# taz.de -- Jugendgewalt im Schwimmbad: Krasse Welle durch die Republik | |
> In Berliner Freibädern gibt es immer wieder Randale – und sofort | |
> diskutiert halb Deutschland über Jugendgewalt. Eine Reportage vom | |
> Beckenrand. | |
Bild: Und Platsch vom Beckenrand, und der Bademeister regt sich wieder auf | |
Samstag, 8.52 Uhr, 22 Grad: „Ausweis bitte“, fordert ein breitschultriger, | |
korpulenter Security am Eingang des [1][Berliner Prinzenbads], ein | |
schneller Blick, das war’s. Vor dem Eingang des besucherstärksten | |
Schwimmbad Berlins warten Frühschwimmer:innen, Hipster und junge Familien | |
in einer etwa 30 Meter langen Schlange auf eine Abkühlung. Es sollen heute | |
35 Grad werden, Wartezeit schon jetzt knapp 20 Minuten. | |
Drinnen herrscht morgendliche Freibadidylle. Am Kiosk sitzt ein Pärchen im | |
Schatten der roten Sonnenschirme, Weißbrot mit Rührei vor ihnen auf dem | |
Teller. Das türkisblaue Wasser des Sportbeckens glitzert in der Sonne, | |
während Menschen ordentlich ihre Bahnen ziehen. Im danebenliegenden Kinder- | |
und Nichtschwimmerbecken ist noch wenig los. Und auch im Terrassenbecken | |
mit abgesperrtem Sprungbereich sind lediglich ein paar | |
Morgenschwimmer:innen zu sehen. | |
Hat man die [2][Medienberichte der vergangenen Woche] verfolgt, könnte man | |
meinen, in Berliner Schwimmbädern herrschen anarchistische Zustände. Von | |
einer “Welle der Gewalt“ war dort die Rede, weshalb sich viele Familien | |
nicht mehr ins Freibad trauten. Wiederholt hatte es in diesem Sommer in dem | |
nur drei Kilometer vom Kreuzberger Prinzenbad entfernten Columbiabad in | |
Berlin-Neukölln gewaltsame Auseinandersetzungen von Jugendlichen mit dem | |
Badpersonal und Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes gegeben. | |
In der vergangenen Woche wurde das Bad geräumt und blieb anschließend wegen | |
Krankmeldungen des Personals erst mal geschlossen. Und das genau zu | |
Ferienbeginn im strukturschwachen und multikulturellen Bezirk Neukölln, wo | |
sich viele Familien keine Urlaubsreise leisten können. Als dann noch ein | |
Brandbrief der Belegschaft, bereits Mitte Juni an die kommunalen Berliner | |
Bäderbetriebe (BBB) geschickt, die Öffentlichkeit erreichte, war der | |
Skandal perfekt. Sogar die Bundespolitik stieg in die Diskussion darüber | |
ein, wie man in den Berliner Freibädern durchgreifen soll. | |
In dem Brandbrief ist von einem „untragbaren Ausmaß der Umstände“ die Red… | |
Mitarbeitern, Frauen, Minderheiten, besonders trans und queeren Menschen | |
werde immer häufiger Gewalt angedroht. Verbale Attacken, Pöbeleien und | |
Spucken seien üblich. Meist seien es Jugendliche, die sich von Bademeistern | |
nichts sagen ließen, die „als Mob“ aufträten. Seit Samstag gelten deshalb | |
in allen Berliner Freibädern neue Sicherheitsmaßnahmen. Besucher:innen | |
müssen ihren Ausweis am Eingang zeigen, es gibt mehr Securities und einen | |
Einlassstopp, wenn es zu voll wird. An sogenannten Konfliktbädern wie dem | |
Prinzen- und Columbiabad sind mobile Wachen der Polizei stationiert. | |
Mit etwas Abstand betrachtet nach der überhitzt geführten Debatte: Wie | |
sinnvoll sind diese Maßnahmen? | |
11.33 Uhr, 27 Grad: Das Planschbecken füllt sich langsam, am Beckenrand | |
stellen einige Frauen mit Kopftuch ihre Gartenstühle auf. Ein paar Meter | |
weiter sitzen zwei Frauen im Schatten. Die beiden Mütter wollen ihren Namen | |
nicht nennen, in der Sorge, dass sie nur „Quatsch“ erzählen. „Schreib | |
einfach: eine türkische und eine arabische Mutter“, sagen sie. Von ihrem | |
