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# taz.de -- Russen in Lettland: Tausenden droht die Abschiebung
> Rund 20.000 russische Bürger*innen sollen einen Sprachtest machen.
> Etwa 5.000 haben die Aufforderung ignoriert. Das hat Konsequenzen.
Bild: Protest gegen die Abschaffung der russischen Sprache in Riga, Oktober 2019
Berlin taz | Lettlands Behörden machen Ernst: Tausende
Staatsbürger*innen der Russischen Föderation könnten im September
Briefe von der Migrationsbehörde erhalten, in denen sie zur Ausreise
aufgefordert werden. Das berichtet das Webportal [1][rus.lsm.lv]. Dabei
handelt es sich um Personen, die sich nicht zur lettischen Sprachprüfung
angemeldet und keine Unterlagen zur Verlängerung einer unbefristeten
Aufenthaltserlaubnis eingereicht haben. Die neue gesetzliche Regelung wurde
im April verabschiedet.
Ingmar Lidaka, Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses für
Staatsbürgerschaft, Migration und sozialen Zusammenhalt sowie Abgeordneter
der Regierungspartei „Vereinigte Liste“, bezifferte die Anzahl der
Betroffenen auf 5.000 bis 6.000. Sie hätten auf eine Aufforderung nicht
reagiert und seien offenkundig weder an der Prüfung noch an einer
Aufenthaltserlaubnis interessiert.
Das Innenministerium bestätigte die Information. Die Menschen hätten nach
der Aufforderung drei Monate Zeit, Lettland zu verlassen. Wer sich dennoch
weiter im Land aufhalte, könne mit einer Geldstrafe belegt werden. Auch
staatliche Leistungen könnten wegfallen. So würden beispielsweise Renten
nicht mehr gezahlt. Aus dem Innenministerium hieß es dazu, die Menschen
hätten das Recht, sich um ein Visum oder eine befristete
Aufenthaltserlaubnis zu bemühen, sofern es hierfür eine Grundlage gebe.
Der Abgeordnete Lidaka befürchtet, dass es zu Abschiebungen kommen könnte.
Auch wenn Politiker*innen abwiegeln und sagen, dass das nicht
passieren werde – das Gesetz sieht Ausweisungen vor. Sie hoffen nun, dass
sich die Gesetzgebung noch ändert. „Aber ich befürchte, dass dies nicht vor
dem 1. September passiert“, sagt Lidaka. Laut Grenzschutz müsse das Gesetz
durchgesetzt werden, zitiert ihn rus.lsm.lv.
Lettland hat rund 1,9 Millionen Einwohner*innen, [2][rund ein Viertel sind
russische Muttersprachler*innen]. Bei ihnen handelt es sich
mehrheitlich um zwischen 1940 und 1990 eingewanderte Personen
beziehungsweise deren Nachkommen. Ein Teil hat sich nicht einbürgern lassen
(dafür ist ein Sprachtest für Lettisch Voraussetzung) und den Status
Nichtbürger*in. Dieser ist häufig mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel
verbunden.
## Es wächst Kritik an dem neuen Gesetz
[3][Nach dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24.
Februar 2022] wurden die Aufenthaltsregelungen für Russ*innen verschärft.
Jetzt müssen Kenntnisse der lettischen Sprache auf dem Niveau A2
nachgewiesen werden. Passiert dies nicht, wird die dauerhafte
Aufenthaltserlaubnis in Lettland annulliert. Die betroffene Person erhält
eine befristete Aufenthaltserlaubnis und ein Jahr Zeit, um die Sprache zu
lernen. Wer die Prüfung nicht vor dem 1. September bestanden hat, kann sie
bis zum 30. November auf Antrag noch einmal nachholen. Nach Angaben der
lettischen Behörden gelten die neuen Anforderungen für rund 20.000
russische Staatsbürger*innen mit ständigem Wohnsitz im Lettland im
Alter von 17 bis 74 Jahren.
Derweil wächst die Kritik an dem neuen Gesetz. „Wir glauben, dass jeder
Fall individuell behandelt werden sollte. Wir müssen verstehen, warum diese
Menschen die Sprache nicht beherrschen, die Prüfung nicht bestehen und was
wir tun können, um sicherzustellen, dass sie die Sprache lernen“, sagt
Martin Lewuschkan, Vorsitzender der Bürgerbewegung „Russische Stimme für
Lettland“. Derzeit könne der Staat pro Jahr nur noch 400 Personen
Lettisch-Sprachkurse anbieten.
Auch bei Lettlands Nachbarn Estland – von knapp 1,3 Millionen
Einwohner*innen gehören 25 Prozent der russischen Minderheit an – ist
Sprache derzeit wieder Thema. [4][Laut einem Gesetz von 2022] soll Estnisch
in Schulen perspektivisch zur einzigen Unterrichtssprache werden. Um dieses
Ziel in allen Klassenstufen zu erreichen, ist eine mehrjährige
Übergangsphase vorgesehen. Ab dem 1. August 2023 müssen Schulen jedoch mit
einer Geldstrafe von knapp 10.000 Euro rechnen, wenn ihre Lehrer*innen
nicht über ausreichend gute estnische Sprachkenntnisse verfügen. Angaben
der estnischen Sprachaufsichtsbehörde zufolge betreffe das rund 2.500
Pädagog*innen.
8 Aug 2023
## LINKS
[1] http://rus.lsm.lv
[2] /Russische-Minderheit-in-Lettland/!5926931
[3] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[4] /Bildung-in-Estland/!5907729
## AUTOREN
Barbara Oertel
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