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# taz.de -- Manja Schreiners (CDU) Radwegestopp: „Ich bin entsetzt“
> ADFC-Landesvorstand Eberhard Brodhage über die Kommunikationspolitik der
> Verkehrsverwaltung und seine Befürchtungen für die Zukunft.
Bild: Manja Schreiner? Kai Wegner? Manche in der Mobilitäts-Szene kriegen da d…
taz: Herr Brodhage, am Mittwochmorgen gab es ein Gesprächsrunde bei der
Verkehrssenatorin, zu der Sie eingeladen waren – worum ging es da?
Eberhard Brodhage: Frau Schreiner hatte VertreterInnen von rund 25
Verbänden, die sich mit dem Thema Mobilität befassen, zu einem „Runden
Tisch Radwege“ eingeladen. An diesem Tisch saßen auch ADAC, Polizei und
Feuerwehr, Organisationen für Menschen mit Behinderungen, Wissenschaft und
Forschung oder die Fahrradwirtschaft.
Vermutlich ging es auch um den aktuellen Radwegestopp.
[1][Die Senatorin bat mehrfach darum], das Wort „Stopp“ nicht zu verwenden,
weil es ja nur eine Prüfungsphase sei. Für mich ist das Haarspalterei. Man
könnte den Vorgang auch als „rechtswidrige Haushaltssperre“ bezeichnen, wie
einige Bezirksämter es tun.
Die Stimmung war also angespannt?
Wir haben durchaus begrüßt, dass es eine Gelegenheit zum Dialog gab. Frau
Schreiner und ihre Staatssekretärin Claudia Stutz haben sich allerlei
notiert, nur konkrete Fragen zur Zukunft der Radinfrastruktur wurden nicht
beantwortet. Am Ende des Tages stellte sich das Ganze leider als Farce
heraus.
Wieso?
Ohne dass wir im Gespräch davon erfahren hätten, teilte die
Senatsverwaltung eine Stunde danach per Pressemitteilung mit, dass sie fünf
Projekte tatsächlich vorerst gestoppt habe. Das war eine maßlose
Enttäuschung. Zumal bei unserem Treffen ganz konkret nach der Planung für
die Sonnenallee südlich des S-Bahnhofs Köllnischen Heide gefragt wurde. Da
hieß es: „Wir prüfen.“ Ganz offensichtlich stand die Entscheidung zu dies…
Zeitpunkt aber schon fest, wahrscheinlich war sogar schon die Mitteilung
geschrieben.
Sechs Maßnahmen wurden ja auch „genehmigt“.
Viele davon befinden sich in einem Planungs- oder Baufortschritt, bei dem
es eigentlich nichts mehr zu genehmigen gab. Insofern ist hier für mich
kein echter Fortschritt erkennbar.
Ärgert Sie dieser Umgang?
Endlos! Ich bin entsetzt über die Form der Kommunikation und die vergebene
Chance von der Verkehrssenatorin, sich dieser Entscheidung in einer
Diskussion zu stellen. Inhaltlich handelt es sich um einen klaren Bruch mit
dem Mobilitätsgesetz, das gerade sein fünftes Jubiläum gefeiert hat.
[2][Unsere große Demonstration am letzten Sonntag] hat ja wieder gezeigt,
dass die Breite der Gesellschaft hinter diesem Gesetz steht, dass es keine
kleine Blase ist, die sichere Rad- und Schulwege fordert und die will, dass
im Straßenverkehr niemand mehr getötet wird. Diese Ziele sollen jetzt dem
Erhalt von Parkplätzen und der Flüssigkeit des Autoverkehrs untergeordnet
werden.
Können Sie denn in irgendeiner Weise nachvollziehen, warum einige Projekte
einer vertieften Prüfung bedürfen sollen?