Platz blickt man direkt auf das Nichtschwimmerbecken mit sprudelnden | |
Wasserpilzen, in dem die Kinder der beiden planschen. Die beiden Mütter | |
sind heute extra früh gekommen, nachmittags wird es ihnen zu voll im Bad. | |
Was sagen sie zu der Situation in den Freibädern? „Das wird schon schlimmer | |
dargestellt, als es ist“, sagt eine der Mütter, die im Sommer regelmäßig | |
ins Prinzenbad kommt und in der Nähe wohnt. „Und die Medien schlachten das | |
schon aus, weil es um Jungs mit Migrationshintergrund geht“, ergänzt sie. | |
Ihre Freundin kontert: „Ja, aber ich mache mir manchmal schon auch Sorgen | |
um die Sicherheit meiner Tochter hier.“ | |
Woher die Gewalt kommt? Pubertät, kommt die Antwort schnell. Da beleidige | |
der eine die Mutter oder Schwester des anderen, der fühle sich angegriffen | |
in seinem „männlichen“ Stolz und prompt eskaliere es. „Aber man darf nic… | |
vergessen, das sind Kinder, man weiß nie, was bei denen zu Hause los ist“, | |
sagt die Kreuzberger Mutter. | |
Die Nutzergruppen im Kreuzberger Prinzenbad sind ähnlich wie die im | |
Neuköllner Columbiabad, dem am zweitstärksten frequentierten Freibad in | |
Berlin. Aber das Bad ist anders aufgebaut. Dort gibt es ein Becken mit | |
einem zehn Meter hohen Sprungturm sowie einer 83 Meter langen Rutsche – die | |
längste in Berlins Freibädern. Damit zieht das Columbiabad Jugendliche und | |
junge Männer magisch an. | |
Auf dem Sprungturm können sie ihre Kräfte messen und auch die Rutsche hat | |
die nötige Länge für Spinnereien. Das ist wohl mit der Hauptgrund, warum | |
das Columbiabad deutlich öfter als das Prinzenbad in die Schlagzeilen | |
gerät. Jugendgangs blockieren die Rutsche, lassen sich nichts sagen, wenn | |
das Personal einschreitet, werden körperlich übergriffig. Es kommt zum | |
Polizeieinsatz – und, wenn alle Stricke reißen, zur Räumung des Bades. Seit | |
dem 22. Juni sind deshalb Rutsche und Sprungturm gesperrt. Die Maßnahme | |
konnte die Randale im Juli jedoch nicht verhindern. Die Sinn-Frage dieser | |
Maßnahme steht also im Raum. | |
Mit der Schließung des Columbiabads vergangene Woche begann dann eine | |
Mediendebatte. Eine Schlägerei unter Jugendlichen mit | |
Migrationshintergrund? Eine Steilvorlage für konservative Medien und | |
Politiker:innen, um einen sommerlichen Kulturkampf anzuzetteln. | |
[3][CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann] forderte die konsequente | |
Bestrafung von Gewalttätern noch am Tattag, mittels Schnellverfahren. Und | |
die AfD wusste sofort: „Wer seine Grenze nicht schützen mag, muss später | |
Freibäder schließen.“ | |
Am Freitag packte der frisch gekürte Berliner Bürgermeister Kai Wegner | |
(CDU) die Gelegenheit beim Schopfe, um sich als Mann der Tat zu | |
inszenieren, und verkündete vor Ort die neuen Maßnahmen. Der | |
innenpolitische Sprecher der Linken, Niklas Schrader, warf Wegner daraufhin | |
„billigen Aktivismus“ vor. Wenn eine kleine Minderheit in den Bädern aus | |
der Rolle falle, „warum sollen dann alle bestraft werden?“, sagte er. | |
12.30 Uhr, 30 Grad: „Ausweiskontrolle? So ein Scheiß, der hat nicht mal | |
richtig auf meinen geguckt“, sagt ein junger Mann auf der Liegewiese. Er | |
ist mit seinen Freunden hier, sie kicken gerade mit einem Fußball hin und | |
her, drehen gemütlich einen Joint, während im Hintergrund Stromae mit | |
„Let’s dance“ aus den Boxen dröhnt. In der Entfernung sind mehrere | |
Security-Mitarbeiter:innen zu sehen, die im Doppelpack das Freibad | |
ablaufen. Die Journalistin wird anfangs eher skeptisch empfangen. Einer | |
