Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kampf gegen Leerstand in Hamburg: Hilflos gegen Spekulanten
> In Hamburg lässt ein Eigentümer sein Mietshaus in zentraler Lage
> verkommen. Jetzt will die Politik die Notbremse ziehen. Ob die greift,
> ist unklar.
Bild: Spekulationsobjekt: Grindelallee 80 in Hamburg
Hamburg taz | Von außen sieht das Haus Grindelallee 80 in
Hamburg-Eimsbüttel eigentlich ganz manierlich aus. Doch dieser Eindruck
täuscht. Das Bezirksamt hat die Immobilie für unbewohnbar erklärt. Der
Eigentümer Sven B. vergraulte die Mieter, kümmert sich nicht um die
Instandhaltung und scheint unauffindbar zu sein. Seit Jahren steht das Haus
in bester Lage leer – und [1][das in einer Stadt, wo jeder Quadratmeter
Wohnraum gebraucht wird].
Die Bezirksversammlung hat jetzt auf Initiative der Linken beantragt, einen
Treuhänder für das Gründerzeit-Mietshaus einzusetzen. Das sei „überfälli…
um das Haus endlich der Spekulation zu entziehen und wieder mit
Mietwohnungen auszustatten“, sagt Mikey Kleinert, Sprecher der Linksfaktion
Eimsbüttel.
[2][Eine Treuhandverwaltung wäre das letzte Mittel des Bezirks,] nachdem B.
reihenweise Fristen hatte verstreichen lassen und sich auch von den auf
129.000 Euro aufgelaufenen Zwangsgeldern nicht beeindrucken ließ. Möglich
wird die Treuhandverwaltung durch das [3][Hamburgische
Wohnraumschutzgesetz] – doch selbst dieses Instrument, über das nicht alle
Bundesländer verfügen, droht in diesem Fall zu versagen.
„Der Rechtsstaat unterstellt Redlichkeit“, sagt Rolf Bosse, Vorsitzender
des Mietervereins zu Hamburg. Für einen derart krassen Fall des Missbrauchs
von Eigentum wie bei der Grindelallee 80 seien die Eingriffsmöglichkeiten
unzureichend.
## Buttersäure vergossen
Das Gebäude gehört dem Immobilienfachwirt Sven B., der auch eine Reihe
weiterer Immobilien in Norddeutschland besitzt. B. hat das Haus offenbar
nicht in der Absicht erworben, es zu behalten, sondern es [4][mit Gewinn
weiterzuverkaufen]. Denn bald, nachdem er das Objekt gekauft hatte, begann
er damit, die Mieter rauszuekeln.
„B. hat vielen Mietern mehrfach gekündigt, aus allen möglichen Gründen“,
erinnert sich Bosse, der viele der Mieter rechtlich unterstützt hat. Die
Kündigungen seien stets unbegründet gewesen. Trotzdem habe der Streit oft
mit einem Vergleich geendet. Die Wohnungen seien anschließend nicht wieder
vermietet worden. Der Mieter Michele Fezzi berichtet, B. habe das Haus
durch Nichtstun verkommen lassen. Ob es um Sauberkeit, Instandhaltung oder
fehlende Kellerschlüssel ging: „Er hat uns komplett ignoriert.“
Drastischeres schilderte eine Mieterin 2018 „Spiegel TV“: Die
Feuerschutztüren seien entfernt worden, die Heizung sei kalt geblieben,
Schlüssellöcher seien verklebt und Buttersäure sei vergossen worden. B.
habe Wohnungen als Stundenhotel vermietet und 23.000 Euro Vorauszahlungen
der Mieter für die Wärmeversorgung nicht weitergereicht.
Aus Gründen des Brandschutzes ließ das Bezirksamt das Gebäude 2019 räumen.
Denn aufgrund von Umbauten verfügten viele der Wohnungen nicht über einen
zweiten Fluchtweg. Dieses Problem hätte sich zwar beheben lassen, was B.
aber ignorierte.
