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# taz.de -- Sommerbäder und Gewalt: Kein Freibad kann das Meer ersetzen
> Während die einen Jugendlichen in den Urlaub fahren, müssen die anderen
> Zeit totschlagen. Und Freibäder werden zum Politikum.
Bild: Im Nichtschwimmerbecken, Sommerbad Kreuzberg
Endlich Sommerferien. Draußen zu heiß, drinnen Schatten, aber eng und
Geschrei. Schöne, lange Sommertage, die Ferientage besonders lang.
Fußballspielen? Zu heiß. Freunde treffen? Fast alle weg. Fußballgucken?
Scheiß Sommerpause. Einkaufszentrum? Ist schön kühl, ok, lass gehen! Stille
auf dem großen Platz, Ruhe am Busbahnhof, keiner auf dem Bolzplatz. Die
ganze Stadt wie das verlassene Dorf im Western auf RTL 2. Nur die Heuballen
fehlen, die pfeifend über den trockenen Boden rollen.
Endlich Sommerferien. Spät schlafen gehen, lange schlafen, spät aufstehen,
oder gleich komplett durchmachen und Fifa zocken. So wie manchmal am
Wochenende, aber dieses Wochenende ist sehr lang. Die Zeit vergessen. Die
Tage verschwimmen. Zumindest erwartet niemand etwas. Die Lehrer erwarten
nichts, weil sie im Urlaub sind. Die Eltern erwarten nichts, weil sie
keinen Urlaub bezahlen können. Kein Stress, keine Hausaufgaben, keine
Prüfung, kein Druck. Nur Leere. Alles gut?
Endlich Sommerferien. Rumlaufen. [1][Rumstreunern. Rumhängen.] Eine Cola
kaufen und trinken. Ein Red Bull kaufen und trinken. Wenn das Geld reicht,
noch einen Döner kaufen und essen. Teilen, wenn es wen zum Teilen gibt.
Einfach irgendwo sitzen und schwitzen und sitzen. Warten und schauen und
warten. Sechs Wochen wie ein einziger ewiger Sonntag. Vielleicht passiert
noch etwas. Wenn nicht heute, dann vielleicht morgen. Wenn nicht morgen,
dann vielleicht übermorgen. Im Western auf RTL 2 knallt es doch auch
irgendwann.
## Pommes, Schweiß, zu viele Körper
Endlich Sommerferien. Die Straßen leer, aber das Freibad voll. Sonnencreme.
Pommes. Schweiß. Leben! Mädchen! Vielleicht diesen Sommer endlich
verlieben? Liegende Körper auf der Wiese. Essende Körper auf
Plastikstühlen. Stehende Körper im Wasserbecken. Drängende Körper im
Duschraum. So viele Körper. Zu viele Körper? Beim Vorbeigehen jemanden
streifen, weil einfach viel zu viele Menschen. Dummen Kommentar kassieren,
kontern. Klatsche ins Gesicht bekommen, ihm in den Bauch kicken. Oder
andersrum. Scheiße, Junge, musste das jetzt sein?!
Endlich Sommerferien. Geil, endlich Sommerferien! Manche [2][fahren in den
Urlaub], andere müssen sechs Wochen totschlagen. Komplett sich selbst
überlassen. Langeweile, Tristesse, Gereiztheit. Innere Leere trifft auf
volles Freibad. Voller und voller, bis es irgendwann knallt. Der
Bürgermeister gibt eine PK. Journalisten freuen sich über ein Thema. Das
eine Freibad bleibt geschlossen. Beim anderen kommt man ab 15 Uhr nicht
mehr rein.
Die Freunde sind schon drin, sie rufen: Spring über den Zaun, komm doch
endlich rein! Wenn man es darauf anlegt, kommt die Polizei. Wer sich
abkühlen will, muss jetzt vorbei an der Staatsgewalt. Aber kein Freibad
kann das Meer ersetzen.
20 Jul 2023
## LINKS
[1] /Auch-wenn-es-kaelter-wird/!5889297
[2] /Soziale-Fragen-und-gruene-Klimapolitik/!5777083
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
Kolumne Postprolet
Freibad
Gewalt
Sommerferien
GNS
Schwerpunkt Armut
Familie
Jugendgewalt
CDU
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