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# taz.de -- Lithium-Abbau in Kongo: Kampf um das weiße Gold
> In der Demokratischen Republik Kongo liegen große Mengen unerschlossenes
> Lithium. Westliche Firmen wollen sie heben. Das Risiko trägt die
> Bevölkerung.
Manono taz | Es ist neun Uhr abends in Manono. In der Dunkelheit rennen
Schulkinder nach Hause, vorbei an Hütten mit Dächern aus Bananenblättern
und der kleinen Kathedrale aus roten Ziegelsteinen. Die Schatten tanzen
zwischen Palmen und Mangobäumen in den grellen Lichtern der Motorräder.
Beim Frisiersalon in einer Seitenstraße herrscht Hochbetrieb. Die jungen
Männer sprechen über das Neueste in der Stadt: die Lithium-Mine, die die
alte [1][Bergbaustadt Manono] im Südosten der Demokratischen Republik Kongo
zu neuer Blüte führen soll.
Unter Investoren, Geologen und Bergbauunternehmern hat Manono einen
legendären Ruf: Das „weiße Gold“, wie Lithium hier wegen seiner Farbe und
seines Wertes genannt wird, findet sich hier in einer der größten noch
unerschlossenen Erzreserven der Welt. Für kaum ein anderes Metall steigt
derzeit die globale Nachfrage so stark, Märkte wie China und Deutschland
suchen nach Lithium für Akkus in Elektroautobatterien.
Im Jahr 2021 wurden weltweit 100.000 Tonnen Lithium gefördert – die
Nachfrage dürfte bis 2030 zwei bis drei Millionen Tonnen pro Jahr
erreichen. Lithium soll die globale Energiewende powern. Kongo kann dabei
[2][eine zentrale Rolle spielen]. Wird die schöne neue Elektrowelt auch
Manono erreichen, tief in der Savanne Zentralafrikas, fern von jeder
modernen Infrastruktur?
Carlos, der gerade im Frisierstuhl sitzt, ist aus Kongos Hauptstadt
Kinshasa 1.400 Kilometer nach Manono gezogen, um Arbeit zu finden. „Ihr
wollt uns filmen?“, fragt er. „Okay. Aber der Präsident muss das Video zu
sehen bekommen. In dieser Stadt gibt es nichts zu essen, nicht mal Gemüse
für unsere Familien.“
## Nur die Schürfer sind geblieben
Manono ist eine alte Bergbaustadt aus der belgischen Kolonialzeit, mit
[3][Zinnbergbau] ab 1919. Nach der Unabhängigkeit 1960 wurde kaum noch
investiert. Der industrielle Abbau des Zinnerzes Kassiterit kam 1982 zum
Erliegen, in den Kongokriegen von 1996 bis 2003 wurde Manono größtenteils
zerstört. Ein Mechaniker beschreibt, wie die Stadt damals bombardiert,
ausgeplündert und angezündet wurde und die Bewohner flohen. Nur Schürfer
blieben, die in den verlassenen Minen um die Stadt nach Zinn und Tantal
gruben.
Das alte Zentralkrankenhaus von Manono war vor seiner Schließung in diesem
Jahr in einem dramatisch schlechten Zustand. Sieben Labortechniker teilten
sich ein Mikroskop. Patienten lagen auf dem Betonboden des Innenhofs, neben
ihnen ihre Familien, die ihnen in der schweren Tropenluft Frischluft
zufächelten. Malaria ist die Todesursache Nummer eins, erzählte der
Chefarzt. Die Stationen waren voller unterernährter Kinder.
Die gesamte Stadt Manono mit einigen zehntausend Einwohnern hat weniger als
drei Kilometer Straße. Nur Schlammwege verbinden die Stadt mit dem Rest der
Welt, sie sind nur für Motorräder passierbar. Lastwagen mit Waren wie
Medikamente brauchen für die rund 430 Kilometer aus der fernen
Provinzhauptstadt Kalemie am Tanganyika-See mit ihrem Hafen bis nach Manono
über zwei Wochen. Bis die Waren ankommen, kosten sie das Doppelte.
