# taz.de -- Karlsruhe zur Bundestagswahl in Berlin: Nur eine kleine Wahlwiederh… | |
> Trotz Pannen muss die Wahl nur in einem Fünftel der Berliner Wahllokale | |
> wiederholt werden. Für die Linke dürfte das keine Konsequenzen haben. | |
Bild: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat über eine teilweise W… | |
KARLSRUHE taz | Die Bundestagswahl muss nur in 455 von 2.256 Berliner | |
Stimmbezirken (Wahllokalen) wiederholt werden, entschied das | |
Bundesverfassungsgericht. Die Wahlwiederholung findet voraussichtlich am | |
11. Februar 2024 statt. | |
Am 26. September 2021 fanden in Berlin sowohl Bundestagswahlen als auch | |
Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den | |
Bezirksverordnetenversammlungen statt. Die Wahlen waren jedoch schlecht | |
organisiert: Stimmzettel fehlten oder wurden unzulässig kopiert. | |
[1][Wahllokale mussten zeitweise geschlossen werden oder blieben auch nach | |
18 Uhr noch offen.] | |
Gegen die Bundestagswahl in den Berliner Wahlkreisen erhoben mehr als 1.700 | |
Bürger Einsprüche. Selbst der Bundeswahlleiter erhob Widerspruch – zum | |
ersten Mal in der Geschichte der Bundestagswahlen. Der Bundestag entschied | |
daraufhin am 10. November 2022 mit den Stimmen der Ampelkoalition, dass in | |
431 (von 2.256) Berliner Stimmbezirken die Bundestagswahl wiederholt werden | |
muss. In 327 Stimmbezirken fanden die Abgeordneten konkrete Wahlfehler, | |
weitere 104 Stimmbezirke waren über gemeinsame Briefwahlbezirke mit den | |
fehlerbehafteten Stimmbezirken verbunden. | |
Der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ging das nicht weit genug. Sie verlangte | |
eine Wahlwiederholung in sechs von zwölf Berliner Wahlkreisen, also in der | |
Hälfte des Berliner Wahlgebiets. Die AfD-Fraktion forderte sogar eine | |
Wiederholung der Bundestagswahl in ganz Berlin. | |
## Das Verfassungsgericht analysierte die Wahlfehler | |
Die AfD-Klage wurde nun jedoch als unsubstantiiert und damit unzulässig | |
abgelehnt. Die ganze Wahl müsse nur bei „unerträglichen“ Wahlfehlern | |
wiederholt werden, so die Richter:innen. Davon könne schon mit Blick auf | |
den Stadtstaat nicht die Rede sein. Bei der Bundestagswahl komme es aber | |
ohnehin auf ganz Deutschland an und nicht nur auf Berlin. | |
Auch die Wahlprüfungsbeschwerde der CDU/CSU war überwiegend erfolglos. Das | |
Bundesverfassungsgericht hielt an seiner Rechtsprechung fest, dass der | |
Eingriff in das Wahlergebnis bei der Wahlprüfung so gering wie möglich | |
bleiben soll. Deshalb könnten nur nachgewiesene Wahlfehler berücksichtigt | |
werden, bloße Vermutungen über weitere Wahlfehler genügten nicht, so die | |
Richter:innen. | |
Als Wahlfehler wertete das Verfassungsgericht insbesondere die mangelhafte | |
Ausstattung mit Wahlkabinen und Stimmzetteln. Als Indiz hierfür galt eine | |
Wartezeit von mehr als einer Stunde oder wenn die Stimmabgabe noch nach | |
18.30 Uhr stattfand. Keinen Wahlfehler sah das Gericht darin, dass | |
Wähler:innen nach 18 Uhr bereits die Prognosen des Wahlergebnisses | |
kannten und dann taktisch wählen konnten. | |
## Direktkandidat*innen der Linkspartei sind nicht betroffen | |
Die Richter:innen stellten fest, dass der Bundestag die Wahlfehler | |
überwiegend richtig festgestellt hatte. Allerdings hätte er nicht darauf | |
verzichten dürfen, die Protokolle aus den Wahllokalen auszuwerten. Dies | |
holten die Verfassungsrichter:innen nach und fanden weitere 25 | |
Stimmbezirke mit Wahlfehlern. In drei Stimmbezirken war der Bundestag | |
dagegen zu streng. | |
Die festgestellten Wahlfehler stuften die Verfassungsrichter:innen | |
als „mandatsrelevant“ ein, da der SPD ein zusätzliches Bundestagsmandat | |
zugekommen wäre, wenn sie nur 802 Zweitstimmen mehr erhalten hätte. Es | |
könne aber nicht ausgeschlossen werden, so das Gericht, dass so viele | |
Wähler wegen des Wahlchaos auf die Stimmabgabe verzichteten und wieder nach | |
Hause gingen. | |
Von den Wahlwiederholungen sind insbesondere die Bezirke Pankow, | |
Reinickendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg | |
betroffen, nicht jedoch die Wahlkreise Treptow-Köpenick und Lichtenberg, wo | |
Gregor Gysi und Gesine Lötzsch Direktmandate für die Linke holten. Die 38 | |
Abgeordneten der Linken (und des abgespalteten „Bündnisses Sahra | |
Wagenknecht“, BSW) konnten trotz Verfehlens der Fünfprozenthürde 2021 in | |
den Bundestag einziehen, weil die Linke drei Direktmandate holte. Daran | |
wird sich nichts ändern. | |
Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag wird die | |
Wahlwiederholung in Berlin sicher auch nicht haben. Die Ampelkoalition hat | |
knapp 100 Mandate mehr als die Opposition aus CDU/CSU, AfD und Linke/BSW. | |
[2][Deutlich größere Auswirkungen hatte das Berliner Wahlchaos für die | |
Abgeordnetenhauswahl von 2021.] Das Berliner Landesverfassungsgericht | |
ordnete bereits im November 2022 eine vollständige Wiederholung an. Die | |
Neuwahl fand im Februar 2023 statt. Die SPD beendete anschließend die | |
rot-rot-grüne Koalition im Senat und wählte stattdessen Wahlsieger Kai | |
Wegner von der CDU zum Regierenden Bürgermeister. | |
19 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Pannen-Wahl-Berlin-2021/!5883632 | |
[2] /Entscheidung-des-Verfassungsgerichts/!5895722 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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