# taz.de -- Lithium-Abbau in Kongo: Kampf um das weiße Gold | |
> In der Demokratischen Republik Kongo liegen große Mengen unerschlossenes | |
> Lithium. Westliche Firmen wollen sie heben. Das Risiko trägt die | |
> Bevölkerung. | |
MANONO taz | Es ist neun Uhr abends in Manono. In der Dunkelheit rennen | |
Schulkinder nach Hause, vorbei an Hütten mit Dächern aus Bananenblättern | |
und der kleinen Kathedrale aus roten Ziegelsteinen. Die Schatten tanzen | |
zwischen Palmen und Mangobäumen in den grellen Lichtern der Motorräder. | |
Beim Frisiersalon in einer Seitenstraße herrscht Hochbetrieb. Die jungen | |
Männer sprechen über das Neueste in der Stadt: die Lithium-Mine, die die | |
alte [1][Bergbaustadt Manono] im Südosten der Demokratischen Republik Kongo | |
zu neuer Blüte führen soll. | |
Unter Investoren, Geologen und Bergbauunternehmern hat Manono einen | |
legendären Ruf: Das „weiße Gold“, wie Lithium hier wegen seiner Farbe und | |
seines Wertes genannt wird, findet sich hier in einer der größten noch | |
unerschlossenen Erzreserven der Welt. Für kaum ein anderes Metall steigt | |
derzeit die globale Nachfrage so stark, Märkte wie China und Deutschland | |
suchen nach Lithium für Akkus in Elektroautobatterien. | |
Im Jahr 2021 wurden weltweit 100.000 Tonnen Lithium gefördert – die | |
Nachfrage dürfte bis 2030 zwei bis drei Millionen Tonnen pro Jahr | |
erreichen. Lithium soll die globale Energiewende powern. Kongo kann dabei | |
[2][eine zentrale Rolle spielen]. Wird die schöne neue Elektrowelt auch | |
Manono erreichen, tief in der Savanne Zentralafrikas, fern von jeder | |
modernen Infrastruktur? | |
Carlos, der gerade im Frisierstuhl sitzt, ist aus Kongos Hauptstadt | |
Kinshasa 1.400 Kilometer nach Manono gezogen, um Arbeit zu finden. „Ihr | |
wollt uns filmen?“, fragt er. „Okay. Aber der Präsident muss das Video zu | |
sehen bekommen. In dieser Stadt gibt es nichts zu essen, nicht mal Gemüse | |
für unsere Familien.“ | |
## Nur die Schürfer sind geblieben | |
Manono ist eine alte Bergbaustadt aus der belgischen Kolonialzeit, mit | |
[3][Zinnbergbau] ab 1919. Nach der Unabhängigkeit 1960 wurde kaum noch | |
investiert. Der industrielle Abbau des Zinnerzes Kassiterit kam 1982 zum | |
Erliegen, in den Kongokriegen von 1996 bis 2003 wurde Manono größtenteils | |
zerstört. Ein Mechaniker beschreibt, wie die Stadt damals bombardiert, | |
ausgeplündert und angezündet wurde und die Bewohner flohen. Nur Schürfer | |
blieben, die in den verlassenen Minen um die Stadt nach Zinn und Tantal | |
gruben. | |
Das alte Zentralkrankenhaus von Manono war vor seiner Schließung in diesem | |
Jahr in einem dramatisch schlechten Zustand. Sieben Labortechniker teilten | |
sich ein Mikroskop. Patienten lagen auf dem Betonboden des Innenhofs, neben | |
ihnen ihre Familien, die ihnen in der schweren Tropenluft Frischluft | |
zufächelten. Malaria ist die Todesursache Nummer eins, erzählte der | |
Chefarzt. Die Stationen waren voller unterernährter Kinder. | |
Die gesamte Stadt Manono mit einigen zehntausend Einwohnern hat weniger als | |
drei Kilometer Straße. Nur Schlammwege verbinden die Stadt mit dem Rest der | |
Welt, sie sind nur für Motorräder passierbar. Lastwagen mit Waren wie | |
Medikamente brauchen für die rund 430 Kilometer aus der fernen | |
Provinzhauptstadt Kalemie am Tanganyika-See mit ihrem Hafen bis nach Manono | |
über zwei Wochen. Bis die Waren ankommen, kosten sie das Doppelte. | |
