
Sprecherin für Fridays for Future Deutschland. Seit über einem halben Jahr | |
engagiert sie sich aber vermehrt in der Öffentlichkeitsarbeit eines neuen | |
Bündnisses. „Wir fahren zusammen“ heißt die Kampagne, die die Klimabewegu… | |
gemeinsam mit Verdi und Beschäftigten gegründet hat. Sie ist Teil einer | |
neuen Strategie der Klimabewegung, um das Dilemma zu lösen, dass das eine – | |
die Verkehrswende – nicht ohne das andere – die Beschäftigten – gelingen | |
kann. | |
Am Streikposten wollen die Verbündeten ihre Solidarität in der Praxis | |
ausdrücken. „Wir zeigen heute: Wir sind laut. Wir sind ein breites Bündnis | |
mit gemeinsamen Interessen“, sagt Sotoodeh. Es gehe darum, dass die | |
Beschäftigten „bessere Arbeitsbedingungen bekommen und unser Nahverkehr | |
eine Zukunft“. Der Tag war einer der bisherigen Höhepunkte des Bündnisses | |
in der Tarifrunde im öffentlichen Nahverkehr 2024, die in den meisten | |
Bundesländern gerade läuft. Nicht nur in Berlin, sondern bundesweit hat die | |
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. Mit | |
Ausnahme von Bayern, wo der aktuelle Tarifvertrag noch läuft. | |
Auch am 29. Februar und am 1. März hat Verdi zu einem Warnstreik bei den | |
Verkehrsbetrieben aufgerufen. Am Freitag fällt der Arbeitskampf zusammen | |
mit einem Klimaaktionstag – unter dem Motto des neuen Bündnisses „Wir | |
fahren zusammen“. | |
Globaler Klimastreik ist in diesem Jahr am 19. April. Nach antisemitischen | |
Postings auf Instagram im November hatte sich Fridays for Future | |
Deutschland von den internationalen Gruppen distanziert. Deshalb beteiligt | |
sich die deutsche Sektion auch nicht am globalen Aktionstag, sondern | |
organisiert einen nationalen – zusammen mit Verdi. | |
Auch auf die Gefahr hin, dass womöglich weniger Menschen auf die Straßen | |
gehen, weil der Streik im Verkehr ein zusätzliches Hindernis auf dem Weg | |
zur Demo sein könnte. Aber der Tag könne auch zeigen, welche Folgen der | |
Fachkräftemangel im Nahverkehr hätte und wie es künftig aussähe, wenn sich | |
die Situation für die Beschäftigten nicht verbessere, sagt Sotoodeh. Und | |
auf das Thema will das Bündnis aufmerksam machen. | |
Die Klimabewegung befindet sich im Wandel. Ihre Strategien der vergangenen | |
Jahre funktionieren nicht mehr. Das, was die Fridays am besten konnten – | |
große Massen auf die Straße bringen –, gelingt ihnen seit der | |
Coronapandemie nicht mehr. Lange schon protestiert die Klimabewegung nur | |
noch unregelmäßig freitags. | |
Immerhin im Kampf um das Dorf Lützerath beim Tagebau Garzweiler II konnte | |
sie zeigen, dass sie immer noch Tausende versammeln kann. Retten konnte sie | |
das Dorf dennoch nicht. Und auch die Letzte Generation als radikalere | |
Gruppe sieht sich gezwungen, ihre bisherige Protestform aufzugeben und sich | |
nicht mehr auf Straßen zu kleben. Die Kampagne „Wir fahren zusammen“ ist | |
für die Fridays einer der Wege, sich weiterzuentwickeln. | |
Die Gruppen am Streikposten am 2. Februar sind sichtbar unterschiedlich. Da | |
sind die Beschäftigten nahe dem Eingang, viele von ihnen ältere Männer in | |
Jacken des Verkehrsbetriebs, darüber gelbe Warnwesten. Konträr dazu stehen | |
viele junge Klimaaktivist*innen und Studierende wie Sotoodeh. Aber | |
auch Pflegekräfte und Mitglieder der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co | |
