| # taz.de -- Neuer Verfassungsschutzbericht: Eine Zeitenwende der Sicherheit | |
| > Der neue Verfassungsschutzbericht ist da. Präsident Haldenwang und | |
| > Innenministerin Faeser warnen vor russischer Spionage. | |
| Bild: Rechtsextremismus bleibt die größte extremistische Bedrohung für die D… | |
| Berlin taz | Seit einem guten Jahr tobt nun schon [1][der russische | |
| Angriffskrieg gegen die Ukraine]. Und er markiert auch für den | |
| Verfassungsschutz eine Zäsur. Von einer „Zeitenwende auch für die innere | |
| Sicherheit“, spricht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag | |
| bei der Vorstellung des neuen Jahresberichts des Geheimdienstes. | |
| Deutschland werde durch Spionage, Desinformation und Cyberangriffe bedroht. | |
| In dem Jahresbericht wird vor Spionageaktivitäten gewarnt, die immer | |
| „vielgestaltiger und ausgefeilter“ würden. Sie seien eine „ernsthafte | |
| Bedrohung für Deutschland und deutsche Interessen“. Aktiv seien hierzulande | |
| China, Iran, die Türkei oder Nordkorea. Allen voran sei aber für Russland | |
| seit dem Angriffskrieg die Spionagearbeit „von hoher Bedeutung“ – mit Fok… | |
| auf die westlichen Sanktionen gegen Moskau und die Unterstützungshandlungen | |
| für die Ukraine. Das klare Ziel Russlands sei es, diese Unterstützung zu | |
| schwächen. | |
| Im Visier stünden die deutsche Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, | |
| das Militär – und Fragen der Energieversorgung, so der Verfassungsschutz. | |
| Eine mögliche Gasmangellage in Deutschland und eine gestiegene Inflation | |
| nutze Russland, um „Ängste in der Gesellschaft zu vertiefen“. Auch | |
| Desinformation durch staatliche russische Akteure oder durch | |
| Influencer:innen spiele eine Rolle. Zudem gebe es Hinweise auf | |
| russische Versuche, in Deutschland verbotene Rüstungsgüter zu beschaffen | |
| und Sanktionen zu umgehen, erklärt der Verfassungsschutz. | |
| Deutschland hatte bereits im April 2022 reagiert und [2][40 russische | |
| Diplomaten ausgewiesen], die als Geheimagenten tätig waren. Zuletzt hätten | |
| die russischen Geheimdienste versucht, neue Mitarbeiter in den Botschaften | |
| zu platzieren oder noch vor Ort befindliche Botschafter zu reaktivieren. | |
| Zukünftig sei damit mit noch „klandestineren und aggressiveren | |
| Spionageoperationen Russlands“ zu rechnen, auch im Cyberraum, warnt das | |
| Bundesamt. | |
| ## „Heißer Herbst“ verpuffte | |
| Und der Ukrainekrieg schlug sich auch auf deutschen Straßen nieder. | |
| Insgesamt 1.229 Straftaten zählte die Polizei hierzulande im Zusammenhang | |
| mit dem Krieg im vergangenen Jahr. Diese fallen in den Bereich des | |
| „auslandsbezogenen Extremismus“, dessen Delikte damit um 154 Prozent | |
| anstiegen. Darunter fielen etwa prorussische Autokorsos, Bedrohungen, | |
| Sachbeschädigungen, aber auch Gewalttaten. | |
| Auch die rechtsextreme Szene habe 2022 den russischen Angriffskrieg zu | |
| instrumentalisieren und zu rechtfertigen versucht, konstatiert der | |
| Verfassungsschutz. Der beschworene „Heiße Herbst“ und „Wutwinter“ habe | |
| indes [3][wenig Resonanz gefunden]. Die Szene habe sich daraufhin wieder | |
| auf das Thema Migration verlegt, so der Bericht. | |
| Insgesamt bleibe der Rechtsextremismus die größte extremistische Bedrohung | |
| für die Demokratie, erklärt Faeser. Und die Szene sei um knapp 5.000 | |
