Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vorlage auf Innenministerkonferenz: Gegen queerfeindliche Gewalt
> LSBTIQ*-feindliche Kriminalität steigt. Nun will Innenministerin Faeser
> Polizei-Ansprechstellen schaffen. Doch einige Länder sind dagegen.
Bild: Will Druck machen: Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch in Berl…
Berlin taz | Es ist Tagesordnungspunkt 33 auf der
[1][Innenministerkonferenz (IMK)], die seit Mittwochabend in Berlin tagt:
„Homophobe und transfeindliche Gewalt bekämpfen“. Der Punkt hat nicht die
oberste Priorität, aber Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will hier
Druck machen – auch weil der Bericht eines unabhängigen Arbeitskreises hier
vehement Maßnahmen einfordert.
In einer Beschlussvorlage von Faesers Ministerium für die IMK, die der taz
vorliegt, heißt es, man sehe „Handlungsbedarf, die Bekämpfung von [2][gegen
LSBTIQ-gerichteten Gewalttaten] durch geeignete Maßnahmen kontinuierlich
weiter zu verbessern“. Die „konsequente Strafverfolgung“ sei „ein wicht…
Baustein im Rahmen gesamtgesellschaftlicher Anstrengungen für ein
diskriminierungsfreies Zusammenleben“.
Die Zahlen [3][queerfeindlicher Gewalt] waren zuletzt stetig gestiegen. Das
BKA notierte für 2022 insgesamt 1.005 Straftaten im Bereich „sexuelle
Orientierung“ – ein Anstieg um 15 Prozent. Dazu kamen 417 Delikte im
Bereich „geschlechtsbezogene Diversität“. Beides ist allerdings nur ein
kleiner Ausschnitt – das BKA selbst geht von einem Dunkelfeld von 90
Prozent aus.
## Queere Geflüchtete besonders oft betroffen
Die Dringlichkeit für Faeser speist sich auch aus einem Bericht einer
unabhängigen Arbeitsgruppe. Ende 2021 hatte sich die IMK erstmals mit dem
Thema queerfeindliche Gewalt beschäftigt – und schließlich die Bildung
dieser Arbeitsgruppe beschlossen, mit Experten und Expertinnen aus
Verbänden, Behörden und Polizei. Und diese legte nun ihren Abschlussbericht
vor, der ebenfalls der taz vorliegt und auf der aktuellen IMK besprochen
werden sollte.
Auch der Bericht konstatiert einen „stetigen Anstieg der Gewalt“. Diese sei
hierzulande „leider immer noch eine traurige Realität“. Sie sei einerseits
Folge der wachsenden Sichtbarkeit der queeren Community, andererseits einer
zunehmenden Bereitschaft, die Straftaten anzuzeigen. Die Gewalt treffe die
LSBTIQ*-Community nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch an Schulen,
Arbeitsplätzen, in Vereinen, Familien oder Behörden. Hiergegen brauche es
„ein klares Signal gegen Diskriminierung und Hass“ aus der Gesellschaft, so
die Arbeitsgruppe weiter.
Vor allem Personen, die mehrere Merkmale vereinten – [4][etwa queere
Geflüchtete] –, seien besonders betroffen, konstatiert der Bericht. Daher
müssten Maßnahmen gegen unterschiedliche Formen gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit „miteinander verzahnt“ werden. Insgesamt sei
queerfeindliche Hasskriminalität „eine Gefahr für die innere Sicherheit und
für unsere Gesellschaft“, so der Bericht. „Es ist wichtig, dass jeder
Mensch in einer sicheren Umgebung leben kann.“
Daher brauche es bei queerfeindlicher Kriminalität „ein klares Signal gegen
Diskriminierung und Hass“ aus der Gesellschaft. Im Konkreten schlägt der
Bericht eine genauere Erfassung queerfeindlicher Gewalt bei der Polizei
vor. Das Themenfeld „geschlechtsbezogene Diversität“ sei missverständlich
und zu unkonkret. Bessere wäre eine Umbenennung in „trans*, inter*- und
nicht-binär-feindlich“. Auch sollte das BKA regelmäßig ein bundesweites
Lagebild zu queerfeindlicher Gewalt veröffentlichen.
Nötig sei auch eine „Intensivierung und Verstetigung“ der Zusammenarbeit
zwischen Polizeibehörden, Verbänden und Opferberatungsstellen. Letztere
müssten dafür „strukturell gestärkt“ und „ausreichend finanziert“ we…
Zudem sollte die Polizei mit den Beratungsstellen Leitfäden für
queerfeindliche Gewalt erarbeiten, damit Betroffene von ihren Rechten
wüssten.
Auch sollten die Länder bei der Polizei „eigenständige Ansprechstellen
LSBTIQ* im erforderlichen Umfang einrichten und mit Beschäftigten im Haupt-
und Nebenamt ausstatten“. Diese sollten „flächendeckend erreichbar“ sein,
was bisher „nicht genügend“ der Fall sei. Zuletzt müsse queerfeindliche
Hasskriminalität auch „selbstverständliches Querschnittsthema“ in der Aus-
und Weiterbildung der Polizei werden.