Sechs Uhr abends, die Motorradtaxifahrer an der Kreuzung nahe dem | |
Krankenhaus räkeln sich auf ihren Satteln. Sie warten auf Kundschaft: die | |
Bauarbeiter der Bergbaufirma AVZ Minerals Limited. Das australische | |
Unternehmen will das Lithium von Manono fördern. Lokale Arbeiter bauen das | |
„Camp Colline“, wo die AVZ-Zentrale entsteht. Jeden Abend werden sie in | |
ihren blauen Uniformen, weißen Gummistiefeln und Schutzhelmen an der | |
Kreuzung abgesetzt, um ein Motorrad nach Hause zu nehmen. | |
„Manono ist ein geologischer Skandal“, sagt Abbé Moise Kiluba, ein | |
katholischer Priester in Manono und Koordinator der zivilgesellschaftlichen | |
Gruppe „Forces Vives“. Er kommt aus der Stadt und kämpft für bessere | |
Arbeits- und Lebensbedingungen für die Menschen. „So viele Mineralien sind | |
seit der Kolonialzeit noch nicht abgebaut worden“, erklärt er. „Nicht nur | |
Kassiterit. Es gibt Lithium, Galena, Kupfer, Coltan, grünen Turmalin, roten | |
Granat, Smaragde, Mangan.“ Aber „die Bevölkerung ist ausgegrenzt, es | |
herrscht eine Politik der Gier“. | |
Das „[4][Manono Project]“ zielt auf eines der größten | |
Hartgestein-Lithiumvorkommen der Welt. Das geplante Fördergebiet „Manono | |
Project“ umfasst 188 Quadratkilometer im Lizenzgebiet PR13359, an dem AVZ | |
2017 eine 60-Prozent-Beteiligung erwarb. Die Stadt Manono liegt mitten in | |
diesem Gebiet. Rund um PR13359 gibt es weitere 242,25 Quadratkilometer | |
Explorationsgebiet in den zwei Lizenzgebieten PR4029 und PR4030, das | |
sogenannte [5][Manono Extension Project], das AVZ kurz vorher zu 100 | |
Prozent erwarb. | |
AVZ schätzt die Ressource von PR13359 auf 400 Millionen Tonnen Erde mit | |
einem Lithiumoxidgehalt von 1,65 Prozent und will davon innerhalb von 29,5 | |
Jahren ein Drittel abbauen. Dafür müsste Kongos Staat die | |
Explorationslizenzen (PR – Permis de Recherche), die lediglich die Suche | |
nach Rohstoffen erlauben, in Bergbaulizenzen (PE – Permis d’Exploitation) | |
umwandeln, die den Abbau und Verkauf der Rohstoffe erlauben. Hier wird es | |
kompliziert. | |
Seit 2010 haben die lithiumreichen [6][Bergbaugebiete um Manono] immer | |
wieder den Lizenzbesitzer gewechselt. Wie ein chaotisches Speed-Dating, | |
abwechselnd mit bitteren Trennungsstreitigkeiten, haben auswärtige Akteure | |
mit Geld und Connections um diese Minen spekuliert, Deals gemacht, sich | |
zerstritten, ihre Geschäftspartner gewechselt, ihre ehemaligen Partner | |
verklagt und dabei viel Geld hin- und hergeschoben. | |
Derweil kann die Stadt Manono nicht mal ihre staatlichen Schulen | |
offenhalten und die Bevölkerung erfährt kaum, was geschieht. Manche | |
Geschäftsleute scheinen sich die Lizenzen sogar selbst verkauft zu haben, | |
indem sie nach dem Deal vom Verkäufer zum Käufer wechselten. | |
## Der Unternehmer: ein Deutscher | |
Im Jahr 2012 kaufte die Bergbaufirma Alphamin Resources PR4029 und PR4030 | |
für zwei Millionen US-Dollar sowie Aktien von einem Unternehmen namens | |
Gorrion Properties Limited. Alphamin, bekannt aus dem Zinnabbau im | |
Ostkongo, bekam 2013 einen deutschen Präsidenten und Geschäftsführer, | |
[7][Klaus Eckhof]. Kurz nachdem er 2014 das Unternehmen wieder verließ, | |
schrieb Alphamin die beiden Lizenzen als „wertlos“ ab. | |
Sie tauchten im Jahr 2016 wieder auf, als das in Dubai registrierte | |
Unternehmen Medidoc FZE, das nach eigenen Angaben in Alphamin investiert | |
hatte, sie an AVZ verkaufte. Nach Angaben des Firmenregisters der | |