enteignen“ unterstützen den Streik. Ohne all die Unterstützer*innen | |
wären hier lediglich halb so viele Menschen. Nur gemächlich mischen sich | |
die Gruppen. | |
Eine der Unterstützenden legt selbstgebackene Schokomuffins auf einen | |
kleinen Tisch, jemand anderes stellt Kekse dazu. Aus dem Inneren des Hofes | |
schleppt einer der streikenden Busfahrer einen großen silbernen | |
Kaffeespender, dazu kommen Pappbecher und H-Milch. Gemeinsam greifen sie | |
zu, kalte Finger klammern sich um die warmen Becher. | |
Etwas später steht auch der Ton. Neben dem kleinen Tisch haben zwei der | |
Aktivist*innen einen Lautsprecher aufgebaut, der hoch über die | |
Umstehenden ragt. Und die jungen Aktivist*innen tun das, was sie durch | |
ihre Arbeit bei Fridays for Future schon früh gelernt haben: vor großen | |
Gruppen sprechen. „Heute ist kein Arbeitstag – heute ist Streiktag“, rufen | |
Aktivist*innen und Beschäftigte. Ihre Stimmen hallen über den Hof und | |
die breite Straße. Dann sind die Beschäftigten eingeladen: „Greift zum | |
Mikro und erzählt von euren Erfahrungen“. Anfangs traut sich niemand. | |
## Neue Strategie gibt Hoffnung | |
Nicht erst bei diesen Tarifverhandlungen arbeiten Fridays for Future und | |
Verdi miteinander. Bereits zu den Nahverkehrs-Tarifverhandlungen 2020 | |
hatten die Klimaaktivist*innen die Beschäftigten im Protest | |
unterstützt. Mit der neuen Kampagne, die sich voriges Jahr gegründet hat, | |
entsteht erstmals ein festeres Bündnis. | |
Viele in der Bewegung sagen, die neue Strategie, für linke Ziele außerhalb | |
der eigenen Blase zu werben, gebe ihnen seit Langem wieder Hoffnung, die | |
Klimakrise wieder stärker in den Fokus zu rücken. Mit dem Versuch, soziale | |
und klimapolitische Kämpfe zu verbinden, sollen Menschen außerhalb der | |
Klimablase gewonnen werden. Angefangen bei den Beschäftigten im | |
Nahverkehr. Dafür gilt es, Gemeinsamkeiten zu finden und einander | |
zuzuhören. | |
Seit Herbst wird auf die Streiks hingearbeitet. Unter anderem hat das | |
Bündnis „Wir fahren zusammen“ eine Petition verfasst, mit der es sowohl die | |
Mitarbeitenden des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) als auch | |
Fahrgäst*innen ansprechen will. Die Forderungen: bessere | |
Arbeitsbedingungen und mehr Personal im Nahverkehr sowie massive | |
Investitionen in die Verkehrswende. Wollen Bund und Länder ihr Ziel | |
erreichen, den ÖPNV auszubauen und die Fahrgastzahlen bundesweit bis 2030 | |
zu verdoppeln, müssten 16 Milliarden Euro jährlich investiert werden, | |
argumentieren die Aktivist*innen. | |
An einem bundesweiten Sammelaktionstag am 1. Dezember vergangenen Jahres | |
war auch George Rainov auf Unterschriftenjagd im Leipziger öffentlichen | |
Nahverkehr. Seine Argumente kennt er auswendig. Der 28-Jährige hat schon | |
hunderte Überzeugungsgespräche geführt. Mit der Schulter an die Haltestange | |
gelehnt, beugt sich Rainov seiner Gesprächspartnerin entgegen. | |
Es ist eisig kalt im verschneiten Leipzig an diesem Freitag Anfang | |
Dezember. Dementsprechend voll ist die Straßenbahn auf dem Weg in den | |
Leipziger Westen. Sie schwankt leicht beim Fahren. Rainovs Blick bleibt auf | |
die Frau vor ihm gerichtet. „Wenn so ein Wetter ist, was würden Sie dann | |
ohne Bahn machen?“, fragt er. Weil Fahrer*innen fehlen, haben viele | |