fragt: „Für welche Zeitung schreibst du?“ Als sie „taz“ hören, wirkt … | |
Gruppe etwas offener. „Ihr schreibt nicht so scheiße über Ausländer,“ sa… | |
einer der Jungs. | |
Ob sie über die Situation in den Freibädern reden wollen? Ja, eigentlich | |
schon, aber lass uns erst noch rauchen. Dann kommt ein anderer Freund aus | |
der Entfernung angerannt und redet auf Türkisch auf die Gruppe ein, er will | |
die Gruppe davon abhalten, mit der Journalistin zu reden. Einer ist dann | |
doch bereit zu sprechen, will aber auch anonym bleiben. | |
Der 22-Jährige ist regelmäßig im Prinzenbad, sagt er. Columbiabad? Eher | |
nicht, da gebe es immer Stress. „Das ist so ein Sehen und Gesehenwerden | |
dort“, sagt er. Und warum es da immer so eskaliert? „Manche Leute lassen | |
sich einfach schneller provozieren als andere, die reagieren dann über.“ | |
Was hält er von der ganzen Mediendebatte rund um die Herkunft der | |
Jugendlichen? „Hat mich nicht überrascht, die Medien sind schon länger in | |
ihrem Klischeefilm, die machen ja auch Geld damit“, sagt er. | |
Das Freibad ist ein Ort, an dem man sich gegenseitig aushalten muss. Hier | |
kommen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Milieus und sozialen | |
Schichten zusammen. Dass es hier zu Konflikten kommt, ist naheliegend. | |
Menschen werden mit steigenden Temperaturen aggressiver, Hitze ist | |
anstrengend. Deshalb ist das Freibad ein Ort, der nur mit Regeln | |
funktioniert. Werden diese gebrochen, kann ein Hausverbot erteilt werden | |
oder im schlimmsten Fall eine Strafanzeige. | |
Wirft man einen Blick auf die Zahlen für Berlin, sieht man jedoch, dass die | |
Gewalt in Freibädern abnimmt. Insgesamt gab es 2022 laut Berliner | |
Polizeistatistik 77.859 Gewaltdelikte – davon 57 in Freibädern. 2019, dem | |
Sommer vor der Coronapandemie, waren es noch 71 Freibad-Vorfälle. | |
Die Ausweiskontrolle soll nun unter anderem ermöglichen, dass die | |
Hausverbote besser durchgesetzt werden können. Laut der Bäderbetriebe | |
werden Hausverbote bisher nur kontrolliert, wenn die Person nochmals | |
auffällig wird. Erst dann wird eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch | |
erstattet. Wie es in den Bädern ohne Datenabgleichgerät gelingen soll, mit | |
Hausverbot belegte Gewalttäter schon am Eingang herauszufischen, ist völlig | |
offen. | |
Die Ausweise händisch mit einer Liste abzugleichen wäre realitätsfremd. | |
„Das könnte man auch nicht allen zumuten, dass die Ausweise am Eingang | |
kontrolliert werden“, sagt Soziologe Albert Scherr, der zu sozialer Arbeit | |
und Jugend forscht. Denn es gehe auch darum, über die Verhältnismäßigkeit | |
der Maßnahmen nachzudenken. Was macht das mit dem Ort Freibad, wenn jeder | |
am Eingang seinen Ausweis zeigen muss, überall Securities herumlaufen und | |
eine Polizeiwache vor der Tür steht? Wirkt das überhaupt deeskalierend? Und | |
fühlen sich Leute dadurch sicherer? | |
14 Uhr, 33 Grad, im Sprungbereich des Prinzenbads: „Junge, mach mal | |
Arschbombe“, ruft einer seinem Freund entgegen. Dieser sprintet auf das | |
Becken zu, und platsch, landet er im Wasser. Ein anderer taucht am | |
Beckenrand auf, spuckt ins Gitter. Etwas abseits eine Gruppe von | |
Teenagerinnen, alle ungefähr zwischen 12 und 15 Jahren alt. „Es gibt hier | |
immer Stress. Mein Cousin hat letzte Woche Hausverbot bekommen und ist | |
jetzt wieder da“, sagt eine. Was sie von den vielen Securities halten? „Die | |
helfen eh nicht.“ Warum? „Die Jungs hören nicht auf sie – und können ja… | |
