| # taz.de -- Kostenloses Schwimmen in Kiel: Klassenkampf am Beckenrand | |
| > Kiel will kostenloses Schwimmen für Mittellose streichen. Es sei | |
| > „missbraucht“ worden. Die Linke sieht darin eine stigmatisierende | |
| > Ausgrenzung. | |
| Bild: Platz für Schwimmer, für Ärmere nicht unbedingt | |
| Kiel taz | Baden macht Spaß. Eigentlich. Das ist auch in Kiels | |
| „Schwimmstätten“ so, wie sie im Verwaltungssprech der Landeshauptstadt | |
| Schleswig-Holsteins heißen. Das Problem: Für Kinder und Jugendliche mit | |
| „Kiel-Karte“ ist dieser Spaß womöglich bald vorbei. | |
| Diese Karte bekommt, wer Leistungen nach dem SGB II oder dem | |
| Asylbewerber-Leistungsgesetz erhält: Sozialgeld, Wohngeld, Hilfe zum | |
| Lebensunterhalt, Kinderzuschlag, Grundsicherung. Seit Anfang 2023 sind | |
| Kinder und Jugendliche, die sie vorweisen können, von den Eintrittspreisen | |
| der stadteigenen Bäder grundsätzlich befreit. Geht es nach Gerwin Stöcken | |
| (SPD), Kiels Stadtrat für Soziales, Wohnen, Gesundheit und Sport, ist das | |
| ab Anfang Oktober schon wieder vorbei. Kinder ohne Geld für Eintrittskarten | |
| verlieren damit ein gerade erst gewonnenes Stück Teilhabe am | |
| gesellschaftlichen Leben. | |
| Stöckens „Zwischenbericht“ für die Sitzung des Kieler Ausschusses für | |
| Schule und Sport listet viele Gründe für das Aus. Einer davon lautet | |
| „Missbrauch“. Gemeint ist: Häufig werde die Karte „an eine andere Person | |
| weitergegeben“. Vereinzelt würden wasserlösliche Stifte verwendet, um Namen | |
| auszutauschen. Auch fehle es an Respekt gegenüber dem Personal, es seien | |
| „sexualisierte Verhaltensweisen“ beobachtet worden und „zunehmende | |
| Streitbarkeit“. Manche Eltern würden ihre Kinder „mangels | |
| Betreuungsalternativen“ ins Schwimmbad schicken, das Aufsichtspersonal | |
| könne ihre „fehlende Autorität“ nicht ersetzen. | |
| Vielleicht wichtiger noch: Das Ganze sei zu teuer. Der als Ausgleich | |
| vorgesehene jährliche Zuschuss für die Kieler Schwimm- und | |
| Sportstättenbetriebe von 20.000 Euro sei bereits Anfang August | |
| überschritten worden. Finanziell sei das „nicht mehr darstellbar“. | |
| ## Kein Beschlussantrag bisher | |
| „Ein unglaublicher Vorgang“, sagt Björn Thoroe, Vorsitzender der Kieler | |
| Ratsfraktion von Die Linke/Die Partei. Für die Probleme „hätte halt nach | |
| Lösungen gesucht werden müssen“. Wer sich daneben benehme, könne und müsse | |
| „individuell zur Verantwortung gezogen werden“. | |
| Unterschiedslos alle Kinder und Jugendlichen aus finanziell schwachen | |
| Familien für einzelne Vorfälle zu bestrafen, sei „eine ungerechte und | |
| stigmatisierende Ausgrenzung“. Schlechtes Benehmen komme schließlich | |
| unabhängig von Armut oder Reichtum vor. Man erwarte von Stöcken, so die | |
| Fraktion, „seiner Rolle als Sozialdezernent gerecht zu werden“, sagt | |
| Thoroe, „seine Vorurteile über Bord zu werfen und konstruktiv an der | |
| Problemlösung mitzuarbeiten“. | |
| Stöcken wiederum sagt der taz: Es gebe zurzeit keinen Beschlussantrag in | |
| dieser Sache. „Ausdrücklich sind in der geschäftlichen Mitteilung noch | |
| keine Maßnahmen vorgesehen.“ Um weiter wirtschaftlich benachteiligten | |
| Gruppen freien Eintritt zu ermöglichen, brauche es „eine Ermächtigung durch | |
| die Selbstverwaltung“. Jetzt soll die Gebührensatzung überarbeitet werden. | |
| Auch zukünftig sollen finanziell schwache Kinder und Jugendliche die Bäder | |
| kostenfrei betreten können. Aber eben nicht zum Planschen, sondern für | |
| bestimmte Zwecke. Laut Bericht sollte „der Schwerpunkt verstärkt auf die | |
| Schwimmausbildung gelegt werden“. Spaß macht das dann nicht unbedingt. | |
| Technisch soll statt der Kiel-Karte künftig der Vergünstigungsausweis | |
| „Kiel-Pass“ die Bedürftigkeit nachweisen. Auf dem ist immerhin ein Foto. | |
| Besser macht das die Generalverurteilung nicht. | |
| 17 Sep 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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