Verkehrsbetriebe schon jetzt die Taktungen reduziert. Wenn die | |
Verkehrswende kommen soll, braucht es weit mehr Personal. Deshalb müssten | |
die Mitarbeitenden des öffentlichen Personennahverkehrs in ihren | |
Tarifverhandlungen unterstützt werden, versucht Rainov die Frau zu | |
überzeugen. Unterschreiben will sie nicht. Nur einen Flyer nimmt sie mit. | |
George Rainov hat die Leipziger Ortsgruppe von „Wir fahren zusammen“ seit | |
Januar 2023 mit aufgebaut. Über 20 Stunden die Woche steckt er in die | |
Kampagne. Schon früh sah der gebürtige Hallenser die Notwendigkeit, | |
Klimaschutz und Sozialpolitik gemeinsam zu denken. „Bei Klimapolitik wird | |
Soziales oft nicht mitgedacht“, sagt Rainov. | |
## Klimaschutz finanzieren, ohne bei Sozialem zu kürzen | |
Genauso sieht es Darya Sotoodeh. Sie beschreibt es wie folgt: Bei jeglicher | |
Forderung, ob nach einer menschenrechtskonformen Asyl- und | |
Migrationspolitik, nach konsequenten Klimaschutzmaßnahmen oder nach mehr | |
Investitionen in Bildung oder Soziales, sei die politische Antwort die | |
gleiche: Es fehle an Geld. Gebe man mehr für das eine, müsse man mehr am | |
anderen sparen. „Und so wird Klima gegen Soziales ausgespielt und Soziales | |
gegen Geflüchtete.“ Sotoodeh findet: „Es gibt Lösungen und genug Geld für | |
uns alle.“ Um die Forderungen gemeinsam durchzusetzen, müsse man „alle | |
Menschen, die von der Politik vernachlässigt werden, zusammenbringen“.. | |
Die Fridays-for-Future-Bewegung, die Greta Thunberg 2018 startete, hatte | |
immerhin einen Erfolg: Sie machte die Klimakrise allen begreifbar. Aber sie | |
konnte nur wenig in politische Ergebnisse übersetzen, stellt Felix Anderl, | |
Protestforscher an der Uni Marburg, fest. „Für die Aktivistis selbst ist es | |
natürlich enttäuschend, wenn man jahrelang auf die Straße geht, alle einem | |
gut zureden, aber am Ende trotzdem weiter Kohle verbrannt wird.“ | |
Fünf Jahre nach ihrer Gründung geht es der Bewegung nun mehr darum, wie | |
Klimaschutz umgesetzt wird, und darum, alle mitzunehmen. Die Politik müsse | |
Klimaschutz finanzieren, ohne bei sozialen Themen zu kürzen, fordern | |
Fridays for Future. | |
Der Protestforscher Anderl sieht in dem neuen Bündnis eine | |
Weiterentwicklung. Wer für Klimagerechtigkeit werbe, müsse auch glaubwürdig | |
sein. Wie auch die Grünen hätten Fridays for Future in der Hinsicht ein | |
Problem. Das akademische Milieu, das die Klimabewegung größtenteils | |
repräsentiere, sei auch eine Schwäche. Denn der Bewegung fehle der Zugang | |
zu anderen sozialen Gruppen. „Ich glaube, sie sind gut beraten, sich | |
Allianzpartner hinzuzuholen“, sagt Anderl. Gerade die Verbindung mit den | |
Gewerkschaften sei spannend, da diese ganz automatisch andere Bedürfnisse | |
und Themen auf dem Schirm haben. | |
Themen wie die Rolle der Fahrer*innen in der Verkehrswende. Der | |
Leipziger George Rainov sagt: „Vielen Fahrgästen fehlt der Zugang zur | |
Lebensrealität der Fahrer*innen, sie wissen nicht, wie der Arbeitsalltag | |
des Fahrpersonals aussieht.“ | |
## „Wir brauchen Bus und Bahn“ | |
Das zu vermitteln, darin sieht Darya Sotoodeh ihre Aufgabe. Die Wollmütze | |
über die Stirn gezogen und die schwarze Winterjacke bis zum Hals | |
geschlossen, spricht sie in eine Handykamera. Auf ihrer neongelben | |
Warnweste prangen das Verdi-Logo und ein lila Sticker mit Bus und Bahn, auf | |