| Personen auf 38.800 Extremisten deutlich angewachsen, 14.000 davon gelten | |
| als gewaltbereit. Ein Grund für den Anstieg: Erstmals ist nun auch die | |
| AfD-Gesamtpartei dabei, die der Verfassungsschutz [4][im März 2022 als | |
| Verdachtsfall einstufte] und der er 10.200 Extremist:innen zurechnet. | |
| Der Partei wirft der Geheimdienst eine „generelle Herabwürdigung und | |
| Verächtlichmachung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland“ | |
| vor, statt sachliche Auseinandersetzungen zu führen. | |
| Eine „besondere Herausforderung“ in der rechtsextremen Szene seien auch | |
| selbstradikalisierte Täter ohne Szeneanbindung, wie die Attentäter von | |
| Hanau und Halle, warnt der Verfassungsschutz. Diese seien vor allem in | |
| Messengerdiensten und auf Internetplattformen aktiv, ideologische Merkmale | |
| seien hier zunehmend „aufgeweicht“. | |
| ## Reichsbürgerszene wächst | |
| Auch in der Reichsbürgerszene konstatiert der Verfassungsschutz „Narrative | |
| der russischen Staatspropaganda“. Hier würden vor allem die jüngsten | |
| Umsturzpläne und die Waffenaffinität zeigen, wie gefährlich das Milieu sei. | |
| Und auch hier wuchs die Szene: von 21.000 auf 23.000 Personen. Nur 1.250 | |
| von ihnen bewertet der Verfassungsschutz jedoch als klar rechtsextrem – er | |
| spricht von einer „Mischszene“. Jeder zehnte Reichsbürger gilt als | |
| gewaltorientiert. Und – trotz gegenläufiger politischer Ansagen – hätten | |
| Ende 2022 immer noch 400 Reichsbürger waffenrechtliche Erlaubnisse | |
| besessen. | |
| Zuletzt warnt der Geheimdienst auch von einer andauernden Gefahr durch | |
| Islamisten, deren Szene er 27.480 Personen zurechnet, ein leichter | |
| Rückgang. Anschlagsgefahr drohe hier vor allem durch Einzeltäter mit | |
| einfachen Tatmitteln wie Messern. Eine islamistische Motivation oder | |
| psychische Erkrankung bleiben beim Tatmotiv inzwischen häufig „unklar“. Die | |
| Bedrohung bleibe aber real, wie die Festnahmen mutmaßlich islamistischer | |
| Anschlagsplaner in [5][Castrop-Rauxel] und [6][Hamburg] im Januar und April | |
| dieses Jahres bewiesen. | |
| Auf linksextremer Seite sei der Krieg gegen die Ukraine dagegen | |
| „überwiegend scharf verurteilt“ worden, bemerkt der Jahresbericht. Aber | |
| auch hier wird gewarnt: Die Szene sei leicht auf 36.500 Personen gestiegen | |
| – die Zahl der Straftaten indes sank um 37 Prozent auf 3.874 Delikte. | |
| Einzelne Gewalttaten, vor allem gegen Rechtsextreme, wie im Fall der | |
| [7][Gruppe um Lina E.], seien aber „besonders erheblich“. Auch schotteten | |
| sich Teile der Szene ab und radikalisierten sich. Gehe das so weiter, könne | |
| das zu einer „Radikalisierungsspirale führen, die im schlimmsten Fall auch | |
| eine Entwicklung hin zu terroristischen Strukturen als möglich erscheinen | |
| lässt“, warnt der Verfassungsschutz. | |
| Als Gegenmaßnahme zu den mannigfaltigen Sicherheitsbedrohungen setzt Faeser | |
| unter anderem auf ihre Cybersicherheitsstrategie. Inklusive Gegenschläge | |
| auf angreifende IT-Infrastrukturen – die sogenannten „[8][Hackbacks]“, die | |
| in der Ampel durchaus strittig sind. Daneben plädiert Faeser auch für | |
| „repressive und präventive Maßnahmen“ der Sicherheitsbehörden sowie auf | |
| Maßnahmen der politischen Bildung und Demokratieförderung. | |
| 20 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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