# taz.de -- Protest gegen mehr Polizei an Freibädern: Freie Bäder für freie … | |
> Unter dem Motto „Mach mal keine Welle“ demonstrieren politische Gruppen | |
> vor dem Berliner Prinzenbad: Gegen mehr Sicherheitsmaßnahmen und rechte | |
> Hetze. | |
Bild: Soziale Lösungen für soziale Probleme forderten am Sonntag 150 Menschen… | |
BERLIN taz | Die Security am Einlass ist unerbittlich: Wer sich am Sonntag | |
im Prinzenbad abkühlen will, muss seinen Perso vorzeigen und dann an einem | |
Spalier von sechs breiten Sicherheitsleuten vorbei ins Freibad. Eine Frau | |
mit kürzeren dunklen Haaren und Brille hat ihren Ausweis nicht dabei, zeigt | |
stattdessen ein Foto vom Perso auf ihrem Handy vor. „Das bin ich, hier ist | |
auch das Foto. Können Sie mich nicht bitte reinlassen?“, fleht sie. Doch | |
der Mann am Einlass schüttelt mit dem Kopf. Keine Chance. Verärgert geht | |
die Frau weg: „Das kann doch nicht deren ernst sein, ich hab doch `ne | |
Mehrfachkarte“, sagt sie. | |
Vermutlich hätte die kurz danach direkt vor dem Prinzenbad startende | |
Kundgebung sie mit ihrem Ärger über die neuen Sicherheitsmaßnahmen in | |
Berlins Bädern abgeholt. Denn nach einer [1][rassistisch aufgeladenen | |
Debatte] insbesondere um das Neuköllner Columbiabad infolge von Prügeleien | |
Jugendlicher, wurden die Einlasskontrollen in Bädern verschärft und [2][die | |
Polizeipräsenz hochgefahren]. | |
Am Sonntag protestierte deswegen ein Bündnis verschiedener Gruppen vorm | |
Prinzenbad, darunter die Migrantifa, stadtpolitische Initiativen, | |
Anwohnende und Jugendgruppen aus Kreuzberg und Neukölln sowie Mitarbeitende | |
des Prinzenbads. Unter dem Motto „Mach mal keine Welle“ protestierten sie | |
gegen rechte Hetze und forderten sozialen Lösungen für soziale Probleme. | |
Zwischen 120 und 200 Personen nahmen teil. | |
In der Mittagssonne redete als Erstes ein Aktivist von Migrantifa, der | |
Schlagzeilen wie „Wenn Multikulti baden geht“ (FAZ), „Die Freiheit des | |
Sozialstaats wird am Sprungturm verteidigt“ (Spiegel) und | |
Verbalentgleisungen von Polizeigewerkschaftern sowie eine rassistisch | |
aufgeladene Debatte kritisierte. Denn wenn es um die „Situation in den | |
Freibädern“ gehe, sei eben nicht die schlechte Infrastruktur, fehlende | |
Investitionen oder Personalmangel gemeint. „Wenn Bürgerliche, Konservative | |
und Rechte über Freibäder sprechen meinen sie, dass Ausländer sich mal | |
wieder daneben benehmen und wir denen mal so richtig zeigen müssen, wer | |
hier im Land der Chef ist.“ | |
## Realitätscheck für Populismus | |
Dann zitiert er die [3][Fakten, die in der Debatte gern mal vergessen | |
werden]: Die meisten Straftaten in Freibädern hätten mit körperlicher | |
Gewalt nichts zu tun, der Großteil sei Diebstahl und Hausfriedensbruch. Der | |
Trend bei Gewalt sei sogar rückläufig: 2019 gab 71 Vorfälle, nach Corona | |
2022 seien es nur noch 57 gewesen. Ähnlich sei es bei Hausverboten, die | |
sogar stark rückläufig seien. Tatsächlich gab es 2018 noch 572 Hausverbote, | |
2022 waren es 133. | |
„Die Polizei führt diese Statistiken so genau, weil es da regelmäßig | |
Anfragen der AfD und der CDU hagelt“, sagt der Aktivist ins Mikrofon. „Die | |