Sechs Uhr abends, die Motorradtaxifahrer an der Kreuzung nahe dem
Krankenhaus räkeln sich auf ihren Satteln. Sie warten auf Kundschaft: die
Bauarbeiter der Bergbaufirma AVZ Minerals Limited. Das australische
Unternehmen will das Lithium von Manono fördern. Lokale Arbeiter bauen das
„Camp Colline“, wo die AVZ-Zentrale entsteht. Jeden Abend werden sie in
ihren blauen Uniformen, weißen Gummistiefeln und Schutzhelmen an der
Kreuzung abgesetzt, um ein Motorrad nach Hause zu nehmen.
„Manono ist ein geologischer Skandal“, sagt Abbé Moise Kiluba, ein
katholischer Priester in Manono und Koordinator der zivilgesellschaftlichen
Gruppe „Forces Vives“. Er kommt aus der Stadt und kämpft für bessere
Arbeits- und Lebensbedingungen für die Menschen. „So viele Mineralien sind
seit der Kolonialzeit noch nicht abgebaut worden“, erklärt er. „Nicht nur
Kassiterit. Es gibt Lithium, Galena, Kupfer, Coltan, grünen Turmalin, roten
Granat, Smaragde, Mangan.“ Aber „die Bevölkerung ist ausgegrenzt, es
herrscht eine Politik der Gier“.
Das „[4][Manono Project]“ zielt auf eines der größten
Hartgestein-Lithiumvorkommen der Welt. Das geplante Fördergebiet „Manono
Project“ umfasst 188 Quadratkilometer im Lizenzgebiet PR13359, an dem AVZ
2017 eine 60-Prozent-Beteiligung erwarb. Die Stadt Manono liegt mitten in
diesem Gebiet. Rund um PR13359 gibt es weitere 242,25 Quadratkilometer
Explorationsgebiet in den zwei Lizenzgebieten PR4029 und PR4030, das
sogenannte [5][Manono Extension Project], das AVZ kurz vorher zu 100
Prozent erwarb.
AVZ schätzt die Ressource von PR13359 auf 400 Millionen Tonnen Erde mit
einem Lithiumoxidgehalt von 1,65 Prozent und will davon innerhalb von 29,5
Jahren ein Drittel abbauen. Dafür müsste Kongos Staat die
Explorationslizenzen (PR – Permis de Recherche), die lediglich die Suche
nach Rohstoffen erlauben, in Bergbaulizenzen (PE – Permis d’Exploitation)
umwandeln, die den Abbau und Verkauf der Rohstoffe erlauben. Hier wird es
kompliziert.
Seit 2010 haben die lithiumreichen [6][Bergbaugebiete um Manono] immer
wieder den Lizenzbesitzer gewechselt. Wie ein chaotisches Speed-Dating,
abwechselnd mit bitteren Trennungsstreitigkeiten, haben auswärtige Akteure
mit Geld und Connections um diese Minen spekuliert, Deals gemacht, sich
zerstritten, ihre Geschäftspartner gewechselt, ihre ehemaligen Partner
verklagt und dabei viel Geld hin- und hergeschoben.
Derweil kann die Stadt Manono nicht mal ihre staatlichen Schulen
offenhalten und die Bevölkerung erfährt kaum, was geschieht. Manche
Geschäftsleute scheinen sich die Lizenzen sogar selbst verkauft zu haben,
indem sie nach dem Deal vom Verkäufer zum Käufer wechselten.
## Der Unternehmer: ein Deutscher
Im Jahr 2012 kaufte die Bergbaufirma Alphamin Resources PR4029 und PR4030
für zwei Millionen US-Dollar sowie Aktien von einem Unternehmen namens
Gorrion Properties Limited. Alphamin, bekannt aus dem Zinnabbau im
Ostkongo, bekam 2013 einen deutschen Präsidenten und Geschäftsführer,
[7][Klaus Eckhof]. Kurz nachdem er 2014 das Unternehmen wieder verließ,
schrieb Alphamin die beiden Lizenzen als „wertlos“ ab.