Wirtschaftszone Ras Al Khaimah in Dubai ist das Geschäftsfeld von Medidoc | |
„Handel mit medizinischen und chirurgischen Artikeln“. | |
Es ist auf Anhieb schwer zu verstehen, wie eine solche Firma die Rechte an | |
zwei der wichtigsten Lithium-Lagerstätten der Welt erwerben und | |
weiterverkaufen konnte. Doch Medidocs Manager war damals der Pole Andreas | |
Friedrich Reitmeier, ein langjähriger Geschäftspartner von Klaus Eckhof. | |
Als 2016 AVZ die beiden Lizenzen von Medidoc kaufte, war Klaus Eckhof der | |
Chief Executive von AVZ. Im Juni 2018 verließ Klaus Eckhof AVZ. | |
Im Juni 2019 ging er zur in Frankfurt registrierten Bergbaugesellschaft AJN | |
Resources, sein ehemaliger Alphamin-Kollege Mark Gasson wurde dort Chief | |
Financial Officer. AJN Resources, vertreten durch Eckhof, unterzeichnete | |
einen Vertrag mit dem kongolesischen Staat, vertreten durch die Ministerien | |
für Bergbau und Staatsbesitz, unter anderem über nicht näher benannte | |
Bergbaukonzessionen in Manono. | |
Von Januar 2022 bis Juni 2023 war Klaus Eckhof bei der rivalisierenden | |
Firma Tantalex Lithium Resources aus Kanada. Diese hält die Rechte an elf | |
Abraumhalden – Erdmassen, die bei Bergbauaktivitäten nach der Extraktion | |
von Rohstoffen übrigbleiben – die sich teilweise auf dem Lizenzgebiet | |
PR13359 befinden, direkt über den von AVZ nachgewiesenen Lithium-Vorkommen. | |
Die Abraumhalden aus dem früheren Zinnabbau von Manono enthalten ebenfalls | |
viel Lithium, das früher niemanden interessierte. Tantalex schätzt die | |
Menge lithiumhaltiger Erde in seinen Halden auf 105 Millionen Tonnen. Die | |
kanadische Firma hält seit November 2021 über ein Joint Venture mit einer | |
kongolesischen Staatsfirma zwei weitere Explorationskonzessionen direkt | |
neben der von AVZ. Im vergangenen Jahr kündigte Tantalex erste Bohrungen | |
an: „Das wird groß!“, schrieb die Firma in ihrem Newsletter. | |
Auf Anfrage nennt Eckhof die vielen Transfers von Bergbaurechten samt der | |
dazugehörigen Pflichten einen „normalen Vorgang im Explorationsgeschäft“. | |
Eckhof erklärt die Problematik von Bergbauinvestitionen in einem Land wie | |
Kongo, wo keine Infrastruktur bereitsteht und nur wenige Akteure sich | |
engagieren: „Aufgrund schwankender Rohstoffpreise werden Projekte im Laufe | |
der Zeit wertlos und Risikokapital ist nicht verfügbar. Deswegen veräußern | |
und erwerben Unternehmen Projekte ständig.“ | |
Auch Andreas Friedrich Reitmeier, der frühere Geschäftspartner von Eckhof, | |
erläutert auf Anfrage, das Problem sei, dass in der DR Kongo, einem | |
„Hochrisikoland“, nur wenige Geldgeber zu den notwendigen Großinvestitionen | |
bereitstünden. „Für jedes Projekt sind Milliarden an Infrastruktur zu | |
stemmen.“ | |
Aber normalerweise müsste jeweils klar sein, wer der momentane Besitzer | |
ist. In der DR Kongo ist derzeit aber völlig unklar, wer genau welche | |
Rechte an welchen Lithiumvorkommen von Manono hält. Der staatliche | |
kongolesische Partner Cominière beansprucht mittlerweile die wichtigste | |
Lizenz PR13359 zu 100 Prozent, und so ist es aktuell auch im staatlichen | |
Bergbaukataster eingetragen. Aber AVZ beansprucht weiterhin einen | |
75-Prozent-Anteil an dem Joint-Venture Dathcom, das es einst mit Cominière | |
und einem chinesisch geführten Unternehmen gegründet hatte. | |
## Der Abbau ist vorerst blockiert | |
Ob dieses Joint-Venture überhaupt noch in der ursprünglichen Form | |
