# taz.de -- Jahresbericht Flüchtlingswerk UNHCR: 110 Millionen auf der Flucht | |
> Der Krieg in der Ukraine hat den schnellsten Anstieg der | |
> Flüchtlingszahlen seit dem Zweiten Weltkrieg verursacht. Die Türkei hat | |
> die meisten Flüchtlinge aufgenommen. | |
Bild: 5,7 Millionen Menschen haben die Ukraine seit Kriegsbeginn verlassen: Gef… | |
BERLIN taz | Den letzten Schub brachte im Mai [1][die Krise im Sudan]: Sie | |
ließ die aktuelle Zahl der weltweit Vertriebenen auf schätzungsweise über | |
110 Millionen Menschen ansteigen. Das gab das UN-Flüchtlingswerk UNHCR | |
anlässlich der Veröffentlichung seines Jahresberichts am Mittwoch bekannt. | |
Demnach mussten allein im Jahr 2022 rund 19 Millionen Menschen zusätzlich | |
ihre Heimat verlassen. Sowohl die Gesamtzahl als auch der jährliche Anstieg | |
markieren neue Rekorde. | |
„Diese Zahlen zeigen uns, dass Konfliktparteien viel zu schnell einen | |
Konflikt beginnen, ohne politischen Lösungen genügend Raum zu geben, und | |
viel zu langsam sind, um Lösungen zu finden“, sagte der Hohe Kommissar der | |
UN für Flüchtlinge, Filippo Grandi. „Die Folgen sind Verwüstung, | |
Vertreibung und Leid für jeden einzelnen der Millionen Menschen, die | |
gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben wurden.“ | |
Von den 108,4 Millionen bis Ende 2022 Vertriebenen sind 35,3 Millionen | |
Flüchtlinge, also Menschen, die eine internationale Grenze überquert haben. | |
Bei 62,5 Millionen Menschen handelte es sich im sogenannte | |
Binnenflüchtlinge, die innerhalb ihrer Heimatländer Schutz suchten. | |
## 5,7 Millionen Flüchtlinge als Folge des Ukraine-Kriegs | |
Der Krieg in der Ukraine machte im Jahr 2022 die stärkste Veränderung aus. | |
Er ließ die Zahl der internationalen Flüchtlinge aus dem Land auf 5,7 | |
Millionen ansteigen. Es ist die schnellste Entwicklung einer | |
Flüchtlingssituation seit dem Zweiten Weltkrieg. Zum Vergleich: Aus Syrien | |
floh die gleiche Zahl an Menschen nach 2011 innerhalb von vier Jahren. | |
Weiterhin finden die mit Abstand meisten Menschen Schutz in armen Ländern. | |
Allein auf die 46 am wenigsten wirtschaftlich entwickelten Staaten der Erde | |
entfallen weniger als 1,3 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, aber | |
mehr als 20 Prozent der Flüchtlingsaufnahme. Internationale Hilfen für | |
humanitäre Hilfe und Aufnahmeländer blieben derweil nach Angaben des UNHCR | |
auch 2022 „weit hinter dem Notwendigen zurück“. | |
Die Staaten mit der höchsten Flüchtlingsaufnahme weltweit waren die Türkei | |
(3,6 Millionen), Iran, wohin rund 3,4 Millionen Afghan:innen geflohen | |
sind, Kolumbien, das rund 2,5 Millionen Venezolaner:innen aufnahm, | |
und auf Platz 4 Deutschland mit rund 2,1 Millionen Aufgenommenen. An der | |
Spitze der Herkunftsländer lag Syrien mit 6,5 Millionen, gefolgt von der | |
Ukraine und Afghanistan mit je 5,7 Millionen. Den höchsten absoluten | |
Zuwachs an neuen Asylanträgen verzeichneten die USA mit rund 730.000 | |
Schutzgesuchen, gefolgt von Deutschland mit rund 218.000 Anträgen. | |
„Menschen auf der ganzen Welt zeigen weiterhin eine außergewöhnliche | |
Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen, indem sie ihnen Schutz und Hilfe | |
gewähren“, sagte Grandi. „Aber wir brauchen viel mehr internationale | |
Unterstützung und eine gerechtere Aufteilung der Verantwortung, gerade mit | |
den Ländern, die die meisten Vertriebenen aufnehmen.“ | |
## Fast 340.000 Flüchtlinge kehrten freiwillig heim | |
Zu den positiven Entwicklungen zählt, dass viele Menschen das Exil wieder | |
verlassen konnten. 2022 kehrten mehr als 339.000 Flüchtlinge freiwillig in | |
38 Länder heim, etwa in den Südsudan, nach Syrien, Kamerun und Côte | |
d’Ivoire. Gleichzeitig kehrten im vergangenen Jahr 5,7 Millionen | |
Binnenvertriebene zurück in ihre Heimat, vor allem in Äthiopien, Myanmar, | |
Syrien, Mosambik und in der Demokratischen Republik Kongo. | |
Kein öffentliches Wort der Kritik kam vom UNHCR an den einschneidenden | |
Verschärfungen des [2][Asylrechts in der EU]. Andere Organisation nahmen | |
die neuen Flüchtlingszahlen hingegen dafür zum Anlass. | |
So sagte David Miliband, der Präsident des International Rescue Committee, | |
die Rekordzahl von Vertriebenen zeige, wie unzureichend die Reaktionen der | |
internationalen Gemeinschaft auf die humanitären Auswirkungen von | |
Konflikten und der Klimakrise sei. | |
Gleichzeitig würden die globalen Mechanismen, die vor humanitärem Leid | |
schützen sollen, immer weiter abgebaut. Die von der EU beabsichtigten und | |
„von den EU-Innenminister*innen inklusive der [3][von Ministerin Faeser“ | |
kürzlich abgesegneten Grenzverfahren] hätten zur Folge, dass noch mehr | |
Menschen, Kinder nicht ausgenommen, unter haftähnlichen Bedingungen an den | |
Außengrenzen festgehalten werden, so Miliband. Es bestehe die Gefahr, dass | |
„Verantwortliche für gewalttätige und illegale Pushbacks weiterhin nicht | |
zur Rechenschaft gezogen werden“. | |
Angesichts der größten Vertreibung seit dem Zweiten Weltkrieg sei es „sehr | |
besorgniserregend, dass vor allem die Länder mit hohem Einkommen | |
Geflüchtete und Asylsuchende nicht mit Menschlichkeit und Gerechtigkeit, | |
sondern mit Unmenschlichkeit und Grausamkeit empfangen. Anstatt Sicherheit | |
zu garantieren, verstärken diese grundlosen politischen Entscheidungen nur | |
die unsicheren Bedingungen, vor denen asylsuchenden Menschen überhaupt erst | |
fliehen.“ | |
14 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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