## Gesetze greifen „deutlich zu kurz“
Insgesamt gebe es bei dem Thema „große Wissensdefizite“, so der Bericht,
weshalb auch eine Schwerpunktstudie dazu sinnvoll wäre. Um das Dunkelfeld
der Straftaten aufzuhellen, sollten die Adressen der Anzeigenden besser
geschützt, Online-Anzeigen „niedrigschwellig“ ermöglicht und
[5][unabhängige Beschwerdeestellen] eingerichtet werden. Bei der Erfassung
durch Polizeibeamte sei ebenfalls eine Aus- und Fortbildung nötig. Es sei
„unerlässlich, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt als
selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft zu etablieren“. Und:
„Präventions- und Sensibilisierungsarbeit in den Strukturen der
gesellschaftlichen Institutionen wird besonders dann wirksam, wenn sie
bereits bei Kindern und Jugendlichen beginnt.“
Zuletzt plädiert der Bericht auch für Gesetzesverschärfungen. Jüngste
Gesetzentwürfe dazu griffen „deutlich zu kurz“. Stattdessen müsse beim
Paragrafen 192a für „Verhetzende Beleidigung“ auch das Geschlecht
mitaufgenommen werden. Gleiches sollte für den Paragraf 130, der
Volksverhetzung, passieren.
Ob die IMK dem Vorstoß Faesers und den Empfehlungen des Arbeitskreises
zustimmt, ist indes nicht ausgemacht. Nach taz-Informationen meldeten die
Unions-Innenminister aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen
schon im Vorfeld Bedenken an. Für eine Erarbeitung von Leitfäden für Rechte
von Betroffenen sei die Polizei nicht zuständig, sondern die Justiz. Auch
lehnen die drei Innenminister Joachim Herrmann (CSU), Thomas Strobl (CDU)
und Herbert Reul (CDU) LSBTIQ*-Ansprechstellen bei der Polizei ab: Dafür
seien „ausnahmslos“ die freien Beratungsstellen zuständig.
15 Jun 2023
## LINKS
[1] /Innenministerkonferenz-beredet-Migration/!5937590
[2] /Aktionsplan-fuer-sexuelle-Vielfalt/!5896128
[3] /Expert_in-ueber-Hass-gegen-Frauen/!5909440
[4] /Queere-Gefluechtete/!5637069
[5] /Projekte-gegen-Antifeminismus/!5916210
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt LGBTQIA
Nancy Faeser
Homophobie
Gewalt
Innenministerkonferenz
Queer
Kolumne Änder Studies
Niedersachsen
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
SPD
Innenministerkonferenz
Antifeminismus
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Therapeutin zu Gewalt in Queer-Beziehungen: „Ein Mantel des Schweigens“
Die Beratungsstelle „Gewaltfreileben“ unterstützt Menschen bei Gewalt in
queeren Beziehungen. Leiterin Constance Ohms über verinnerlichte
Queerfeindlichkeit.
Protest gegen AfD-Landrat: CSD in Sonneberg
Nach dem rechten Lokalwahlerfolg in Thüringen dreht unser*e Autor*in
auf dem Stadtplatz ein queeres Video. Es folgten keine Äxte, aber
Beschimpfungen.
Anschlag auf Toleranzdenkmal in Bramsche: Hass in der Kleinstadt-Idylle
In Bramsche ist ein Kunstwerk zum wiederholten Male angegriffen und
zerstört worden. Es warb in Regenbogenfarben für Vielfalt, Toleranz und
Offenheit.
Neuer Verfassungsschutzbericht: Eine Zeitenwende der Sicherheit
Der neue Verfassungsschutzbericht ist da. Präsident Haldenwang und
Innenministerin Faeser warnen vor russischer Spionage.
SPD-Spitzenkandidatin in Hessen: Faeser geht auf Attacke
Bundesinnenministerin Nancy Faeser lässt sich zur SPD-Spitzenkandidatin für
die Hessenwahl wählen – und muss die europäische Asylreform rechtfertigen.
Innenministerkonferenz in Berlin: Mehr Härte gegen Migration
Die Innenminister:innenkonferenz will mehr Länder als sichere
Herkunftsstaaten einstufen und Messer in Zügen verbieten. Die Kritik folgt
prompt.
Projekte gegen Antifeminismus: Vernetzen, melden, wehrhaft sein
Viele Menschen erleben im Alltag Antifeminismus, doch man muss diesem nicht
alleine gegenübertreten. Die taz stellt drei Anlaufstellen vor.
Gewalt gegen LGBTIQ*-Community: Transfeindlichkeit bleibt hoch
Seit 2020 gibt es ein berlinweites Monitoring zu queerfeindlicher Gewalt.
Im zweiten Bericht lag der Fokus auf Transfeindlichkeit.
Aktionsplan für sexuelle Vielfalt: Mehr Schutz für queere Menschen
Die Ampel-Regierung will mit einem Aktionsplan die Rechte von LGBTIQ+
stärken. Er sieht auch eine Anpassung im Grundgesetz vor.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.