# taz.de -- Flucht aus dem Bürgerkrieg: Ohne Reisepass kein Durchlass | |
> Die meisten ausländischen Botschaften sind geschlossen. Nun stehen | |
> hunderte Sudanes:innen ohne Pässe da, eine Ausreise ist unmöglich. | |
Bild: Anfang Mai ging noch was in der US-Botschaft von Khartum: Sudanes:innen w… | |
Ahmed hatte sich Anfang April bei der Deutschen Botschaft in Khartum für | |
ein Visum beworben. Er ist Ingenieur und hatte in Deutschland einen Job in | |
einem Unternehmen gefunden. Für die Visavergabe hatte er seinen Pass bei | |
der Botschaft im Stadtteil Karfuri in Khartum-Nord gelassen. Nur wenige | |
Tage später brach der Krieg aus. Die Botschaft wurde geschlossen. Ahmeds | |
Pass blieb da. | |
Schon mehrere Male hat er E-Mails an die Botschaft und das Auswärtige Amt | |
geschrieben. Außer einer automatisierten Antwort des Auswärtigen Amts habe | |
er bis heute keine Antwort erhalten, sagt er. „Ich habe auch versucht, sie | |
anzurufen, aber ihre Telefone sind aus.“ | |
Ahmed ist einer von Hunderten Menschen in Sudan, deren Pässe zu | |
Kriegsbeginn in einer der europäischen Botschaften in Khartum lagen und die | |
seither im Krieg gefangen sind. Wie viele genau von der Passeinbehaltung | |
Deutschlands betroffen sind, dazu gibt es keine eindeutigen Zahlen. In | |
einer Pressekonferenz des Auswärtiges Amtes am 3. Mai wurde bekannt | |
gegeben, es handle sich um „eine dreistellige Anzahl von Pässen“, genauer | |
sei das nicht zu beziffern. | |
Ahmed ist inzwischen [1][aus Khartum geflohen]. Er ist jetzt im Bundesstaat | |
Sennar, im Südosten des Landes. Sennar grenzt an [2][Äthiopien]. Dorthin | |
fliehen kann er nicht, denn ohne Pass kann er die Grenze nicht überqueren. | |
Andere stecken in Khartum fest: „Meine Familie ist in Saudi-Arabien, aber | |
ich kann ihnen nicht folgen, weil mein Pass bei der Deutschen Botschaft | |
liegt“, erzählt ein junger Mann, der unerkannt bleiben möchte. Er ist nun | |
alleine in Khartum, inmitten der Gefechte. | |
## „Man kann nichts planen“ | |
Eine weitere Betroffene hatte bereits am 15. April per E-Mail bei der | |
Deutschen Botschaft nachgefragt. Dreieinhalb Wochen musste sie auf eine | |
Antwort warten. Diese war mehr als ernüchternd. Dort stand unter anderem, | |
eingereichte Reisepässe könnten derzeit nicht zurückgegeben werden. | |
„Die Botschaft ist geschlossen. Es ist ungewiss, wann sich das ändern wird. | |
Wir prüfen, ob und wie wir die Passausstellung für alle Beteiligten | |
möglichst sicher gestalten können, und werden die Betroffenen informieren, | |
sobald wir eine Lösung gefunden haben.“ | |
Außerdem wurde die Frau dazu aufgefordert, ihre neue Wohnadresse | |
durchzugeben, sollte sie Sudan inzwischen verlassen haben. Da sie Sudan | |
ohne Pass gar nicht verlassen kann, führt diese Antwort zu Frust: | |
„Vermutlich waren sie zu beschäftigt, ihre eigenen Mitarbeiter und Bürger | |
zu evakuieren“, kommentiert sie. | |
„Dass wir unsere Pässe nicht haben, ist das größte Problem für uns. Denn | |
man kann sich nicht frei bewegen. Man kann nicht einmal etwas planen. Man | |
weiß nicht, was der nächste Schritt sein könnte, weil man nicht weiß, ob | |
die Gegend, in der man sich aufhält, sicher ist. Und man kann sich nicht an | |
die Grenze begeben, weil man keine Papiere bei sich hat und nicht weiß, | |
wann man sie abholen kann“, erklärt ein junger Mann, der ebenfalls in | |
Khartum feststeckt. Auf seine Regierung könne er sich ebenso wenig | |
verlassen: „Man ist hier in Sudan buchstäblich gefangen.“ | |
## Vernichtete Reisepässe? | |
Zwar können Sudanes:innen Papiere beantragen. Aber aufgrund fehlender | |
administrativer Strukturen ist dies zurzeit stark eingeschränkt. Außerdem | |
seien diese Papiere Notfalldokumente, erklärt eine Betroffene. Mit diesen | |
könne man zwar nach Sudan einreisen, aber eben nicht heraus. | |
Gerüchte und Unklarheiten verstärken die Unsicherheiten der Menschen. Es | |
hieß zum Beispiel über die Deutsche Botschaft, diese sei nach ihrer | |
Schließung überfallen und ausgeraubt worden und alle Pässe gestohlen. | |
Französische Staatsbürger:innen berichten, Frankreich habe die Pässe | |
gezielt vernichtet. | |
Der taz liegt ein Foto vor, das zeigt, wie weiße Kinder sudanesische Pässe | |
zerreißen und in Müllsäcke stecken. Für Deutschland konnte dies zwar nicht | |
bestätigt werden, aber da die Betroffenen auch einen Monat nach | |
Kriegsausbruch im Dunkeln gelassen werden, steigt ihre Angst, dass auch | |
ihre Pässe gar nicht mehr existieren. | |
Die Aktivist:innengruppe Sudan Uprising Germany hat das Auswärtige | |
Amt in einem offenen Brief zu einer sofortigen Rückgabe der Reisepässe | |
aufgefordert. Sie verlangen eine Ermöglichung der Flucht aus Sudan auch für | |
im Sudan gefangene Drittstaatler:innen, etwa aus Syrien und Jemen, sowie | |
eine Ermöglichung des Familiennachzugs. | |
15 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Saskia Jaschek | |
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