# taz.de -- Bundesverfassungsgericht zu Wahlrecht: Wahlgesetze dürfen komplizi… | |
> Das Bundesverfassungsgericht billigt das Wahlrecht der letzten | |
> Bundestagswahl. Klagen von Grünen, FDP und Linken wurden abgelehnt. | |
Bild: Überprüft wurde die „kleine“ Wahlrechtsreform der Großen Koalition… | |
KARLSRUHE taz | Wahlgesetze, deren Details durchschnittliche | |
Bürger:innen nicht verstehen, sind deshalb nicht verfassungswidrig. Das | |
entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am Mittwoch mit | |
knapper Mehrheit von 5 zu 3 Stimmen. Das Wahlrecht der letzten | |
Bundestagswahl 2021 verstieß damit nicht gegen das Grundgesetz. Klagen von | |
Grünen, FDP und Linken wurden abgelehnt. | |
Überprüft wurde die „kleine“ Wahlrechtsreform der Großen Koalition aus d… | |
November 2020. Zentraler Punkt damals: Drei Überhangmandate sollten nicht | |
mehr ausgeglichen werden. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr | |
Direktmandate holt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustehen. | |
Seit 2013 erhalten die anderen Parteien dann Ausgleichsmandate, damit das | |
Wahlergebnis nicht verzerrt wird. Dies hat aber den Bundestag aufgebläht. | |
Grüne, FDP und Linke kritisierten an der Reform, dass es vor allem der | |
CDU/CSU nutze, wenn Überhangmandate nicht ausgeglichen werden. | |
In der [1][mündlichen Verhandlung im April] ging es aber kaum um die | |
Überhangmandate, sondern vor allem um die Frage, wie verständlich | |
Wahlgesetze sein müssen. Der damalige Paragraph 6 des Wahlgesetzes, der die | |
Umrechnung der Stimmen in Sitze regelt, war ein Monster mit 680 Wörtern. | |
## Bürger:innen „im Blindflug“? | |
Im Urteil vom Mittwoch kommen fünf von acht Richter:innen nun zum | |
Ergebnis, dass das Bestimmtheitsgebot und das Gebot der Normenklarheit | |
nicht verletzt sind. Es genüge, wenn die Wahlleiter:innen den | |
komplizierten Paragraf richtig anwenden können. Damit die Bürger:innen | |
ihre Erst- und Zweitstimmen entsprechend ihren Interessen abgeben, sei es | |
nicht erforderlich, dass sie die Details der Umrechnung in Sitze exakt | |
verstehen. Der Bundestag dürfe sich auch für ein kompliziertes Wahlsystem | |
entscheiden, das viele Aspekte berücksichtigt. | |
Immerhin drei Richter:innen gaben ein Sondervotum ab, darunter die | |
Senatsvorsitzende Doris König und der federführende Richter Peter Müller. | |
Den Bürger:innen dürfe nicht zugemutet werden, ihr Wahlrecht „im | |
Blindflug“ wahrzunehmen. | |
Beim ursprünglichen Streitthema, dem Nichtausgleich von drei | |
Überhangmandaten, hatte das Bundesverfassungsgericht keine Einwände. Dies | |
liege im Rahmen des „Gestaltungskorridors“ des Gesetzgebers. | |
Das nun für verfassungskonform erklärte Wahlrecht kommt noch einmal zum | |
Einsatz, wenn in Teilen Berlins wegen des Chaos in den Wahllokalen [2][die | |
Bundestagswahl 2021 wiederholt wird]. In wievielen Wahlkreisen es eine | |
Wiederholungswahl gibt, wird das Bundesverfassungsgericht am 19. Dezember | |
verkünden. Die erneute Wahl in Berlin wird dann am 11. Februar stattfinden. | |
Im Juni 2023 hat allerdings die Ampel-Koalition das Wahlgesetz erneut | |
geändert. Nun gab es [3][eine „große“ Wahlrechtsreform], bei der | |
insbesondere die Überhangmandate und die Grundmandateklausel völlig | |
abgeschafft wurden. Dagegen haben aber unter anderem die CSU und die Linke | |
geklagt. Zuständig wird wieder der Zweite Senat sein, dann aber ohne | |
Richter Peter Müller, dessen Amtszeit zu Ende ist. Letzte Woche wählte der | |
Bundesrat bereits seinen Nachfolger, den bisherigen Generalbundesanwalt | |
Peter Frank. | |
29 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Verfassungsgericht-zum-Wahlrecht/!5929129 | |
[2] /Berliner-Pannenwahl-2021/!5945063 | |
[3] /Reform-des-Wahlrechts/!5922550 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Wahlrechtsreform | |
Bundesverfassungsgericht | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
GNS | |
Bundesverfassungsgericht | |
Bundestag | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Bundesverfassungsgericht | |
Bundesverfassungsgericht | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Wahlrechtsreform | |
Wahlrechtsreform | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Karlsruhe prüft Wahlrechtsreform: „Bayerische Wähler werden bestraft“ | |
Vor dem Bundesverfassungsgericht steht das neue Wahlrecht der Ampel auf dem | |
Prüfstand. CSU, Linke und weitere Kläger üben daran Kritik. | |
Wahlkreisreform beschlossen: Sturm im Wasserglas | |
Gemeinsam mit der AfD wettert die Union gegen eine kleine Wahlkreisreform | |
der Ampelkoalition. Dabei verbreitet sie auch Fehlbehauptungen. | |
Karlsruher Urteil zur Wahl in Berlin: Mit zweierlei Maß gemessen? | |
Eine komplette Wahlwiederholung ordnete das Landesverfassungsgericht Berlin | |
an. Karlsruhe genügen 455 Wahlbezirke. Ist das gerecht? | |
Karlsruhe zur Bundestagswahl in Berlin: Nur eine kleine Wahlwiederholung | |
Trotz Pannen muss die Wahl nur in einem Fünftel der Berliner Wahllokale | |
wiederholt werden. Für die Linke dürfte das keine Konsequenzen haben. | |
Entscheid zur Bundestagswahl in Berlin: Wiederholung ist notwendig | |
Die Bundestagswahl in Berlin muss in rund einem Viertel der Wahlkreise | |
wiederholt werden. Das hat das Verfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. | |
Bundestagswahl: Weihnachtsgrüße aus Karlsruhe | |
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über eine Wiederholung der | |
Bundestagswahl in Berlin. Für die Linkspartei könnte dies fatale Folgen | |
bedeuten. | |
Wahlrecht ab 16: Erst schießen, dann wählen? | |
Im Zuge der geplanten Senkung des Wahlalters drängt die CDU auf politische | |
Bildung von Jugendlichen. Auch Schulbesuche der Bundeswehr stehen im Raum. | |
Verfassungsgericht zum Wahlrecht: Generalabrechnung in Karlsruhe | |
Grüne, Linke und FDP klagten gegen das aktuelle Bundestagswahlgesetz. Das | |
Bundesverfassungsgericht nutzte das Verfahren für Grundsatzkritik. | |
Reform des Wahlrechts: Das Parlament schrumpft | |
Der Bundestag beschließt die umstrittene Wahlrechtsreform. Künftig umfasst | |
der Bundestag dauerhaft 630 Abgeordnete. |