dem „Wir fahren zusammen“ steht. „Egal, ob wir zur Arbeit, Schule, zum Ar… | |
oder zu einer Party wollen. Dafür brauchen wir Bus und Bahn, die regelmäßig | |
und zuverlässig kommen“, sagt sie. In den vergangenen Monaten haben | |
Mitglieder des Bündnisses eine Vielzahl von professionellen | |
Kampagnen-Videos gedreht, in denen Beschäftigte von ihrer Arbeit erzählen | |
und erklären, was aus ihrer Sicht das große Problem ist. | |
Im öffentlichen Nahverkehr ist der Fachkräftemangel längst angekommen. 2022 | |
hatte mindestens die Hälfte der Unternehmen ihren Verkehr mangels Personals | |
zeitweise eingeschränkt. Zu dem Ergebnis kam eine Branchenumfrage des | |
Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen. Die Busbranche prognostizierte im | |
Februar 2023 einen Fahrer*innenmangel bis 2030 von 87.000 Menschen. | |
Der Generationenwechsel, die Babyboomer, die in Rente gehen, aber auch | |
schlechte Arbeitsbedingungen verschärfen die Lage. Vielerorts sind laut | |
Verdi die Probleme im ÖPNV vergleichbar: Personalmangel, überlange | |
Schichten, zu kurze Pausen, zahllose Überstunden. | |
Das sind die Kernthemen, um die es in der aktuellen Tarifrunde geht, die | |
laut Ver.di mehr als 130 kommunale Verkehrsunternehmen in Städten und | |
Landkreisen mit insgesamt 90.000 Beschäftigten betrifft. Auch wenn sich die | |
Forderungen von Land zu Land unterscheiden. In Brandenburg, dem Saarland, | |
Sachsen-Anhalt und Thüringen verhandeln die Beschäftigten auch über Löhne | |
und Gehälter. | |
Wieder in der Leipziger Straßenbahn Anfang Dezember. George Rainov wendet | |
sich der nächsten Fahrgästin zu, und plötzlich flutscht es. Die Schülerin | |
hat einen Teil seines vorigen Gesprächs mitgehört. Der Stift hakt, aber sie | |
unterschreibt. Als sie Richtung Tür geht, kommt ein weiterer junger Mann | |
auf Rainov zu. Rainov will ihn vorbeilassen. Doch er will unterschreiben. | |
„In der Schule habe ich ein Praktikum im Verkehrsbetrieb in Freiburg im | |
Breisgau gemacht“, sagt er. In dem eng getakteten Zeitplan zu arbeiten, | |
könne er sich nicht vorstellen. George Rainovs Anliegen spricht sich herum. | |
Eine weitere Frau will unterschreiben. Und ihr Sitznachbar auch. | |
Lauter kleine Erfolgserlebnisse. „Zehn gute Gespräche sind besser als 100 | |
Unterschriften“, glaubt Rainov. Nur so könnten sie Mitstreiter*innen | |
gewinnen, die im Frühjahr mit ihnen auf die Straße gehen. Mittlerweile | |
haben „Wir fahren zusammen“ nach eigenen Angaben in ganz Deutschland Stand | |
Mittwoch über 121.000 Unterschriften gesammelt. Mindestens 70.000 stammten | |
aus Gesprächen, andere kamen auch online hinzu, nachdem es die Petition | |
mittlerweile auch auf Campact gibt. | |
Ihre Petition haben die Aktivist*innen auch am Streikposten Anfang | |
Februar in Berlin dabei. In den Händen und am Rand liegen Klemmbretter. | |
Mittlerweile ist es hell geworden. Die Stimmung hat sich gelöst. Es läuft | |
Musik, Klassiker. „Money, Money, Money“ von Abba und „Under Pressure“ v… | |
Queen spielen die Aktivist*innen auf Wunsch eines Beschäftigten. | |
Eine Busfahrerin hat sich mittlerweile getraut eine Rede zu halten. Die | |
34-Jährige fährt seit über zehn Jahren Bus. Sie erzählt, wie viel Spaß ihr | |
der Job mache, von Fahrgästen, die sich für ihren ruhigen Fahrstil | |
bedanken, und ihr nettes „Hallo“. | |
Aber auch von den Problemen: „Wir können nicht auf Toilette gehen an ’ner | |