wieder ins Bad, auch wenn sie sich prügeln.“ Was die Streite auslöst? „We… | |
jemand die Schwester oder die Mutter beleidigt, dies, das, dann rasten die | |
aus.“ Die Kreuzberger, sagt ein Mädchen, seien „einfach stressgeil“. Die | |
Gruppe verabschiedet sich. Im Sprungbereich wird es immer voller. | |
Es ist lange her, aber auch das Prinzenbad galt früher als Krawallbad. | |
Massenschlägereien habe es Ende der 80er-Jahre „ständig“ gegeben, erzähl… | |
Bademeister Simon K. der taz einmal 2003 in einem Interview. In seiner | |
ersten Saison habe er gleich ein Messer in den Rücken bekommen. „Zeitweise | |
haben wir mit 25 Zivilpolizisten Dienst gemacht“. Befriedet habe man das | |
Bad durch „massenhafte Anzeigen und Hausverbote“. | |
Die aktuelle Badleiterin des Prinzenbads, Sissy Lang, verfolgt hingegen ein | |
differenzierteres Befriedungskonzept: Reden. In der Regel seien die | |
potenziellen Stressmacher „ja auch alles Stammgäste“, sagte sie schon 2019 | |
im taz-Interview. Die erfahrenen Mitarbeiter gingen dann in die jeweilige | |
Gruppe hinein, versuchten diese auch mal „anders“ abzuholen, nach dem | |
Motto: „Wenn ihr so viel Kraft habt, macht doch ein Wettschwimmen“. | |
Rausschmiss, so Lang, sei die absolute Notlösung. | |
Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr 133 Hausverbote in allen Berliner | |
Freibädern ausgesprochen, im Jahr 2018 waren es noch 572. Es scheint also | |
insgesamt friedlicher geworden zu sein in den Berliner Freibädern. | |
Aber auch an der Infrastruktur des Prinzenbads wurde etwas verändert. Seit | |
einigen Jahren gibt es einen separaten Sprungbereich, der Sprungturm wurde | |
abgebaut. Das habe laut den Berliner Bäderbetrieben stark dazu beigetragen, | |
dass die Konflikte weniger wurden. | |
15 Uhr, 34 Grad: Am Sportbecken ist mittlerweile Anarchie ausgebrochen. | |
Menschen, die Bahnen schwimmen, müssen sich in Schlangenlinien durch eine | |
Masse von stehenden und planschenden Menschen kämpfen. Der hintere Bereich | |
wurde von Jugendlichen übernommen. Es wird gesprungen, gespritzt, | |
geschrien, eine Bademeisterin versucht vergeblich, die Menge mit Pfiffen | |
zurechtzuweisen. Ein kleiner Junge springt vom Beckenrand ins Wasser, wird | |
von der Bademeisterin herausgewunken: „Beim nächsten Mal fliegst du raus“, | |
sagt sie. Die Ansage ihres Kollegen, bitte nicht ins Sportbecken zu | |
springen, verrauscht im sommerlichen Freibadlärm. | |
Die Situation beruhigt sich etwas, als mehrere Bademeister:innen an | |
den Beckenrand kommen, um die Menge auseinanderzupfeifen. Mehr Personal | |
scheint bei kleinen Konflikten wie diesen zu helfen. Ob mehr | |
Sicherheitspersonal aber wirklich gewaltvolle Auseinandersetzungen | |
aufhalten kann, wird sich erst noch zeigen. | |
Aus Kreisen des Bäderpersonals heißt es, dass man die neuen Maßnahmen | |
begrüße. Dass jede einzelne Badleitung nun selbst entscheiden kann, wann | |
sie einen Einlassstopp erlassen und sie mehr Sicherheitspersonal anfordern | |
können, sei eine echte Erleichterung, erfuhr die taz. Zuvor haben die | |
Bäderbetriebe festgelegt, wann ein Einlassstopp gilt. Von der | |
Ausweispflicht erhoffe man sich vor allem Abschreckung von „Gewalttätern“. | |
Hoffentlich werde das Ganze jetzt nicht wieder von Kritikern zerredet, | |
heißt es: „Man sollte lieber mehr darüber reden, was dieser Stress für uns | |
bedeutet.“ | |
Eine offizielle Anfrage an die Pressestelle der Bäderbetriebe, ob die taz | |
mit Badpersonal sprechen dürfe, wurde abgewiesen: Das Personal in den | |