existiert, ist unklar. Cominière bezeichnet AVZ als „ehemaligen“ Partner. | |
Auch AJN meldet nach wie vor Interesse an Manono an, Tantalex sowieso. Es | |
gibt Berichte über Ministerialdekrete, die später wieder annulliert worden | |
seien, ein internationales Schiedsverfahren läuft, der Ausgang ist offen. | |
Damit ist der Lithiumabbau vorerst blockiert, ebenso viele Vorarbeiten und | |
Prüfungen. Und von dem Geld, das die Unternehmen dafür bereits ausgeben | |
mussten, landet so gut wie nichts bei den Menschen vor Ort. | |
In der riesigen Zinnerzgrube Roche Dure haben bereits Testbohrungen | |
stattgefunden. Pumpen und Generatoren von AVZ pumpen Wasser ab. Die | |
zukünftige AVZ-Zentrale „Camp Colline“ hat einen modernen Sitzungsraum, | |
eine Kantine mit Trinkwasser, es entstehen Häuser für die zukünftige | |
Belegschaft. Die Erwartungen der Kongolesen sind groß. Ob Arbeiter, | |
Staatsbeamten, Lehrer oder Aktivisten: die Rede ist von Tausenden neuen | |
Arbeitsplätzen, einem neuen Krankenhaus, neuen Straßen, sogar bis in die | |
ferne Millionenstadt Lubumbashi. | |
Die staatliche kongolesische Cominière insistiert, eine Batteriefabrik in | |
der DR Kongo sei sinnvoll. Schon werden in Manono entsprechende T-Shirts | |
getragen. Die Älteren denken nostalgisch an die „guten Zeiten“ zurück, die | |
belgische Kolonialzeit, als es Arbeit und medizinische Versorgung gegeben | |
habe. | |
Was die Menschen vor Ort erwarten, hat wenig damit zu tun, was die | |
Bergbaufirmen tatsächlich planen. Batterien werden nicht dort hergestellt, | |
wo die Erze gefördert werden, sondern dort, wo die Autos zusammengebaut | |
werden, also in China, Japan oder Südkorea. Die Anzahl der Arbeitsplätze | |
vor Ort in den Minen dürfte dreistellig sein. | |
AVZ-Direktor Nigel Ferguson, der australische Nachfolger von Klaus Eckhof, | |
spricht von 300 Bauarbeiterjobs, 150 Dauerarbeitsplätzen in der Mine und | |
200 bis 300 befristeten Arbeitsplätzen für Dinge wie Straßenunterhalt. | |
Doch bis es so weit ist, warten große Herausforderungen. Kongos | |
Lithiumvorkommen befinden sich in Hartgestein, sogenanntem Pegmatit. Das | |
Gestein wird zerkleinert, die Bestandteile mit einem möglichst hohen Gehalt | |
des Lithiumminerals Spodumen werden bei über 1.000 Grad geröstet – ein sehr | |
energieintensiver Prozess – und danach mit Schwefelsäure transformiert. Am | |
Ende gewinnt man Lithiumsulfat mit einem Lithiumgehalt von 80 Prozent – das | |
kann exportiert werden, für die Weiterverarbeitung. Es bleiben auch | |
zahlreiche andere Rohstoffe und Rückstände. | |
AVZ würde jährlich für seine geplante Lithiumsulfatraffinerie in Manono | |
41.175 Tonnen Schwefelsäure brauchen. Schwefelsäurentransporte für den | |
Bergbau haben in der DR Kongo schon mehrfach verheerende Unfälle | |
angerichtet; so starben im Jahr 2019 18 Menschen, als ein | |
Schwefelsäuren-Lkw für die Kobaltmine Mutanda auf der Straße umkippte. Der | |
Transport von Schwefelsäure über lange Strecken sei „teuer und gefährlich�… | |
gibt AVZ in seiner Machbarkeitsstudie für Manono zu. | |
„Wir kennen die Folgen dieser Ausbeutung nicht“, sagt Esther, Mutter von | |
sechs Kindern und lokale Radiomoderatorin. „Vielleicht verseucht sie das | |
Wasser. Sie könnte Menschen töten. Sie wird unsere Umwelt zerstören. Wir | |
werden darunter leiden.“ | |
Der Abbau des Zinnerzes Kassiterit und des Tantalerzes Coltan in Manono | |
findet auf kleinerem Niveau statt: nicht industriell mit großen | |
