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# taz.de -- Warnstreik im Nahverkehr: Der Bus kommt nicht
> Die Beschäftigten im ÖPNV fordern bessere Arbeitsbedingungen. Im Bündnis
> mit „Wir fahren zusammen“ finden die Streikenden bei der Politik Gehör.
Bild: In Berlin blieben die Busse am Freitag bis 10 Uhr im Depot, anderorts sog…
Berlin taz | Früh um halb 6 ist der Betriebshof der Berliner
Verkehrsbetriebe (BVG) hell erleuchtet, doch die Busse stehen still.
Zumindest bis 10 Uhr. So lange wird die BVG diesen Freitag bestreikt. Um
die 100 Personen stehen in den früheren Morgenstunden mit gelben Warnwesten
und Bannern vor dem Streikposten im Wedding.
„Heute ist kein Arbeitstag, heute ist Streiktag“, rufen die Beschäftigten.
Unterstützt werden sie von vielen Klimaaktivist*innen aus dem Bündnis
„Wir fahren zusammen“, die sich gemeinsam mit ihnen vor den Toren
versammelt haben. Auch Pflegekräfte und Aktivist*innen der Kampagne
„Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ sind gekommen.
Es ist der erste Warnstreik der Beschäftigten in der Tarifrunde im
öffenlichen Nahverkehr 2024. Für diesen Freitag hat die
Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di in fast allen Bundesländern zur
Arbeitsniederlegung aufgerufen. Mit Ausnahme von Bayern, wo es noch einen
aktuellen Tarifvertrag gibt, verhandelt die Gewerkschaft derzeit parallel
mit den jeweiligen Arbeitgeberverbänden über neue Tarifverträge für die
Beschäftigten im ÖPNV.
Laut Ver.di sind von der Tarifrunde mehr als 130 kommunale
Verkehrsunternehmen in Städten und Landkreisen mit insgesamt 90.000
Beschäftigten betroffen. In der ersten Verhandlungsrunde in der vergangenen
Woche war in keiner Region eine Lösung gefunden worden.
So stehen U-Bahnen, Busse und Trams am Freitag in weiten Teilen
Deutschlands still. Bis auf Hamburg und Eberswalde, wo ein Notbetrieb
läuft, hat Ver.di von überall Meldungen erhalten, dass die Betriebe
vollständig bestreikt würden. In weiten Teilen Deutschlands wollen die
Beschäftigten ihre Arbeit über den ganzen Freitag niederlegen. Die
Busfahrer*innen in Schleswig-Holstein wollen sogar bis Sonntag in die
frühen Morgenstunden streiken.
## Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen
Als Busfahrer*innen begegnet den Beschäftigten immer wieder viel Hass.
„Fo***, ich stehe hier eine Stunde und warte“, solche Sätze würden ihr an
den Kopf geworfen, berichtet eine Busfahrerin. Frust bei Verspätungen
bekämen sie und ihre Kolleg*innen immer wieder ab. „Es brennt – das
könnten wir auch an unsere Busse schreiben“, ruft sie ihren Mitstreikenden
zu. Bei den Arbeitsbedingungen müsse sich endlich was ändern. Angefangen
bei ausreichend Ruhezeiten, um sich zu regenerieren.
„Es muss sich etwas an ihren Arbeitsbedingungen und an der
Personalsituation ändern, damit die Beschäftigten entlastet werden und der
ÖPNV nicht gegen die Wand gefahren wird“, sagt die stellvertretende
Ver.di-Vorsitzende Christine Behle. Zwar unterscheiden sich die Forderungen
von Land zu Land, aber im Kern sind sie sich einig: [1][Es geht um bessere
Arbeitsbedingungen], die in den sogenannten Manteltarifverträgen verhandelt
werden.
So fordert Ver.di in mehreren Bundesländern etwa eine Verkürzung der
Wochenarbeitszeit, eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs, zusätzliche
Entlastungstage für Schicht- und Nachtarbeit sowie eine Begrenzung von
geteilten Diensten und unbezahlten Zeiten im Fahrdienst. Über den Lohn und
die Gehälter verhandeln die Beschäftigten zudem in Brandenburg, dem
Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
„Wir haben einen dramatischen Mangel an Arbeitskräften im ÖPNV und einen
unglaublichen Druck auf die Beschäftigten“, sagt Behle. 2022 habe
mindestens die Hälfte der Unternehmen ihren Verkehr mangels Personals
zeitweise eingeschränkt.
Die Probleme in den kommunalen Verkehrsbetrieben könnten sich in den
kommenden Jahren zunehmend verschärfen. Denn die Bus- und
Straßenbahnfahrer*innen in Deutschland sind überaltert, ein Großteil
ist dem Statistischen Bundesamt zufolge älter als 55. Nachwuchs wird
dringend gesucht. Aber genau deshalb fordert Ver.di, wie auch schon [2][die
Lokführer*innengewerkschaft GDL bei der Deutschen Bahn], eine
spürbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
## Fridays unterstützen mit Musik und Snacks
[3][Unter der Prämisse, dass die Verkehrswende nur gemeinsam mit den
Beschäftigten gelingen kann], hatten Fridays for Future und Ver.di im
vergangenen Jahr das Bündnis Wir fahren zusammen aufgebaut. In einer
Petition fordert das Bündnis schon länger Investitionen von jährlich 16
Milliarden Euro für eine sozial gerechte Verkehrswende, bessere
Arbeitsbedingungen und mehr Personal im ÖPNV.