Endhaltestelle.“ Zeitlich sei das oft nicht drin. Sie erzählt von | |
Fahrgästen, die sie beschimpfen, wenn sie wenige Minuten zu spät kommt. Von | |
Radfahrer*innen, die sie ausbremsen, weil Busspuren fehlten. All das führe | |
zu extremem Stress, der krank mache. „Wir brauchen Zeiten, um uns zu | |
regenerieren. Zeit, in der wir mit unserer Familie Kraft sammeln können.“ | |
Mit ihren Worten berührt sie viele, auch die drei Politiker*innen, die | |
am Streikposten dabei sind, darunter Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende | |
der Grünen im Bundestag. Allein dass Bundespolitiker*innen kommen, | |
kann die Bewegung als Erfolg verbuchen. Denn so gibt es mehr Aufmerksamkeit | |
für die Anliegen der Beschäftigten. „Ich war am Anfang skeptisch, aber bin | |
mittlerweile hellauf begeistert. Dass die jungen Leute sich da so | |
engagieren und mit uns streiken, finde ich toll“, sagt Streikleiter Stefan | |
Sievert am Morgen. „Dieses Mal war einfach eine andere Atmosphäre mit Musik | |
und Reden. „Das habe Spaß gemacht. | |
## „Wir fahren zusammen“ als Imagekampagne | |
Die Beteiligung von Fridays for Future hat auch einen weiteren positiven | |
Effekt: Vielen Gewerkschaften fällt es schwer, Nachwuchs zu gewinnen. | |
Deshalb könnte sich das Bündnis schon allein als Image- und | |
Mitgliederkampagne lohnen. | |
Aber würden die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe sich umgekehrt auch an | |
Klimaprotesten von Fridays for Future beteiligen? Schaut man sich Bündnisse | |
aus der Vergangenheit an, ging es oft punktuell um konkrete Kampagnen. | |
Nicht immer ist es leicht, eine gemeinsame Linie zu finden. „Die großen | |
Gewerkschaften haben oft Angst, dass es zu radikal werden könnte“, sagt | |
Protestforscher Anderl. Dann könnten womöglich Mitglieder austreten. Eine | |
radikalere Haltung könnte ihnen bei kommenden Tarifverhandlungen auch vor | |
die Füße fallen. „Deswegen sind sie sehr darauf bedacht, seriös | |
rüberzukommen.“ | |
Aber auch Fridays for Future sei ein seriöses Image wichtig, wie man in den | |
vergangenen Jahren immer wieder gesehen habe, sagt Anderl. Das könnte | |
Konflikte zwischen den Bündnispartnern schmälern. | |
In der Gewerkschaft ist vielen sicherlich auch bewusst, dass die Jobs der | |
Zukunft – auch im Dienstleistungsgewerbe – von einer ordentlichen | |
Transformation abhängen. Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter Busse | |
und Bahnen bei Verdi, sagt, im Bündnis „Wir fahren zusammen“ gehe es auch | |
um eine große politische Idee von Mobilität und Verkehrswende. | |
Schon heute belaste der Fachkräftemangel enorm. Doch man brauche noch mehr | |
Menschen, um den ÖPNV weiterzuentwickeln. Das mache den Konflikt um | |
Arbeitsbedingungen zu einem hochpolitischen. „Wir können in Tarifrunden gut | |
streiken und verhandeln. Aber das ist nur wirksam, wenn nachhaltig Geld ins | |
System kommt“, sagt er der taz. Denn wolle man die Beschäftigten entlasten, | |
bräuchte man mehr Personal – und das müsse finanziert werden. | |
Es brauche eine bundesweite Lösung, wie der ÖPNV künftig geregelt wird. Die | |
müssten Bund und Länder gemeinsam finden. „Es geht nicht, dass die Kommunen | |
alleine zuständig sind und der Bund sich alleine um den Schienennahverkehr | |
kümmert.“ Bisher gebe der Bund an die Städte sogenannte | |