Sie tauchten im Jahr 2016 wieder auf, als das in Dubai registrierte
Unternehmen Medidoc FZE, das nach eigenen Angaben in Alphamin investiert
hatte, sie an AVZ verkaufte. Nach Angaben des Firmenregisters der
Wirtschaftszone Ras Al Khaimah in Dubai ist das Geschäftsfeld von Medidoc
„Handel mit medizinischen und chirurgischen Artikeln“.
Es ist auf Anhieb schwer zu verstehen, wie eine solche Firma die Rechte an
zwei der wichtigsten Lithium-Lagerstätten der Welt erwerben und
weiterverkaufen konnte. Doch Medidocs Manager war damals der Pole Andreas
Friedrich Reitmeier, ein langjähriger Geschäftspartner von Klaus Eckhof.
Als 2016 AVZ die beiden Lizenzen von Medidoc kaufte, war Klaus Eckhof der
Chief Executive von AVZ. Im Juni 2018 verließ Klaus Eckhof AVZ.
Im Juni 2019 ging er zur in Frankfurt registrierten Bergbaugesellschaft AJN
Resources, sein ehemaliger Alphamin-Kollege Mark Gasson wurde dort Chief
Financial Officer. AJN Resources, vertreten durch Eckhof, unterzeichnete
einen Vertrag mit dem kongolesischen Staat, vertreten durch die Ministerien
für Bergbau und Staatsbesitz, unter anderem über nicht näher benannte
Bergbaukonzessionen in Manono.
Von Januar 2022 bis Juni 2023 war Klaus Eckhof bei der rivalisierenden
Firma Tantalex Lithium Resources aus Kanada. Diese hält die Rechte an elf
Abraumhalden – Erdmassen, die bei Bergbauaktivitäten nach der Extraktion
von Rohstoffen übrigbleiben – die sich teilweise auf dem Lizenzgebiet
PR13359 befinden, direkt über den von AVZ nachgewiesenen Lithium-Vorkommen.
Die Abraumhalden aus dem früheren Zinnabbau von Manono enthalten ebenfalls
viel Lithium, das früher niemanden interessierte. Tantalex schätzt die
Menge lithiumhaltiger Erde in seinen Halden auf 105 Millionen Tonnen. Die
kanadische Firma hält seit November 2021 über ein Joint Venture mit einer
kongolesischen Staatsfirma zwei weitere Explorationskonzessionen direkt
neben der von AVZ. Im vergangenen Jahr kündigte Tantalex erste Bohrungen
an: „Das wird groß!“, schrieb die Firma in ihrem Newsletter.
Auf Anfrage nennt Eckhof die vielen Transfers von Bergbaurechten samt der
dazugehörigen Pflichten einen „normalen Vorgang im Explorationsgeschäft“.
Eckhof erklärt die Problematik von Bergbauinvestitionen in einem Land wie
Kongo, wo keine Infrastruktur bereitsteht und nur wenige Akteure sich
engagieren: „Aufgrund schwankender Rohstoffpreise werden Projekte im Laufe
der Zeit wertlos und Risikokapital ist nicht verfügbar. Deswegen veräußern
und erwerben Unternehmen Projekte ständig.“
Auch Andreas Friedrich Reitmeier, der frühere Geschäftspartner von Eckhof,
erläutert auf Anfrage, das Problem sei, dass in der DR Kongo, einem
„Hochrisikoland“, nur wenige Geldgeber zu den notwendigen Großinvestitionen
bereitstünden. „Für jedes Projekt sind Milliarden an Infrastruktur zu
stemmen.“
Aber normalerweise müsste jeweils klar sein, wer der momentane Besitzer
ist. In der DR Kongo ist derzeit aber völlig unklar, wer genau welche
Rechte an welchen Lithiumvorkommen von Manono hält. Der staatliche
kongolesische Partner Cominière beansprucht mittlerweile die wichtigste
Lizenz PR13359 zu 100 Prozent, und so ist es aktuell auch im staatlichen
Bergbaukataster eingetragen. Aber AVZ beansprucht weiterhin einen
75-Prozent-Anteil an dem Joint-Venture Dathcom, das es einst mit Cominière
und einem chinesisch geführten Unternehmen gegründet hatte.