Bädern sei überlastet. | |
16.50 Uhr, 35 Grad. „Bisher ist noch nichts Dramatisches passiert, nur eine | |
Schlägerei“, bilanziert Security Ahmed, der mit seiner Kollegin seit dem | |
Vormittag seine Runden dreht und jetzt am Beckenrand steht. Die Luft ist | |
drückend heiß. Ahmed heißt eigentlich anders, damit er keine | |
Schwierigkeiten bekommt, wurde sein Name geändert. Sein Team war heute mit | |
20 statt 15 Mitarbeiter:innen unterwegs. Hat das was gebracht? Ein | |
bisschen schon, sie konnten an mehreren Orten gleichzeitig sein. Ob er | |
eigentlich auch die Hausverbote kontrolliere? „Wir haben Bilder von den | |
Personen, aber die Liste ist lang“, sagt er lächelnd. Wie lang? „Wie ein | |
Buch, vielleicht so 300 Seiten oder so“, sagt er. Und warum glaubt er, dass | |
es immer zu Streiten kommt? „Geht eigentlich immer um Mädchen, du weißt.“ | |
## Das Gewaltproblem lässt sich nicht im Freibad lösen | |
Dass Jugendliche im Schwimmbad aneinandergeraten, lässt sich wohl nicht | |
ganz vermeiden, vor allem in den zwei besucherstärksten Freibädern Berlins. | |
Mehr Leute bedeutet automatisch mehr Raum für Konflikte. Aber ist die | |
Grenze nicht überschritten, wenn sie damit andere terrorisieren? Was hinter | |
dieser Gewalt steckt, lässt sich wahrscheinlich nicht im Freibad lösen. | |
Hier seien Prävention und Jugendarbeit gefragt und keine rein | |
ordnungspolitischen Maßnahmen, sagt auch Soziologe Albert Scherr. Dass | |
diese Gewalt mit Ausgrenzungserfahrungen und Diskriminierung zusammenhängt, | |
sei möglich. Ferndiagnosen von Politiker:innen, die sich auf die Herkunft | |
der Jugendlichen fokussieren, helfe dem Diskurs jedenfalls wenig. Und dass | |
inzwischen jede Schlägerei auf Bundesebene diskutiert werde, rücke die | |
Situation in den Bädern in ein falsches Licht, findet Scherr. Die | |
Atmosphäre in den Bädern sei grundsätzlich „friedlich und familiär“, die | |
meisten Badegäste kämen nie mit Störungen in Berührung, stellte auch der | |
Berliner Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) klar. | |
Montag, 16 Uhr, 26 Grad: Das Columbiabad hat nach einer Woche wieder | |
geöffnet. Nur wenige Menschen liegen auf der Wiese, die Kinder im | |
Nichtschwimmerbecken sind an zwei Händen abzuzählen. Nur das | |
Schwimmerbecken ist gut frequentiert. Großrutsche und Sprungturm sind, | |
anders als von den Bäderbetrieben angekündigt, noch zu. Nur noch vormittags | |
werde die Rutsche geöffnet, der Sprungturm erfülle nicht mehr die | |
baupolizeilichen Vorschriften, erklärt ein Bademeister. | |
Ein Junge springt von der Seite ins Schwimmerbecken. Das ist verboten. | |
Sofort ist die Aufsicht zur Stelle, ruft ihn zur Ordnung. Angesichts der | |
Tatsache, dass im Bad kaum etwas los ist, ist die Überwachungsdichte | |
phänomenal. Gesprächsthema Nummer eins sind die jüngsten Ereignisse. Ob sie | |
zufrieden seien mit der Reaktion auf ihren Brandbrief, fragt ein Gast. Sie | |
seien selbst erstaunt gewesen, gibt ein Bademeister zu: „Das ging ja hoch | |
bis zum Kanzler.“ | |
Um 17.30 Uhr eine überraschende Lautsprecherdurchsage: „Werte Badegäste, | |
bitte verlassen Sie das Becken, wir schließen um 18 Uhr.“ Eigentlich hat | |
das Columbiabad bis 20 Uhr geöffnet. Wegen des nach wie vor hohen | |
Krankenstands sei aber derzeit früher Schluss. Draußen vor dem | |
verschlossenen Tor empört sich eine ältere Dame im geblümten Sommerkleid: | |
„Man kann es auch übertreiben.“ | |
19 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Sabina Zollner | |
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