„Wir alle brauchen einen verlässlichen Nahverkehr“, sagt Daryah Sotoodeh,
eine Sprecherin des Bündnisses. Zusammen streike man nun, damit die
Beschäftigten „bessere Arbeitsbedingungen haben und unser Nahverkehr eine
Zukunft hat“. An den Streikposten haben die Klimaaktivist*innen
Snacks, Musik und Lautsprecher mitgebracht.
Bei dem Bündnis „Wir fahren zusammen“ gehe es um eine große politische Id…
von Mobilität und Verkehrswende, sagt Andreas Schackert,
Bundesfachgruppenleiter bei Ver.di, der taz. „Wir können in Tarifrunden gut
streiken und verhandeln. Aber das ist nur wirksam, wenn nachhaltig Geld ins
System kommt.“ Es brauche eine bundesweite Lösung, wie der ÖPNV künftig
geregelt wird. Das müssten Bund und Länder zusammen machen.
Die Unterstützung von Fridays for Future kommt bei den Beschäftigten gut
an. „Dieses Mal war einfach eine andere Atmosphäre mit Musik und Reden“,
bewertet Sievert den Streik. Das habe Spaß gemacht. „Ich war am Anfang
skeptisch, aber bin mittlerweile hellauf begeistert. Dass die jungen Leute
sich da so engagieren und mit uns streiken, finde ich toll.“ Und es mache
einen Unterschied, die Aufmerksamkeit für ihren Protest sei dieses Mal
größer und erreiche auch die Politik.
## Politik soll Geld liefern
Am Streikposten im Berliner Wedding kommt Katharina Dröge,
Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, vereinzelt mit Beschäftigten ins
Gespräch. Sie sei gekommen, um den Beschäftigten zuzuhören, und versprach
ihnen, sich für ihre Belange einzusetzen. Der Hebel der Bundesregierung
liege im Geld, das ist sich die Fraktionsvorsitzende bewusst.
Zunächst hätten sie für die Deutsche Bahn gekämpft, so Dröge. Aber sie
gäben auch über die Regionalisierungmittel an die Länder mehr Geld, damit
Städte wie Berlin in bessere Tarifabschlüsse und den ÖPNV-Ausbau
investieren könnten. Zu den Streikenden sagt sie: „Wenn ihr mich fragt:
Reicht das? – Dann sage ich euch ganz ehrlich: Nein.“ Aber die
[4][Bundesregierung] sei sich nicht immer einig, weshalb weniger Geld, als
die Grünen sich wünschen würden, zur Verfügung stünde.
Etwa zur gleichen Zeit trifft zudem Annika Klose (SPD) auf dem Betriebshof
ein, die derzeit in Berlin-Mitte um Stimmen für den Erhalt ihres
SPD-Bundestagsmandats bei der Wahlwiederholung in einigen Berliner
Stimmkreisen am 11. Februar wirbt. 2021 kam sie über die Landesliste ins
Parlament.
Ebenfalls im Wahlkampf befindet sich Carola Rackete. Die Klimaaktivistin
ist Linken-Spitzenkandidatin für die Europawahl im Juni. Bereits Tage zuvor
hat sie sich mit dem Bündnis und den Beschäftigten solidarisiert. „Ich
hoffe, wir sehen uns am Streikposten“, sagte sie am Mittwoch bei einer
Versammlung von „Wir fahren zusammen“ an der Berliner Humboldt-Universität.
Rackete sieht diese Allianz, die Gewerkschaften und Klimabewegung
zusammenführt, nur als ersten Schritt für ein viel größeres Ziel:
öffentlichen Luxus für alle.
Wenn auch der Verkehr in Berlin wieder anrollt und in den allermeisten
Städten spätestens wieder am Samstag alles seinen gewohnten Gang nimmt,
könnte das noch nicht der letzte Streik in den Tarifauseinandersetzungen
gewesen sein. Am 1. März, ihrem nächsten bundesweiten „Klimastreik“-Tag,
wollen die Fridays for Future gemeinsam mit Ver.di eine Petition an die
Bundesregierung mit ihren Forderungen nach mehr Klimaschutz und sozialer
Gerechtigkeit übergeben.
2 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.verdi.de/themen/nachrichten/++co++abd57506-9361-11ee-aeda-f97f3…
[2] /Multiple-Arbeitskaempfe-im-Verkehr/!5988418
[3] /Fridays-for-Future-orientiert-sich-neu/!5985785
[4] /Sparplaene-fuer-den-Bundeshaushalt/!5986400
## AUTOREN
Adefunmi Olanigan
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