## Der Abbau ist vorerst blockiert
Ob dieses Joint-Venture überhaupt noch in der ursprünglichen Form
existiert, ist unklar. Cominière bezeichnet AVZ als „ehemaligen“ Partner.
Auch AJN meldet nach wie vor Interesse an Manono an, Tantalex sowieso. Es
gibt Berichte über Ministerialdekrete, die später wieder annulliert worden
seien, ein internationales Schiedsverfahren läuft, der Ausgang ist offen.
Damit ist der Lithiumabbau vorerst blockiert, ebenso viele Vorarbeiten und
Prüfungen. Und von dem Geld, das die Unternehmen dafür bereits ausgeben
mussten, landet so gut wie nichts bei den Menschen vor Ort.
In der riesigen Zinnerzgrube Roche Dure haben bereits Testbohrungen
stattgefunden. Pumpen und Generatoren von AVZ pumpen Wasser ab. Die
zukünftige AVZ-Zentrale „Camp Colline“ hat einen modernen Sitzungsraum,
eine Kantine mit Trinkwasser, es entstehen Häuser für die zukünftige
Belegschaft. Die Erwartungen der Kongolesen sind groß. Ob Arbeiter,
Staatsbeamten, Lehrer oder Aktivisten: die Rede ist von Tausenden neuen
Arbeitsplätzen, einem neuen Krankenhaus, neuen Straßen, sogar bis in die
ferne Millionenstadt Lubumbashi.
Die staatliche kongolesische Cominière insistiert, eine Batteriefabrik in
der DR Kongo sei sinnvoll. Schon werden in Manono entsprechende T-Shirts
getragen. Die Älteren denken nostalgisch an die „guten Zeiten“ zurück, die
belgische Kolonialzeit, als es Arbeit und medizinische Versorgung gegeben
habe.
Was die Menschen vor Ort erwarten, hat wenig damit zu tun, was die
Bergbaufirmen tatsächlich planen. Batterien werden nicht dort hergestellt,
wo die Erze gefördert werden, sondern dort, wo die Autos zusammengebaut
werden, also in China, Japan oder Südkorea. Die Anzahl der Arbeitsplätze
vor Ort in den Minen dürfte dreistellig sein.
AVZ-Direktor Nigel Ferguson, der australische Nachfolger von Klaus Eckhof,
spricht von 300 Bauarbeiterjobs, 150 Dauerarbeitsplätzen in der Mine und
200 bis 300 befristeten Arbeitsplätzen für Dinge wie Straßenunterhalt.
Doch bis es so weit ist, warten große Herausforderungen. Kongos
Lithiumvorkommen befinden sich in Hartgestein, sogenanntem Pegmatit. Das
Gestein wird zerkleinert, die Bestandteile mit einem möglichst hohen Gehalt
des Lithiumminerals Spodumen werden bei über 1.000 Grad geröstet – ein sehr
energieintensiver Prozess – und danach mit Schwefelsäure transformiert. Am
Ende gewinnt man Lithiumsulfat mit einem Lithiumgehalt von 80 Prozent – das
kann exportiert werden, für die Weiterverarbeitung. Es bleiben auch
zahlreiche andere Rohstoffe und Rückstände.
AVZ würde jährlich für seine geplante Lithiumsulfatraffinerie in Manono
41.175 Tonnen Schwefelsäure brauchen. Schwefelsäurentransporte für den
Bergbau haben in der DR Kongo schon mehrfach verheerende Unfälle
angerichtet; so starben im Jahr 2019 18 Menschen, als ein
Schwefelsäuren-Lkw für die Kobaltmine Mutanda auf der Straße umkippte. Der
Transport von Schwefelsäure über lange Strecken sei „teuer und gefährlich�…
gibt AVZ in seiner Machbarkeitsstudie für Manono zu.
