# taz.de -- Anti-Terror-Einsatz im Ruhrgebiet: Suche nach dem Gift | |
> Die Polizei hat in der Nacht die Wohnung eines Mannes in Castrop-Rauxel | |
> gestürmt. Er soll einen Giftanschlag geplant haben. | |
Bild: Menschen in Schutzanzügen tragen einen Karton aus dem Haus, in dem der E… | |
BOCHUM taz | Ein Anti-Terror-Einsatz der Polizei in Castrop-Rauxel im | |
nördlichen Ruhrgebiet ist offenbar weitgehend ins Leere gelaufen. Laut | |
Aussage der ermittelnden Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf wurden | |
entgegen ersten Befürchtungen keine Hinweise auf die potenziell tödlichen | |
Chemikalien Rizin und Cyanid gefunden. „Die Überprüfung ist abgeschlossen. | |
Wir haben in der Wohnung des Verdächtigen und in den Nebengelassen nichts | |
Gefährliches, also keine Hinweise auf Giftstoffe gefunden“, sagte der | |
Sprecher der Ermittlungsbehörde, Oberstaatsanwalt Holger Heming, der taz. | |
Die Sicherheitsbehörden waren in der Nacht von Samstag auf Sonntag massiv | |
gegen einen in Castrop-Rauxel wohnenden Mann mit iranischer | |
Staatsbürgerschaft vorgegangen. Auf richterlichen Beschluss durchsuchten | |
Einsatzkräfte der Polizei und eines Sondereinsatzkommandos die Wohnung des | |
32-Jährigen. Gegen Mitternacht vor Ort waren auch Beamte des | |
Bundeskriminalamts und Chemieexperten des [1][Robert Koch-Instituts]. | |
Feuerwehrleute arbeiteten offenbar in Vollschutz-Anzügen – Rizin kann zu | |
Symptomen bis hin zum Kreislaufversagen, Cyanide wie das bekannte Zyankali | |
zur Atemlähmung führen. Der Einsatzort wurde weiträumig abgesperrt. Für den | |
Abtransport möglicher Beweismittel standen blaue Plastikfässer bereit. | |
Der Verdächtige wurde in Unterhose, mit nacktem Oberkörper und nur | |
notdürftig übergeworfener Jacke aus seiner Wohnung heraus abgeführt. | |
Ebenfalls in Gewahrsam genommen wurde ein weiterer Mann, bei dem es sich | |
nach Aussage von Oberstaatsanwalt Heming um den Bruder des 32-Jährigen | |
handeln soll. Beendet wurde der Einsatz noch in der Nacht: „Die dazu | |
gebildete Sonder-Aufbauorganisation wurde um 2:15 Uhr aufgelöst“, so ein | |
Sprecher der beteiligten Polizei Münster zur taz. | |
## Zugriff auf Basis von US-Geheimdienstinformationen | |
[2][Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU)] erklärte am | |
Sonntagmorgen, ein „ernstzunehmender Hinweis“ habe die Polizei veranlasst, | |
„noch in der Nacht zuzugreifen“. Dabei hat es sich offenbar um | |
Geheimdienstinformationen gehandelt: „Es gab nachrichtendienstliche | |
Hinweise aus den USA“, bestätigte Oberstaatsanwalt Heming der taz. | |
Ob und wann die beiden Männer einem Haftrichter vorgeführt werden sollen, | |
stand am Sonntag noch nicht fest. Die Ermittlungen dauerten an: Ausgewertet | |
werden müssten etwa noch Computer-Datenträger, sagte Heming. Wie konkret | |
ein Anschlagsplan bereits vorbereitet war und wie dieser gegebenenfalls | |
ausgesehen hat, blieb deshalb unklar. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete | |
allerdings unter Berufung auf „Sicherheitskreise“, der 32-Jährige stehe im | |
Verdacht, Anhänger einer sunnitischen islamistischen Terrorgruppe zu sein. | |
Er solle aber nicht im Auftrag staatlicher iranischer Behörden gehandelt | |
haben. | |
Obwohl keine Giftstoffe gefunden wurden, dankten Politiker von CSU, SPD und | |
Grünen der Polizei für ihren Einsatz. „Unsere Sicherheitsbehörden nehmen | |
jeden Hinweis auf islamistische Terrorgefahren sehr ernst – und handeln“, | |
erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD. Die Ermittlungen würden | |
nun zeigen, ob sich der Verdacht erhärte. Faeser ist jedoch überzeugt: „Es | |
ist weiterhin höchste Wachsamkeit geboten, um uns gegen islamistischen | |
Terror zu schützen.“ Seit dem Jahr 2000 hätten die Sicherheitsbehörden in | |
Deutschland 21 islamistische Anschläge verhindert. | |
Der Fall in Castrop-Rauxel zeige, „dass die terroristische Bedrohung | |
allgegenwärtig ist“, sagte der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, | |
Alexander Dobrindt. Der grüne Innenexperte Konstantin von Notz warnte | |
gegenüber der Funke Mediengruppe, „bei allen aktuellen, sehr | |
ernstzunehmenden Bedrohungen aus dem Bereich des militanten, gut vernetzten | |
Rechtsextremismus“ dürften „keineswegs von islamistischen Täterinnen und | |
Tätern ausgehende Gefahren aus dem Blick“ verloren und unterschätzt werden. | |
Im Fall Castrop-Rauxel müssten aber „zunächst die weiteren | |
Ermittlungsergebnisse abgewartet werden“. | |
8 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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