Fördermaschinen, sondern händisch mit Spitzhacken und Schaufeln. Aber auch | |
er hat die Seen und Flüsse der Gegend verseucht. Ärzte sprechen von vielen | |
Krankheiten durch verschmutztes Wasser. | |
## Die Wasserversorgung ist bedroht | |
Auf Nachfrage weiß in Manono niemand, was Lithium für die Wasserversorgung | |
in Manono bedeuten könnte. Lazare Mwilambwe, ein Menschenrechtsaktivist in | |
der Stadt Kalemie, macht sich Sorgen: „Kongos Arbeitsgesetz verpflichtet | |
Bergbauförderer, nicht nur das Wohlergehen ihrer Belegschaft zu wahren, | |
sondern auch die Bedürfnisse der Gemeinschaft in einem | |
Konsultationsdokument festzuhalten“, erklärt er. So müssten Bohrlöcher | |
abgedichtet sein, damit sie nicht das Grundwasser vergiften. | |
Aber Satellitenbilder erster AVZ-Bohrungen aus dem Jahr 2021 zeigen | |
scheinbar offene Bohrlöcher. „Das ist ein Sicherheitsrisiko“, sagt Steven | |
Emerman, Spezialist für Umweltverträglichkeit von Bergbau bei Malach | |
Consulting. Kontaminiertes Oberflächenwasser könne über Bohrlöcher das | |
Grundwasser erreichen. „Bohrlöcher nicht wieder abzudichten zeugt von einem | |
sehr hohen Ausmaß von Verantwortungslosigkeit. Es ist sehr schwer | |
vorstellbar, dass auf so verantwortungslose Exploration eine | |
verantwortungsbewusste Förderung folgen kann.“ | |
Manche Wohnhäuser befinden sich bloß 800 Meter vom bestehenden ehemaligen | |
Tagebau Roche Dure entfernt, das ehemalige Krankenhaus und die Kathedrale | |
der Stadt nur drei Kilometer. Es ist auch nicht klar, wie AVZ mit den | |
Abfallprodukten des Bergbaus und des Schwefelsäureverbrauchs umzugehen | |
gedenkt. Eine geplante Müllhalde von 1,8 Kilometer Länge überlappt sich mit | |
Wohngebieten und scheint das Gebiet zu bedecken, wo sich nach Angaben von | |
Bewohnern die einzige Trinkwasserquelle von Manono befindet. | |
Der geplante Abraumhalden-Damm liegt nur vier Kilometer von der Stadt, es | |
gibt in der Machbarkeitsstudie keinen Plan für seine Überwachung und | |
Unterhaltung und keine Simulation der Auswirkungen eines Dammbruchs. Solche | |
Ereignisse können dramatische Folgen haben, wie beim Bruch des Damms der | |
Eisenerzmine Brumadinho in Brasilien 2019, der über 270 Tote forderte. | |
AVZ sagt, seine Rückstände würden säurefrei sein, und die Schwefelsäure, | |
die das Lithium aus den Felsen löst, werde beim Abfluss durch die | |
Kalkfelsen neutralisiert. Doch Testergebnisse werden nicht vorgelegt, und | |
ob die Felsen dann säurehaltig sind, wird nicht analysiert. Experte Emerman | |
fällt über die Machbarkeitsstudie ein vernichtendes Urteil: „Sie liest sich | |
wie etwas, was jemand in großer Eile geschrieben hat, ohne Sachkenntnis, | |
wie der faulste Student, der am letzten Abend vor der Abgabe damit anfängt. | |
Ist das wirklich alles, was Kongos Gesetze einfordern, oder Australiens | |
Börsenrichtlinien?“ | |
Eine öffentliche Fassung der Machbarkeitsstudie liegt nicht vor, sie soll | |
aber laut AVZ von Kongos Bergbauministerium gebilligt worden sein. Ohne die | |
Studien kann die lokale Gemeinschaft die Risiken und möglichen Auswirkungen | |
des Bergbauprojekts nicht kennen, auch nicht die Aktivitäten der Firma | |
bewerten. | |
Bei Tantalex, dem Konkurrenten, sieht es nicht besser aus. Die gesetzlich | |
vorgeschriebenen Machbarkeits-, Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudien | |
für seine Explorationsgebiete liegen noch nicht vor. Niemand in Manono hat | |
