| # taz.de -- Uranabbau in Niger: Da strahlt das Land | |
| > Niger ist der wichtigste Uranlieferant der EU. Der Abbau ist in | |
| > französischer Hand und wird weiter ausgebaut: Dieses Jahr gab es einen | |
| > neuen Vertrag. | |
| Bild: Der Vertrag der größten Uranmine in Niger am Rande der Stadt Arlit läu… | |
| Brüssel taz | Niger ist international von strategisch viel größerer | |
| Bedeutung als Mali oder Burkina Faso. Das liegt auch an seinen | |
| Bergbauressourcen. | |
| Nach den Daten der World Nuclear Association war Niger 2022 der | |
| sechstgrößte Uranproduzent der Welt, hinter Kasachstan, Kanada, Namibia, | |
| Australien und Russland. Seine auf 311.000 Tonnen geschätzten Uranreserven | |
| machen 5 Prozent der Weltreserven aus, gleichauf mit Südafrika und nur | |
| übertroffen von Australien, Kasachstan, Kanada und Namibia. Die EU | |
| insgesamt importierte im Jahr 2021 2.905 Tonnen Uran aus Niger, 24,3 | |
| Prozent ihrer Gesamtimporte; Niger lag damit an erster Stelle. 2022 kam ein | |
| Drittel des in Frankreich verwendeten Urans aus Niger. | |
| Nigers Uranförderung ist fest in französischer Hand. Die Firma Somair | |
| (Société des Mines de l’Air), die in der Saharawüste Nigers größte Uranm… | |
| am Rand der Stadt Arlit ausbeutet und einen Vertrag bis 2040 hat, gehört zu | |
| 63,4 Prozent der mehrheitlich [1][staatlichen französischen Orano-Gruppe], | |
| ehemals Areva. Die restlichen 36,6 Prozent gehören der nigrischen | |
| Staatsfirma Sopamin (Société du Patrimoine des Mines au Niger). | |
| Aus Arlit kamen 2021 über 90 Prozent des nigrischen Uranexports. Bei der | |
| chemischen Behandlung des uranhaltigen Gesteins vor Ort entsteht | |
| Urankonzentrat, das wegen seiner goldgelben Farbe „Yellow Cake“ genannt | |
| wird. Einmal im Monat rollt ein Lkw-Konvoi voller blauer Fässer mit jeweils | |
| 600 Kilogramm Yellow Cake von Arlit bis zum Hafen Cotonou in Benin 1.950 | |
| Kilometer weiter südlich. Dort werden sie nach Narbonne in Frankreich | |
| verschifft. | |
| ## Ein neuer Vertrag | |
| Seit dem Militärputsch in Niger am 26. Juli geht das alles nicht mehr. Die | |
| Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) hat Nigers Grenzen | |
| geschlossen, die Übergänge nach Benin sind dicht. Nigers Militärjunta hat | |
| den Luftraum gesperrt, Orano-Mitarbeiter können nicht mehr zwischen | |
| Frankreich und Niger reisen. | |
| Die Junta hat außerdem einen Uranexportstopp verfügt, wobei unklar ist, was | |
| das in der Praxis heißt. „Die aktuelle Krise hat keine kurzfristigen | |
| Auswirkungen auf die Lieferkapazitäten von Orano“, erklärte ein | |
| Unternehmenssprecher vor kurzem gegenüber AFP. Orano fördert auch in | |
| anderen Ländern. | |
| Erst am 4. Mai, wenige Monate vor dem Putsch, unterschrieb Orano mit Nigers | |
| damaliger Regierung ein neues Partnerschaftsabkommen. Die vor zwei Jahren | |
| stillgelegte Mine Cominak (Compagnie Minière d’Akokan) südwestlich der Mine | |
| Somair soll saniert werden, und vor allem soll Orano die zweite große | |
| Uranreserve Nigers neben denen um Arlit neu in Angriff nehmen: Imouraren, | |
| das zwischen Arlit und Agadez liegt und dessen Uranreserven auf über | |