Regionalisierungsmittel. Die reichten nicht aus. Hätten die Städte mehr | |
Geld, könnten sie auch mehr in ihre Verkehrsinfrastruktur und die | |
Arbeitsbedingungen investieren. | |
Deshalb will das Bündnis „Wir fahren zusammen“ seine gesammelten | |
Unterschriften am Freitag auch an die Bundespolitik überreichen. An | |
Kommunalpolitiker*innen wurden die Unterschriftensammlungen bereits | |
übergeben. | |
Mit dem Warnstreik in dieser Woche will Verdi Druck auf die | |
Arbeitgeberverbände ausüben, auf die Forderungen der Gewerkschaft | |
einzugehen. Gleichzeitig will Verdi zeigen, dass es die Klimakrise im Blick | |
hat. | |
## In Deutschland sind politische Streiks verboten | |
Die Verknüpfung der beiden Themen ist nicht ganz einfach. Die | |
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hatte im vergangenen | |
Jahr kritisiert, wenn Verdi Arbeitskämpfe und allgemeinpolitische Ziele | |
miteinander vermische, gerate die Gewerkschaft schnell auf ein Spielfeld | |
jenseits der deutschen Tarifautonomie. Grundsätzlich sind in Deutschland | |
politische Streiks verboten. Ganz trivial sei der Vorwurf nicht, befanden | |
auch Arbeitsrechtler. | |
Verdi-Fachgruppenleiter Schackert sieht das anders. Auf einer | |
Pressekonferenz zum Klimastreik vergangene Woche stellte er klar: „Die | |
Streiks sind für uns kein Mittel zur politischen Demonstration, sondern | |
Arbeitskampfmittel, die wir sehr gezielt und wohldosiert einsetzen.“ Was | |
bleibt, ist ein möglicher Widerspruch zwischen aktuellen Interessen von | |
Arbeitnehmer*innen und Notwendigkeiten für eine gute Zukunft für alle | |
– typisch für Transformationsprozesse. | |
Und wie geht es nach dem Nahverkehrsstreik vom 29. Febuar und 1. März | |
weiter? „Wir fahren zusammen“ will weiterhin die Beschäftigten in ihren | |
Tarifverhandlungen unterstützen. Wenn Verdi am Ende mit besseren | |
Arbeitsbedingungen aus den Verhandlungen gehe, sei das allein schon ein | |
Gewinn, sagt Rainov. Auch wenn damit noch nicht die große Verkehrswende | |
eingeläutet wäre. Die Klimakämpfer*innen sind sich bewusst, dass sie | |
vermutlich noch häufiger Druck auf die Straße bringen müssen. | |
Die Klimaaktivistin Sotoodeh macht einen Erfolg des Bündnisses von mehr | |
abhängig als nur von den Forderungen an die Politik. Nämlich davon, dass | |
Menschen auf der Straße erkennen, dass die Lösung für all die Krisen sei, | |
sich zusammenzutun, um gemeinsam Druck auf die Politik auszuüben, ihrer | |
Verantwortung für eine gute Daseinsfürsorge gerecht zu werden. Wenn alle | |
Menschen erkennen würden, dass Klimagerechtigkeit möglich und gut für alle | |
sei. „Ein Stück weit haben wir das schon geschafft“, glaubt Sotoodeh, | |
„durch die vielen Kontakte mit Beschäftigten und Fahrgästen.“ | |
In der Theorie stimmen viele sicherlich zu, dass es notwendig ist, eine | |
klimaneutrale Wirtschaftspolitik zu formulieren, die gleichzeitig auch | |
sozial ist, glaubt der Protestforscher Anderl. Die Umsetzung sei aber eine | |
ganz andere Frage. Die Forschung unterscheide zwischen notwendigen und | |
ausreichenden Bedingungen für Veränderung. „Breite Allianzen sind | |
notwendige Bedingungen für eine sozialökologische Transformation.“ Wenn sie | |
auch nicht ausreichend seien. | |
29 Feb 2024 | |
## AUTOREN | |
Adefunmi Olanigan | |
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