| # taz.de -- Brasiliens Klimapolitik: Umwelt-Spagat in Dubai | |
| > Bei der Weltklimakonferenz sendet Brasilien eine widersprüchliche | |
| > Botschaft. Das Land gibt sich gleichzeitig als Ölförderer und | |
| > Regenwaldretter. | |
| Bild: Lula da Silva bei einer Zeremonie von Petrobas 2006 | |
| Mit „erhobenen Haupt“ wollte Brasilien laut Umweltministerin Marina Silva | |
| auf der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai auftreten und mit einer klaren | |
| Botschaft auftrumpfen: Brasilien ist nach den umweltschädlichen Jahren | |
| unter dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro zurück und bereit, | |
| Verantwortung in den Klima-Diskussionen zu übernehmen. Diese Message wurde | |
| dann auf der Eröffnung am Donnerstag etwas verschmutzt: Energieminister | |
| Alexandre Silveira kündigte an, dass Brasilien Mitglied des Ölkartells | |
| Opec+ wird. | |
| Das größte Land Südamerikas verdoppelte seine Erdölproduktion in den | |
| vergangenen 20 Jahren, 2022 lag die Menge bei 3 Millionen Barrel am Tag. In | |
| einem Treffen mit Aktivisten auf der COP versuchte der brasilianische | |
| Präsident Luiz Inácio Lula da Silva am Samstag diese Nachricht positiv zu | |
| drehen: Brasilien wolle sich als designiertes Opec+-Mitglied für eine | |
| Abkehr von fossilen Brennstoffen einsetzen und „die erdölproduzierenden | |
| Länder davon überzeugen, dass sie sich auf das Ende der fossilen | |
| Brennstoffe vorbereiten müssen“. | |
| Zusätzlich zu Marina Silva und Präsident Lula besuchen viele hochrangige | |
| Minister*innen und 400 weitere Regierungsvertreter*innen die | |
| Klimakonferenz. Es ist die größte brasilianische COP-Delegation bisher. | |
| Medienberichten zufolge wollen sich die brasilianischen | |
| Verhandlungspartner*innen dafür einsetzen, dass die Industriestaaten | |
| den ärmeren Ländern und Entwicklungsländern finanzielle Anreize bieten, | |
| ihre CO²-Emissionen auf null zu reduzieren. | |
| Ana Toni, Klima-Staatssekretärin der Lula-Regierung, sieht in Dubai eine | |
| klare Rolle für ihr Land. „Den Wald retten und der lokalen Bevölkerung ein | |
| würdevolles Leben bieten.“ Präsident Lula erinnert dabei regelmäßig an die | |
| Verantwortung der Industriestaaten und pocht darauf, dass sie jährlich 100 | |
| Milliarden US-Dollar zum Schutz des Regenwaldes zur Verfügung stellen. Der | |
| größte Wald der Welt befindet sich zu 60 Prozent auf brasilianischem | |
| Territorium. | |
| ## Radikaler Wandel versprochen | |
| Brasilien will sich jedoch nicht von Industriestaaten vorschreiben lassen, | |
| wie es die Umwelt zu retten hat; Lula setzt verstärkt auf regionale | |
| Lösungen. [1][Im August kamen die Amazonas-Anrainerstaaten auf Einladung | |
| Brasiliens zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder für einen Gipfel zusammen] | |
| und stellten einen Plan zum Abholzungsstopp vor. Gleichzeitig will die | |
| Lula-Regierung aber auch in Richtung EU und USA Handlungsfähigkeit beweisen | |
| und zeigen, dass man sich auf Brasilien verlassen kann. Die COP 30 wird im | |
| Jahr 2025 in der brasilianischen Amazonas-Metropole Belém stattfinden. | |
| Als Lula am 1. Januar 2023 den rechtsextremen Klimawandel-Leugner Jair | |
| Bolsonaro ablöste, versprach er einen radikalen Wandel und baute als eine | |
| seiner ersten Amtshandlungen die stark gebeutelte Umweltbehörde Ibama | |
| wieder auf. Die Folge: [2][Die Abholzung im Amazonas-Regenwald ging laut | |
| dem Waldüberwachungsprogramm Amazon Conservation zwischen Januar und | |
| November dieses Jahres um 55,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück]. | |
| Allerdings [3][ist Abholzung in anderen Regionen wie der Cerrado-Savanne | |
| stark angestiegen.] Rechte Abgeordnete, die die Mehrheit im Parlament | |
| stellen, versuchen Gesetzesprojekte durchzupeitschen, die von vielen als | |
| umwelt- und indigenenfeindlich betrachtet werden. | |
| [4][Außerdem hat Amazonien in diesem Jahr mit einer Rekorddürre zu | |
| kämpfen], viele Hektar Regenwald wurden durch Brände zerstört. Umwelt- und | |
| Klimapolitik sind in Brasilien ein Spagat. Einerseits scheint sich die | |
| Lula-Regierung ihrer Verantwortung bewusst zu sein und hat begonnen zu | |
| handeln. Andererseits ist der größte Staat Lateinamerikas stark von der | |
| Landwirtschaft abhängig, das Agrobusiness ist mächtig. | |
| Auch der für sein Verhandlungsgeschick berühmte Lula kann nicht an ihnen | |
| vorbeiregieren. „Einige Firmen sind an Umweltverbrechen beteiligt, aber es | |
| gibt auch viele Unternehmen, die nicht mit Abholzung in Verbindung stehen“, | |
| betont Klima-Staatssekretärin Ana Toni. Eine große Delegation von | |
| Firmenchefs wird mit nach Dubai reisen. Viele Umweltschützer*innen und | |
| Indigene sehen den vermeintlichen Wandel und „grüne Wirtschaftsprojekte“ | |
| allerdings skeptisch. | |
| 5 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Niklas Franzen | |
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