| 213.000 Tonnen geschätzt werden. | |
| Orano hält daran gemeinsam mit südkoreanischen Investoren 66,65 Prozent, | |
| der nigrische Staat den Rest. Oranos Vorgänger Areva erwarb die | |
| Förderrechte dort bereits 2009, aber nach ersten Bohrungen wurde die Arbeit | |
| 2014 eingefroren. | |
| Im neuen Abkommen hat sich Orano nun verpflichtet, mit Investitionen von 85 | |
| Millionen Euro die Machbarkeit der Uranförderung in Imouraren zu prüfen, um | |
| bis 2028 eine Entscheidung darüber treffen zu können. Aus Imouraren sollen | |
| 35 Jahre lang 5.000 Tonnen Uran pro Jahr kommen, viel mehr als aus den | |
| Minen von Arlit. Orano soll ab 2030 außerdem jährlich 40 Millionen Euro für | |
| Sozialprojekte ausgeben. | |
| Die teuren und langen Prüfungen haben damit zu tun, dass in Imouraren eine | |
| neue Fördermethode geplant ist, nämlich die Injektion von Säure in die | |
| uranhaltigen Böden, um das Mineral herauswaschen zu können. Dies wird als | |
| moderne Alternative zum Tagebau gepriesen, wie er in den Somair-Minen von | |
| Arlit betrieben wird. Aber Umweltschützer fürchten eine radioaktive | |
| Belastung der Böden und des Grundwassers. | |
| Vier Jahrzehnte Uranabbau bei Arlit und dem Nachbarort Akokan haben dort | |
| aber heftige Spuren hinterlassen: 35 Meter hohe Abraumhalden auf einer | |
| Fläche von 120 Hektar, insgesamt 20 Millionen Tonnen Geröll. Oranos Filiale | |
| Cominak hat zwar zugesagt, zehn Jahre lang das Gelände mit Ausgaben von 150 | |
| Millionen Euro zu säubern, gefolgt von mindestens fünf Jahre | |
| Umweltüberwachung. Aber Umweltschützer bezweifeln, dass das genügt. | |
| ## Die Folgen des Uranabbaus | |
| Die Abraumhalden „sind radioaktiv“, sagt der Chef der Minenabteilung des | |
| Departments Arlit, Bassirou Babalé, und warnt von Radon-Gaskonzentrationen | |
| in der Stadt Arlit. Die Gesundheitsbehörde Osra (Observatoire de la santé | |
| de la région d’Agadez), die seit 2012 die Gesundheit ehemaliger | |
| Beschäftigter von Somair und Cominak verfolgt, hat unter 2.000 Personen 10 | |
| auf radioaktive Verseuchung zurückzuführende Berufserkrankungen | |
| festgestellt. | |
| Der nigrische Dokumentationsfilm „La Colère dans le vent“ (Wut im Wind) | |
| wies 2016 eine Häufung von Krebserkrankungen, Lungenerkrankungen und | |
| Missbildungen bei Neugeborenen nach, ebenso Viehsterben dort, wo der Wind | |
| radioaktiven Staub hinträgt. Aus dem Abraum der Uranminen seien Häuser | |
| gebaut worden, die verseucht seien, sagten Anwohner aus; die | |
| Diemenbelegschaft bekäme Mineralwasser zu trinken, die Anwohnerinnen | |
| müssten das verseuchte Grundwasser nutzen. Der Film wurde in französischen | |
| Instituten weltweit gezeigt – nicht aber in Nigers Hauptstadt Niamey, wo | |
| Frankreichs Botschaft sich querstellte. | |
| „Mit Nigers Uran bekommt Frankreich Strom und Geschäfte, Niger bekommt | |
| Verschmutzung und Radioaktivität“, sagt ein französischer Bergbauingenieur | |
| der taz. Unter diesen Umständen ist die gute Zusammenarbeit zwischen Nigers | |
| wechselnden Regierungen und Frankreichs Uranförderern problematisch. Niger | |
| profitiert trotz mehrerer Nachverhandlungen für bessere Preise sehr wenig | |