die gesetzlich ebenfalls erforderliche Vereinbarung mit der lokalen | |
Gemeinschaft gesehen, das sogenannte Cahier de charges. | |
## Das versprochene Krankenhaus ist ein kleines Zimmer | |
Das Unternehmen hat eine Stiftung in Manono versprochen und sagt, es | |
finanziere in der Stadt ein Krankenhaus. Der Chefarzt dieses Krankenhauses | |
erklärt sich zur Führung bereit. Sie geht durch den Hauptflur, wo über | |
Betten mit Patienten drin die Decke gerade herunterfällt, in einen von | |
Tantalex gespendeten Bereich: ein kleines, feuchtes Zimmer ohne Tür mit | |
zwei Betten ohne Moskitonetze, einem Plastiktisch und einem leeren Regal. | |
Seit diesem Besuch wurden die Patienten in ein neues staatliches | |
Krankenhaus in der Nähe der AVZ-Zentrale verlegt, wo Tantalex nach Angaben | |
von Ärzten einige Medikamente bezahlt. Man habe ein Chirurgenteam nach | |
Manono geschickt, erklärt Eric Allard von Tantalex auf Anfrage: „Wir sorgen | |
uns um die Wohlfahrt der Gemeinschaften in Manono und die positive | |
Auswirkung, die unsere Projekte in dem Gebiet auf die Bevölkerung haben | |
können.“ | |
AVZ und Dathcom sagen, dass sie viel Gemeinschaftsarbeit mit der lokalen | |
Bevölkerung machen. Es gibt Videos von Versammlungen. Aber die | |
Presseerklärungen, Studien und Firmenberichte gibt es nur auf Englisch – | |
nicht einmal auf Französisch, geschweige denn in den lokalen Sprachen | |
Swahili oder Kiluba. | |
Während die Bergbaurechte zwischen Firmen hin- und hergeschoben werden und | |
die kongolesischen Behörden der Bevölkerung Informationen vorenthalten, | |
bleibt die Bevölkerung von Manono auf sich gestellt. Die lokalen Schürfer, | |
die mit der Hacke Kassiterit und Coltan aus dem Boden holen, fürchten um | |
ihre Zukunft, wenn die industrielle Förderung beginnt – ihre handgegrabenen | |
Minen befinden sich zum Großteil auf den Konzessionsgebieten der | |
Lithiumförderer. | |
„Das Lithium liegt in unserer Erde“, sagt Radiojournalistin Esther. „Die | |
jungen Menschen in Manono haben jedes Recht, sich zu beschweren. Mehrere | |
Firmen bereichern sich an unserer Erde, aber wir stecken im Elend. Die | |
Ausländer graben nicht selber, aber sie profitieren am meisten. Sie kommen | |
und lassen uns wie Sklaven schuften.“ | |
Übersetzung und Mitarbeit: Dominic Johnson | |
Der Text entstand im Rechercheprojekt „The Lithium Diaries“ des | |
Recherchekollektivs The Rock Pool, das Investigativjournalisten, Experten, | |
Künstler und zivilgesellschaftliche Akteure aus Europa und Afrika | |
zusammenführt. Sophia Pickles ist Koordinatorin der überparteilichen | |
Arbeitsgruppe zum Afrika der Großen Seen im britischen Parlament und war | |
Mitglied der UN-Expertengruppe zur Überwachung der Sanktionen gegen | |
bewaffnete Gruppen in der DR Kongo. Die Recherche wurde gefördert von | |
Journalism Fund Europe, Netzwerk Recherche und der gemeinnützigen | |
Umwelt-Förderorganisation Olin gGmbH. | |
15 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Krieg-im-Kongo/!5441270 | |
[2] https://www.globalwitness.org/en/campaigns/natural-resource-governance/rene… | |
[3] /Unmenschliche-Rohstoffgewinnung-im-Kongo/!5179476 | |
[4] https://avzminerals.com.au/manono-mine | |
[5] https://avzminerals.com.au/manono-extension | |
[6] https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Demokratische%20Republik%2… | |
[7] /Umstrittene-Geschaefte-in-Zentralafrika/!5693175 | |
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