„Wir kennen die Folgen dieser Ausbeutung nicht“, sagt Esther, Mutter von
sechs Kindern und lokale Radiomoderatorin. „Vielleicht verseucht sie das
Wasser. Sie könnte Menschen töten. Sie wird unsere Umwelt zerstören. Wir
werden darunter leiden.“
Der Abbau des Zinnerzes Kassiterit und des Tantalerzes Coltan in Manono
findet auf kleinerem Niveau statt: nicht industriell mit großen
Fördermaschinen, sondern händisch mit Spitzhacken und Schaufeln. Aber auch
er hat die Seen und Flüsse der Gegend verseucht. Ärzte sprechen von vielen
Krankheiten durch verschmutztes Wasser.
## Die Wasserversorgung ist bedroht
Auf Nachfrage weiß in Manono niemand, was Lithium für die Wasserversorgung
in Manono bedeuten könnte. Lazare Mwilambwe, ein Menschenrechtsaktivist in
der Stadt Kalemie, macht sich Sorgen: „Kongos Arbeitsgesetz verpflichtet
Bergbauförderer, nicht nur das Wohlergehen ihrer Belegschaft zu wahren,
sondern auch die Bedürfnisse der Gemeinschaft in einem
Konsultationsdokument festzuhalten“, erklärt er. So müssten Bohrlöcher
abgedichtet sein, damit sie nicht das Grundwasser vergiften.
Aber Satellitenbilder erster AVZ-Bohrungen aus dem Jahr 2021 zeigen
scheinbar offene Bohrlöcher. „Das ist ein Sicherheitsrisiko“, sagt Steven
Emerman, Spezialist für Umweltverträglichkeit von Bergbau bei Malach
Consulting. Kontaminiertes Oberflächenwasser könne über Bohrlöcher das
Grundwasser erreichen. „Bohrlöcher nicht wieder abzudichten zeugt von einem
sehr hohen Ausmaß von Verantwortungslosigkeit. Es ist sehr schwer
vorstellbar, dass auf so verantwortungslose Exploration eine
verantwortungsbewusste Förderung folgen kann.“
Manche Wohnhäuser befinden sich bloß 800 Meter vom bestehenden ehemaligen
Tagebau Roche Dure entfernt, das ehemalige Krankenhaus und die Kathedrale
der Stadt nur drei Kilometer. Es ist auch nicht klar, wie AVZ mit den
Abfallprodukten des Bergbaus und des Schwefelsäureverbrauchs umzugehen
gedenkt. Eine geplante Müllhalde von 1,8 Kilometer Länge überlappt sich mit
Wohngebieten und scheint das Gebiet zu bedecken, wo sich nach Angaben von
Bewohnern die einzige Trinkwasserquelle von Manono befindet.
Der geplante Abraumhalden-Damm liegt nur vier Kilometer von der Stadt, es
gibt in der Machbarkeitsstudie keinen Plan für seine Überwachung und
Unterhaltung und keine Simulation der Auswirkungen eines Dammbruchs. Solche
Ereignisse können dramatische Folgen haben, wie beim Bruch des Damms der
Eisenerzmine Brumadinho in Brasilien 2019, der über 270 Tote forderte.
AVZ sagt, seine Rückstände würden säurefrei sein, und die Schwefelsäure,
die das Lithium aus den Felsen löst, werde beim Abfluss durch die
Kalkfelsen neutralisiert. Doch Testergebnisse werden nicht vorgelegt, und
ob die Felsen dann säurehaltig sind, wird nicht analysiert. Experte Emerman
fällt über die Machbarkeitsstudie ein vernichtendes Urteil: „Sie liest sich
wie etwas, was jemand in großer Eile geschrieben hat, ohne Sachkenntnis,
wie der faulste Student, der am letzten Abend vor der Abgabe damit anfängt.
Ist das wirklich alles, was Kongos Gesetze einfordern, oder Australiens
Börsenrichtlinien?“
Eine öffentliche Fassung der Machbarkeitsstudie liegt nicht vor, sie soll
aber laut AVZ von Kongos Bergbauministerium gebilligt worden sein. Ohne die
Studien kann die lokale Gemeinschaft die Risiken und möglichen Auswirkungen
des Bergbauprojekts nicht kennen, auch nicht die Aktivitäten der Firma
bewerten.