| vom Uran – nur 5 Prozent des Staatshaushalts, ärgerte sich 2014 Nigers | |
| damaliger Präsident Mahamadou Issoufou. | |
| Nigrischen Exilberichten zufolge war der gewählte und mittlerweile | |
| gestürzte Präsident Mohamed Bazoum skeptisch gegenüber dem neuen Abkommen | |
| mit Orano. Er ließ es im Mai von seinem Premierminister Mahamoudou | |
| Ouhoumoudou unterzeichnen, während er nach London zur Krönungsfeier für | |
| Charles III. flog. Seine Skepsis bezog sich auch auf die neue | |
| Fördermethode. | |
| ## Chinas Interessen in Niger | |
| Kritik gibt es aber auch daran, dass Orano mit dem neuen Vertrag nun | |
| Imouraren erstmal brachliegen lassen darf. Denn ein anderer großer Abnehmer | |
| drängt längst nach Niger: China. 2007 wurde die staatliche chinesische | |
| Nukleargesellschaft CNNC (China National Nuclear Company) Hauptaktionär des | |
| Joint Ventures Somina (Société des Mines d’Azelik) mit 37,2 Prozent der | |
| Anteile, vor Nigers Regierung mit 33 Prozent sowie anderen Firmen aus China | |
| und Südkorea. | |
| Azelik, westlich der Handelsstadt Agadez gelegen, soll bis zu 10.000 Tonnen | |
| Uranreserven halten. Die kanadische Uranfirma Goviex will die etwas | |
| größeren Uranreserven von Madaouela nahe Arlit entwickeln, die ebenfalls | |
| kanadische Global Atomic die mit 39.500 Tonnen noch größeren Reserven von | |
| Dasa 100 Kilometer südlich. | |
| China interessiert sich auch für einen anderen Rohstoff in Niger: Öl. | |
| Aktuell fördert Niger lediglich 20.000 Barrel Rohöl pro Tag, zumeist in | |
| Agadem im Osten des Landes, wo [2][die chinesische PetroChina] tätig ist. | |
| Aber im April 2023 verkündete der Ölminister der jetzt gestürzten | |
| Regierung, Sani Mahamadou, Niger wolle seine Ölförderung verzehnfachen. Mit | |
| 200.000 Barrel täglich werde das Öl bis 2025 80 Prozent der Exporteinnahmen | |
| und 50 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen und Uran verdrängen. | |
| Das neue Öl findet sich vor allem unter dem 100.000 Quadratkilometer großen | |
| Naturschutzgebiet RNNTT (Réserve Naturelle Nationale Termin et Tin-Toumma) | |
| mitten in der Saharawüste. | |
| 2019 ließ Nigers Regierung eigens die Grenzen dieses Gebiets verändern, auf | |
| Druck von PetroChinas Vorgängerfirma CNPC (China National Petroleum | |
| Corporation). Und im Nachbarland Algerien interessiert sich die staatliche | |
| Ölfirma Sonatrach für Ölvorkommen in Niger nahe der Grenze. Die | |
| Sonatrach-Tochter Sipex unterschrieb im Februar 2023 ein Production Sharing | |
| Agreement mit Nigers Ölministerium. | |
| Für den Ölexport bräuchte Niger noch etwas anderes: eine Ölpipeline. Die im | |
| Bau befindliche Niger-Benin-Pipeline aus den Ölfeldern von Agadem quer | |
| durch den Süden Nigers und dann durch Benin bis zum Hafen Cotonou wäre mit | |
| 1980 Kilometer die längste in Afrika und soll 110.000 Barrel Öl pro Tag | |
| transportieren. Das 4 Milliarden US-Dollar teure Bauwerk ist angeblich zu | |
| großen Teilen fertig. Es soll von China betrieben werden. | |
| 29 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.orano.group/fr/ | |
| [2] http://www.petrochina.com.cn/ | |
| ## AUTOREN | |
| François Misser | |
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