2018 schloss eine Bauträgergesellschaft einen Kaufvertrag mit B. über das
Gebäude. Die Gesellschaft hat eine Auflassungsvereinbarung dafür im
Grundbuch eintragen lassen, wie deren Anwalt Moritz Lembcke von der Kanzlei
Osgard bestätigt. Das bedeutet, dass das die Immobilie an niemand anderen
verkauft werden kann. Allerdings bemüht sich der Bauträger bisher
vergeblich, Eigentümer zu werden.
Beide Seiten streiten sich vor Gericht, weil der Bauträger davon ausging,
das Gebäude unvermietet zu kaufen. Nach wie vor gebe es jedoch gültige
Mietverträge für das Haus, sagt Lembcke. „Wir streiten um die Höhe der
Kaufsumme.“
Der Eigentümer habe geltend gemacht, dass alle Mietverträge hinfällig
seien, weil das Gebäude ja nicht als bewohnbar gelte, sagt Kai Wantzen,
Sprecher des Hamburger Landgerichts. Außerdem behaupte B., er habe mit den
Mietern Beendigungsvereinbarungen getroffen. Ein Sachverständigengutachten
zur Bewohnbarkeit liege vor. Einen neuen Verhandlungstermin habe das
Gericht aber noch nicht angesetzt.
## Gericht als einziger Weg
Anwalt Lembcke ärgert sich, dass sich das Verfahren so lange hinzieht. „Ich
habe fast das Gefühl, dass das Gericht hofft, dass einem von beiden die
Puste ausgeht“, sagt er. Schließlich fielen für die nötigen Kredite immer
mehr Zinsen an.
Einen Treuhänder einzusetzen, bewertet Lembcke als unrealistisch. Dieser
müsste viel Geld investieren, um das Gebäude herzurichten. Zugleich sei er
an der Verwertung des Gebäudes gehindert, weil es mit hohen Schulden
belastet sei. Und nicht zuletzt habe sich ja seine Mandantin das Recht
gesichert, die Immobilie zu kaufen. „Der einzige Weg ist unser
Gerichtsverfahren“, schließt nicht ganz überraschend der Anwalt.
10 Aug 2023
## LINKS
[1] /Studie-ueber-Hamburger-Wohnungsmarkt/!5942657
[2] /Leerstand-in-Hamburg/!5629542
[3] https://www.hamburg.de/wohnraumschutz/4455094/hmbwoschg/
[4] /Hamburg-enteignet-in-der-Buergerschaft/!5941299
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Hamburg
Wohnen
Mieten Hamburg
Mieten
Leerstand
Wohnungsmarkt
Justiz
Wohnungsmangel
Wohnungspolitik
Schwerpunkt Stadtland
Zweckentfremdung
Niedersachsen
Immobilien Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wohnungsmangel in der Großstadt: In Hamburg gilt Villenschutz
Hamburg hat ein scharfes Wohnraumschutzgesetz – theoretisch. Doch mit der
Anwendung tun sich die Bezirke oft schwer. Die Folge: jahrelanger
Leerstand.
Gesetzeslücke bei Immobiliengeschäften: Kaputtes Geschäftsmodell
Ein marodes Haus in Gelsenkirchen wird zu einem überteuerten Preis
zwangsversteigert. Wie man mit Schrottimmobilien Profit macht.
Jenseits des Immobilienmarkts: Das Haus der Mieter
In einem Haus in Hamburg-Eppendorf haben die Eigentümer dank eines
besonderen Mietvertrags wenig zu sagen. Nun hat das Wohnprojekt Jubiläum.
Zweckentfremdung von Wohnraum: Wohnungen zurückgeholt
20.000 einst zweckentfremdete Wohnungen, davon 6.500 Ferienappartements
sind wieder Mietwohnungen. Bei Leerstand greift das Gesetz kaum.
Wohnraum in Niedersachsen: Die neue soziale Frage
Trotz Mietpreisbremse und Zweckentfremdungssatzung wird der Wohnungsmarkt
in Niedersachsen immer enger.
Hamburger Senat macht in Immobilien: Dämpfer für Spekulanten
Um dem Druck der Investoren etwas entgegenzusetzen, will die rot-grüne
Stadtregierung ihre Eingriffsmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt stärker
nutzen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.