| # taz.de -- Über das Genderverbot in Zwickau: Zivilcourage at its best | |
| > Das Thema Gendern sorgt in Zwickau für Wirbel. Der Stadtrat hat ein | |
| > Verbot erlassen. Die Verantwortlichen des Stadttheaters wollen es | |
| > ignorieren. | |
| Bild: Das Zwickauer Gewandhaus ist die Hauptspielstätte des Theaters Plauen-Zw… | |
| Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn Zwickauer Lokalpolitiker mit | |
| breitestem sächsischen Akzent erklären, man müsse „einen Sprachfehler | |
| haben, um das ordentlich aussprechen zu können“, oder meinen, „der Sprecher | |
| brauche einen Logopäden“. | |
| Dennoch kann auch den unbeteiligtsten Beobachter*innen dabei das | |
| Lachen im Hals stecken bleiben, denn beim kürzlich vom Stadtrat Zwickau | |
| verhängten Genderverbot in städtischen Einrichtungen, das von der AfD | |
| beantragt und von CDU und FDP durchgewinkt wurde, geht es nicht nur darum, | |
| anderen das Maul zu verbieten, sondern auch, Menschen vom Diskurs | |
| auszuschließen, die sich nicht in binären Geschlechtervorstellungen | |
| wiederfinden. | |
| Insofern ist es ein Zeichen großer Zivilcourage, wenn das städtische | |
| [1][Theater Plauen-Zwickau], das im Spielplan den Gender-Doppelpunkt | |
| verwendet, auf seiner Webseite erst einmal zu Befehlsverweigerung aufruft. | |
| „Die Debatte berührt das Sprachgefühl der Einen ebenso wie das | |
| Gerechtigkeitsempfinden der Anderen, Fragen des Miteinanders von Mehr- und | |
| Minderheiten ebenso wie die Bereitschaft oder Verweigerung, sich | |
| vollziehende Veränderungen zu akzeptieren oder mitzugestalten“, heißt es in | |
| der offiziellen Stellungnahme. | |
| Und es ist auch toll, dass sich Diana Freydank, Organisatorin des | |
| diesjährigen [2][Zwickauer Christopher Street Days], so vehement äußert und | |
| daran erinnert, dass queere Menschen in ihrer Stadt nach wie vor angespuckt | |
| und beleidigt, gejagt und verprügelt werden. | |
| ## Gewaltbezogene Männlichkeitsideale | |
| Leider ist es den einzelnen Bundesländern überlassen, ob sie die Anzahl | |
| gemeldeter queerfeindlicher Vorfälle veröffentlichen – also sind diese nur | |
| aus Bremen und Berlin bekannt, so die Pressestelle des [3][Lesben- und | |
| Schwulenverbands]. Allerdings haben Autor*innen der [4][Leipziger | |
| Autoritarismus-Studie] beschrieben, wie stark Antifeminismus, Homophobie | |
| und Transphobie mit den besonders in Ostdeutschland um sich greifenden | |
| rechten Ideologien und autoritären Einstellungen verwoben sind. | |
| Es geht also nicht nur darum, dass in der DDR zu wenig offenes Sprechen | |
| über Sexualität jenseits der bekannten Normen möglich war, weil die | |
| Thematisierung diskriminierender Strukturen von der Obrigkeit als Angriff | |
| auf die DDR eingestuft wurde. Es geht auch um die sehr große Sehnsucht nach | |
| traditionellen, antimodernen, auch gewaltbezogenen Männlichkeitsidealen. | |
| Aus der Autoritarismus-Studie geht beispielsweise hervor, dass 36,5 Prozent | |
| der Ostdeutschen glauben, dass ein Mann „bereit sein sollte, sich gegen | |
| Beleidigungen mit Gewalt zu wehren“. Das glauben in Westdeutschland 16,9 | |
| Prozent. | |
| Das Genderverbot in Zwickau ist nicht das einzige in Deutschland. Auch in | |
| Bremerhaven wurde 2022 eins ausgesprochen – und kürzlich wurde eins für | |
| sächsische Schulen auf deren Kooperationspartner*innen ausgeweitet. | |
| Es ist schön, dass dagegen Proteste laut werden. Noch schöner wäre es, wenn | |
| sie laut blieben. | |
| 16 Jul 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.theater-plauen-zwickau.de/tickets.php | |
| [2] https://csd-zwickau.de/ | |
| [3] https://www.lsvd.de/de/home | |
| [4] /Studie-zu-rechten-Einstellungen/!5730051 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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