| # taz.de -- Talk über „Judenhass“: Keine Kuschelrunde | |
| > Am Berliner Ensemble lud Michel Friedman zum Gespräch. Mit seinen Gästen | |
| > Felix Klein und Thomas Haldenwang sprach er über „Judenhass“ in | |
| > Deutschland. | |
| Bild: Sein sonst so feines Lächeln ist ihm vergangen: Michel Friedman im BE | |
| Schon in den ersten zehn Minuten macht Moderator Michel Friedman seinen | |
| beiden Talkgästen klar: Das hier wird keine Kuschelrunde. | |
| Mit ihm auf der Bühne des Kleinen Hauses im Berliner Ensemble sitzen an | |
| diesem Donnerstagabend der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, | |
| Thomas Haldenwang, und der Beauftrage der Bundesregierung für jüdisches | |
| Leben in Deutschland, Felix Klein. | |
| Beide haben gleich zu Beginn des Gesprächs ihre Betroffenheit, Trauer und | |
| Bestürzung über den Antisemitismus zum Ausdruck gebracht, der seit dem | |
| Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober in Deutschland präsenter | |
| scheint denn je. | |
| So weit, so nachvollziehbar. Dann aber sagt Klein einen für Friedman | |
| entlarvenden Satz: „Das hat mich überrascht.“ Friedman schaut ihn an, mit | |
| diesem ihm so eigenen feinen Lächeln. Wer ihn kennt, weiß, dass es für | |
| seinen Gesprächspartner gleich ungemütlich wird. | |
| ## Antisemitismus als existenzielle Bedrohung | |
| Friedman setzt an: Er könne jetzt rhetorisch darauf reagieren und | |
| feststellen, dass es ihn doch überrascht, dass Klein das überrascht. Beide | |
| Gesprächspartner würden sich schließlich seit Jahren mit dem Thema | |
| auseinandersetzen. | |
| Dann stellt Friedman die entscheidende Frage: „Wieso glaubten Sie bis | |
| dieser Tage nicht, dass solche Bilder entstehen würden?“ | |
| Klein eiert herum. Er habe natürlich „im Netz“ gesehen, dass es solche | |
| Entwicklungen gebe. Aber die Vehemenz jetzt, aus der Mitte der | |
| Gesellschaft, die habe er so dann doch nicht erwartet. Das sagt der | |
| nichtjüdische Beauftrage der Bundesregierung für jüdisches Leben in | |
| Deutschland. | |
| Es treffen Welten aufeinander im BE: Hier die Welt von [1][Michel Friedman, | |
| der den Antisemitismus in Deutschland als existentielle Bedrohung] | |
| empfinden muss. Dort Klein und Haldenwang, denen der Kampf gegen | |
| Antisemitismus sicherlich ein ehrliches Anliegen ist, die ihn am Ende aber | |
| offenbar doch vor allem vom Schreibtisch aus beobachten. | |
| ## Zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht | |
| „Judenhass“ – so hat Friedman diesen Gesprächsabend betitelt. Anlass ist | |
| der 85. Jahrestag der Reichspogromnacht. Jener Nacht, in der in ganz | |
| Deutschland die Synagogen brannten, Juden und Jüdinnen misshandelt und | |
| getötet, jüdische Geschäfte zerstört wurden. | |
| Seit dieser Nacht wurden [2][Juden und Jüdinnen in NS-Deutschland] nicht | |
| mehr nur diskriminiert, sondern systematisch unterdrückt oder vertrieben, | |
| was letztlich im Holocaust mündete. | |
| 85 Jahre später hat die palästinensische Terrorgruppe Hamas in Israel etwa | |
| 1.400 Juden und Jüdinnen brutal ermordet. In Deutschland fliegen danach | |
| Molotowcocktails auf Synagogen. Auf den Straßen wird „Tod den Juden“ | |
| gerufen. | |
| Friedman versucht gar nicht erst, die Komplexität des Nahostkonflikts oder | |
| das Problem des sogenannten importierten Antisemitismus zu besprechen. | |
| ## „Können sich Juden in Deutschland noch sicher fühlen?“ | |
| Er will seine deutschen Mitbürger so schnell nicht aus der Verantwortung | |
| lassen. Und konzentriert sich mit seinen Gästen auf das Naheliegende: den | |
| strukturellen Antisemitismus in Deutschland. Woher er kommt und wie er | |
| bekämpft werden kann. Und warum er immer schlimmer wird. | |
| „Können sich Juden in Deutschland noch sicher fühlen?“, fragt er mehrfach | |
| an diesem Abend. Eine so schlichte wie bedrohliche Frage. Haldenwang windet | |
| sich heraus: „Absolute Sicherheit kann man niemandem garantieren“, sagt er. | |
| Aber geht es darum, [3][geht es um absolute Sicherheit?] Oder nicht doch | |
| nur um die Frage, was der deutsche Staat tut, dass von Lippenbekenntnissen | |
| abgesehen, der wachsende Antisemitismus irgendwie eingedämmt wird. „Was | |
| können Sie, wir alle hier dagegen machen?“, fragt er Haldenwang. Es sei vor | |
| allen Dingen wichtig, dass die Menschen, die Verantwortung trügen, „alles | |
| Menschenmögliche tun“ würden, um dieser Entwicklung entgegenzutreten, | |
| antwortet Haldenwang. | |
| Da ist es wieder, das feine Lächeln von Friedman: „Die Menschen, die | |
| Verantwortung tragen, haben dann wohl nicht alles Menschenmögliche getan, | |
| sonst wär’s ja nicht noch schlimmer geworden.“ | |
| Haldewang versucht gar nicht erst, der Falle zu entkommen: „Das mag so | |
| sein“, lautet seine erschreckend ehrliche Antwort. | |
| 10 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Verena Harzer | |
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