Gewalt wird nicht mehr, sondern nur die Hetze.“ Und dabei gehe es nicht um | |
die Sicherheit von Frauen. Sonst müsste es solche Anfragen auch für | |
Bierzelte, Schützenfeste, den Ballermann, Karneval oder den Vatertag geben. | |
„Da sind nur die guten Deutschen übergriffig!“ | |
Statt Racial Profiling vor Freibädern und einer aufgewärmten | |
Leitkulturdebatte, müsse man die Frage stellen, warum es denn in Neukölln | |
überhaupt zu Gewalt komme. Wie sehe die Realität von migrantischen | |
Jugendlichen aus? Man müsse reden über „sich kaputt schuftende Eltern und | |
Großeltern“, die auch nach 20 Jahren keinen Pass bekämen, über Armut ohne | |
Auswege, über Sozialkürzungen und männliche Sozialisierung im Patriarchat. | |
Danach sprachen zwei queere Personen aus der Initiative „Columbiabad für | |
alle“, die sich dagegen wehrten, für rechte Hetze und für Forderungen nach | |
mehr Polizei instrumentalisiert zu werden. In der Debatte hatte es | |
geheißen, dass mit mehr Sicherheit auch Minderheiten und queere Personen | |
geschützt würden. | |
„Es ist schon interessant, wie viel Eile die Politik hat, Queers schützen | |
zu wollen, wenn es darum geht, von Rassismus und Klassismus betroffene | |
Jugendliche zu schikanieren – aber wir lassen uns nicht spalten in endlich | |
Oben-ohne-Badende und halb nackte Randalierende!“, rief eine der | |
Redner*innen. In Wirklichkeit finde derzeit eher eine Zuspitzung des | |
gesellschaftlichen Diskurses gegen Queers statt – etwa bei der Abschaffung | |
von genderneutraler Sprache. | |
## „Manchmal kickt Pubertät“ | |
Klar gebe es manchmal Stress im Columbiabad, so die Redner*in: | |
„Großstadtspaces sind völlig überfüllt mit Leuten: Da kickt Adrenalin, | |
manchmal kickt Pubertät, Midlifecrisis und der Druck von gerndernormativen | |
Verhalten. Das nervt und manchmal ist das auch bedrohlich!“ | |
Angesichts der abnehmdenden Zahlen von Gewalt in Freibädern sei aber die | |
bundesweite, rechtspopulistische mediale Inszenierung über das | |
„Gefahrengebiet Neukölln“ viel bedrohlicher und zerstörerischer als alles, | |
was im Columbiabad passiert. Auch sie fordert statt mehr Polizei und | |
Sicherheitsmaßnahmen ein Ende der Streichungen von Sozialleistungen: „Wer | |
Neuköllner*innen und den Jugendlichen alles kürzt und wegnimmt, fördert | |
Frust und soziale Zuspitzung in den wenig übrig gebliebenen | |
Freizeitspaces.“ | |
Auch Sozialwissenschaftler*innen [4][plädieren bei derartigen | |
wiederkehrenden Debatten], ob nun um Silvesterböllerei oder | |
Halbstarken-Kämpfe am Sprungturm, für Prävention und Jugendarbeit: | |
Ferndiagnosen von Politiker*innen mit Fokussierung auf Herkunft würden | |
ebenso wenig helfen wie Diskussionen über Schlägereien auf Bundesebene. Das | |
rücke die grundsätzlich friedliche Atmosphäre in Freibädern in ein falsches | |
Licht. | |
Friedlich blieb es während der Demo am Sonntag auch vor dem Prinzenbad – | |
Ärger gab es nur bei Stammgästen, die ohne Personalausweis nicht ins Bad | |
gelassen wurden. | |
23 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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Carsten Linnemann | |
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