Nein. Sie basieren auf dem Mobilitätsgesetz und dem Radverkehrsplan, ihnen
liegen teilweise extrem langwierige Untersuchungen und Vorplanungen
zugrunde. Dass sie auf eine Neuverteilung der Fläche zugunsten des
Radverkehrs abzielen, ist in den Prioritäten des Mobilitätsgesetzes
begründet, das ja aus einem Volksentscheid-Prozess hervorgegangen ist. Nach
welchen Kriterien die Senatsverwaltung diese Entscheidungen getroffen hat,
ist völlig unklar. Nehmen Sie die Schöneberger Hauptstraße: Deren Umbau
wurde auf breitester Basis abgestimmt, mit Polizei und Feuerwehr, mit den
Gewerbetreibenden, mit dem Fußverkehr. Auch nach unseren Vorstellungen war
die Lösung vielleicht nicht das Beste vom Besten, aber eben ein umsetzbarer
Kompromiss. Wahrscheinlich geht es jetzt darum, dass einige Parkplätze an
der Straße wegfallen sollen. Aber wir können die dahinter liegenden
fachlichen Kriterien höchstens versuchen zu rekonstruieren – die werden
nicht transparent gemacht.
Haben Sie einen Überblick, wie viele Projekte jetzt noch auf Eis liegen?
Wir haben versucht, diese Informationen zusammenzuführen, wobei die
Projektkarte der infravelo eine große Hilfestellung ist. Daraus ergeben
sich rund 60 Maßnahmen, die noch gestoppt sind, es gibt aber noch andere,
die diese Datenbank nicht enthält. So weit ist die angebliche smart city
doch noch nicht, dass wirklich alles, was zwischen dem Senat und den zwölf
Bezirken geschieht, transparent wäre. Immerhin hat der Regierende
Bürgermeister mittlerweile signalisiert, dass alle von den Bezirken
verantworteten Maßnahmen freigegeben sind – das betrifft also das
Nebenstraßennetz.
Rechnen Sie damit, dass die Standards für künftige Planungen abgesenkt
werden?
Im Moment wird über administrative Maßnahmen in die Umsetzung des
Radverkehrsplans eingegriffen – wobei wir einige Schritte für rechtswidrig
halten. Angesichts von Aussagen, die Frau Schreiner und Herr Wegner gemacht
haben, erwarten wir aber leider, dass das Mobilitätsgesetz in seinen
Kernaussagen angepasst werden soll. Wobei „Anpassung“ ein viel zu höfliches
Wort ist: Wir befürchten, dass es in Bezug auf Klima- und
Menschenfreundlichkeit entkernt wird. Wir sagen da ganz klar: Nicht mit
uns. Wir werden Öffentlichkeit schaffen, wir werden kämpfen und
demonstrieren – aber wir werden leider auch weitere im Verkehr Getötete zu
beklagen haben.
Der Initiator des Volksentscheids Fahrrad, Heinrich Strößenreuther,
[3][verwettet mittlerweile Bierkisten darauf], dass seine Partei – die CDU
– in drei Jahren mehr Radwege bauen wird als die Grünen in sieben Jahren.
Wetten Sie dagegen?
Natürlich sind unter der letzten Regierungskoalition zu wenige Radwege
gebaut worden, aber der Radverkehrsplan sieht ja einen Hochlauf bei der
Infrastruktur vor. Und mittlerweile gibt es rund 100 Menschen in den
Verwaltungen, die Radwege planen. Es geht nicht einfach um mehr oder
weniger, sondern darum, die Vorgaben des Mobilitätsgesetzes und des
Radverkehrsplans einzuhalten. Was das Wetten angeht – bei diesem Thema ist
mir nicht zum Spaßen zumute. Eine Kiste Bier auf etwas zu wetten, was ein
Hauptanliegen der Berliner Politik sein sollte, ist für mich unterhalb der
Gürtellinie.
6 Jul 2023
## LINKS
[1] /Abgeordnetenhaus-von-Berlin/!5940373
[2] /Fahrraddemo-in-Berlin/!5941684
[3] https://twitter.com/wegeheld/status/1671230447714435073
## AUTOREN
Claudius Prößer
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