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# taz.de -- Busstreik in Neumünster: Mit harten Bandagen für 35 Stunden
> In Neumünster ist der Tarifkonflikt zwischen Ver.di und den Stadtwerken
> eskaliert. Die Rede ist von Streikbruch und Aussperrungen.
Bild: Wo die Busse stillstehen, liegen die Nerven blank
Hamburg taz | In Neumünster ist die Auseinandersetzung um einen
Tarifvertrag für den Nahverkehr eskaliert. Die [1][Gewerkschaft Ver.di]
wirft den Stadtwerken Neumünster (SWN) Streikbruch und Aussperrungen vor,
während die Stadtwerke wiederum Ver.di beschuldigen, eine Vereinbarung und
das Vertrauen gebrochen zu haben.
Ver.di verhandelt seit Anfang Februar mit den öffentlichen Busunternehmen
in Kiel, Flensburg, Lübeck und Neumünster über einen Flächentarifvertrag
für die Nahverkehrsbranche. Die Gewerkschaft fordert kürzere Schichten und
eine [2][Senkung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 35 Stunden].
Die SWN, die in Neumünster im Auftrag der Stadt den Busverkehr betreiben,
kündigten als Reaktion auf die ersten Warnstreiks an, am ersten
Märzwochenende einen „Notverkehr“ einzurichten. Man könne den Streik
verstehen und unterstütze die Mitarbeiter*innen, aber „gleichermaßen ist es
uns auch wichtig, dass wir die Menschen in Neumünster nicht vergessen“,
sagte damals Pressesprecherin Saskia Ullrich. Und sie stellte klar: „Wir
haben keine Streikbrecher, sondern Menschen, die die Wichtigkeit des
öffentlichen Nahverkehrs für unsere Gemeinschaft erkennen.“
## Notverkehr mit Mitarbeiter:innen aus der Verwaltung
Dass es sich nicht um einen Streikbruch handelt, begründet Ullrich
gegenüber der taz damit, dass der Notverkehr von Mitarbeiter*innen aus
der Verwaltung bestritten worden sei, die zwar auch Busführerscheine
hätten, aber – auf Grund ihrer Verwaltungstätigkeit – andere Verträge als
die Busfahrer*innen.
Hier widerspricht Frank Schischefsky von Ver.di. Aus seiner Sicht ist der
Notverkehr sehr wohl ein Streikbruch. Denn man verhandele keinen
Tarifvertrag für einzelne Berufsgruppen, sondern für die ganze Branche. Die
Verwaltungsmitarbeiter*innen hätten laut Ver.di also auch streiken
können.
Arbeitssoziologe Stefan Schmalz von der Uni Erfurt beantwortet die Frage,
ob die Stadtwerke Neumünster einen Streikbruch organisiert haben, mit Ja.
Seiner Meinung nach ist auffällig, wer den möglichen Streikbruch
organisiert: „Das Besondere scheint mir zu sein, dass das die öffentliche
Hand macht“, sagt Schmalz. „[3][In der Privatwirtschaft ist das üblicher].…
Auch um den Termin für die fünfte Verhandlungsrunde gab es Streit. Die
Arbeitgeberseite habe den 27. März vorgeschlagen, sagt die Gewerkschaft.
Ver.di wollte früher verhandeln, als die Arbeitgeber*innenseite das
ablehnte, habe Ver.di weitere Warnstreiks an den Wochenenden angesetzt, um
einen früheren Verhandlungstermin zu erzwingen, sagt Schischefsky.
## Für die Stadtwerke geht es um Vertrauensbruch
Schriftlich angekündigt hat Ver.di diesen Warnstreik am 20. März. Aus Sicht
der SWN hat die Gewerkschaft damit die Vereinbarung gebrochen, vor dem 27.
März nicht mehr zu streiken. Die Stadtwerke werfen Ver.di deshalb
Vertrauensbruch vor. Aus Sicht von Ver.di gab es jedoch keine solche
Vereinbarung.
Am vergangenen Wochenende eskalierte der Streit: Die SWN nahmen als
Reaktion auf den aus ihrer Sicht erfolgten Vertrauensbruch den Notverkehr
am Wochenende wieder auf. Ver.di kündigte daraufhin noch am Sonntag Abend
an, dass es nun auch unter der Woche zu Warnstreiks kommen könne. Ab
Montagmorgen [4][rief Ver.di dann in Intervallen von zwei Stunden] zum
Streik auf. „Das war eine Spur zu hart“, sagt SWN-Sprecherin Ullrich dazu.
Durch den Intervallstreik seien Schulkinder auf der Straße stehen gelassen
worden. Die SWN organisierten also wieder den umstrittenen Notverkehr.
## „Ein bisschen sehr überspitzt dargestellt“
Gegen Mittag wollte Ver.di den Streik nach eigenen Angaben beenden. Die
Kolleg*innen hätten ihre Arbeitskraft wieder angeboten, sich aber vor
verschlossenen Werkstoren wiedergefunden, so Ver.di. Man könne vermuten,
dass es sich um eine Aussperrung handelte. Bei Aussperrungen werden alle
Beschäftigten daran gehindert, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, um Druck auf
die Streikenden auszuüben. Allerdings: „Aussperrungen sind schon sehr
selten“, sagt der Kasseler Politikwissenschaftler Alexander Gallas. „Das
war ein Mittel in der Industrialisierung und im Kaiserreich.“
„Das ist alles ein bisschen sehr überspitzt dargestellt“, sagt Ullrich der
taz am Montag. Denn: Die Schicht der Streikenden sei eh zu Ende gewesen,
diese seien schlicht in den Feierabend geschickt worden.
Ver.di-Verhandlungsführer Sascha Bähring widerspricht: „Die Kollegen haben
noch den ganzen Tag über Dienste“, sagt er der taz ebenfalls am Montag. Auf
die Frage der taz, bis wann die Schichten der Streikenden am Montag
planmäßig gelaufen wären, antworten die SWN weder am Dienstag noch am
Mittwoch. Auch die Frage, nach welchen Tarifverträgen die Beschäftigten,
die den Notverkehr bestritten haben, bezahlt werden, lassen die SWN bis
Mittwoch unbeantwortet.
Am Mittwoch sind die Verhandlungspartner*innen wieder an einem Tisch
zusammengekommen. Ergebnisse gab es bis Redaktionsschluss noch nicht.
27 Mar 2024
## LINKS
[1] /Buendnis-von-Fridays-for-Future-und-Verdi/!5993196
[2] /Tarifeinigung-GDL-und-Deutsche-Bahn/!5997825
[3] /Autohaendler-feuert-Betriebsrat/!5997845
[4] https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/rein-raus-flexibel-streiken/
## AUTOREN
Franziska Betz
## TAGS
Streik
Streikrecht
ÖPNV
Gewerkschaft
Verdi
Neumünster
Öffentlicher Nahverkehr
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