Bei Tantalex, dem Konkurrenten, sieht es nicht besser aus. Die gesetzlich
vorgeschriebenen Machbarkeits-, Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudien
für seine Explorationsgebiete liegen noch nicht vor. Niemand in Manono hat
die gesetzlich ebenfalls erforderliche Vereinbarung mit der lokalen
Gemeinschaft gesehen, das sogenannte Cahier de charges.
## Das versprochene Krankenhaus ist ein kleines Zimmer
Das Unternehmen hat eine Stiftung in Manono versprochen und sagt, es
finanziere in der Stadt ein Krankenhaus. Der Chefarzt dieses Krankenhauses
erklärt sich zur Führung bereit. Sie geht durch den Hauptflur, wo über
Betten mit Patienten drin die Decke gerade herunterfällt, in einen von
Tantalex gespendeten Bereich: ein kleines, feuchtes Zimmer ohne Tür mit
zwei Betten ohne Moskitonetze, einem Plastiktisch und einem leeren Regal.
Seit diesem Besuch wurden die Patienten in ein neues staatliches
Krankenhaus in der Nähe der AVZ-Zentrale verlegt, wo Tantalex nach Angaben
von Ärzten einige Medikamente bezahlt. Man habe ein Chirurgenteam nach
Manono geschickt, erklärt Eric Allard von Tantalex auf Anfrage: „Wir sorgen
uns um die Wohlfahrt der Gemeinschaften in Manono und die positive
Auswirkung, die unsere Projekte in dem Gebiet auf die Bevölkerung haben
können.“
AVZ und Dathcom sagen, dass sie viel Gemeinschaftsarbeit mit der lokalen
Bevölkerung machen. Es gibt Videos von Versammlungen. Aber die
Presseerklärungen, Studien und Firmenberichte gibt es nur auf Englisch –
nicht einmal auf Französisch, geschweige denn in den lokalen Sprachen
Swahili oder Kiluba.
Während die Bergbaurechte zwischen Firmen hin- und hergeschoben werden und
die kongolesischen Behörden der Bevölkerung Informationen vorenthalten,
bleibt die Bevölkerung von Manono auf sich gestellt. Die lokalen Schürfer,
die mit der Hacke Kassiterit und Coltan aus dem Boden holen, fürchten um
ihre Zukunft, wenn die industrielle Förderung beginnt – ihre handgegrabenen
Minen befinden sich zum Großteil auf den Konzessionsgebieten der
Lithiumförderer.
„Das Lithium liegt in unserer Erde“, sagt Radiojournalistin Esther. „Die
jungen Menschen in Manono haben jedes Recht, sich zu beschweren. Mehrere
Firmen bereichern sich an unserer Erde, aber wir stecken im Elend. Die
Ausländer graben nicht selber, aber sie profitieren am meisten. Sie kommen
und lassen uns wie Sklaven schuften.“
Übersetzung und Mitarbeit: Dominic Johnson
Der Text entstand im Rechercheprojekt „The Lithium Diaries“ des
Recherchekollektivs The Rock Pool, das Investigativjournalisten, Experten,
Künstler und zivilgesellschaftliche Akteure aus Europa und Afrika
zusammenführt. Sophia Pickles ist Koordinatorin der überparteilichen
Arbeitsgruppe zum Afrika der Großen Seen im britischen Parlament und war
Mitglied der UN-Expertengruppe zur Überwachung der Sanktionen gegen
bewaffnete Gruppen in der DR Kongo. Die Recherche wurde gefördert von
Journalism Fund Europe, Netzwerk Recherche und der gemeinnützigen
Umwelt-Förderorganisation Olin gGmbH.
15 Aug 2023
## LINKS
[1] /Krieg-im-Kongo/!5441270
[2] https://www.globalwitness.org/en/campaigns/natural-resource-governance/rene…
[3] /Unmenschliche-Rohstoffgewinnung-im-Kongo/!5179476
[4] https://avzminerals.com.au/manono-mine
[5] https://avzminerals.com.au/manono-extension
[6] https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Demokratische%20Republik%2…
[7] /Umstrittene-Geschaefte-in-Zentralafrika/!5693175
## AUTOREN
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