| # taz.de -- Dürre in Deutschland: Wann wird’s wieder richtig nass? | |
| > Selbst wenn es kurz regnet, die Böden bleiben ausgetrocknet. In manchen | |
| > Regionen ist es dramatisch. Sechs Fragen und Antworten zur Dürre. | |
| Bild: Wenn es nicht vom Himmel kommt, dann aus dem Schlauch. Solange das Grundw… | |
| 1 Täuscht das, oder hat es in den vergangenen Monaten wirklich zu wenig | |
| geregnet? | |
| Der Mai 2023 war in Deutschland „deutlich zu trocken“, [1][urteilt der | |
| Deutsche Wetterdienst (DWD)]. Über das ganze Land verteilt betreibt der DWD | |
| etwa 2.000 Wetterstationen, an denen die Niederschlagsmenge in | |
| Messzylindern aufgefangen wird. So fielen im Mai im Durchschnitt etwa 45 | |
| Liter pro Quadratmeter – was nur rund 64 Prozent des Niederschlags der | |
| Referenzperiode 1961 bis 1990 entspricht. | |
| Allerdings gilt für diesen Wert das alte russische Sprichwort: „Im | |
| Durchschnitt war der Dorfteich einen halben Meter tief – und trotzdem ist | |
| die Kuh ersoffen.“ Während es nämlich in den westlichen Mittelgebirgen und | |
| vor allem an den Alpen im Mai bis zu 200 Liter Regen je Quadratmeter gab, | |
| waren es in der Altmark, auf der Mecklenburgischen Seenplatte und in | |
| Vorpommern keine 5 Liter. Auch in den anderen ostdeutschen Regionen sowie | |
| in Norddeutschland fiel zu wenig Regen. Das ist dramatisch, weil es in | |
| einigen dieser Regionen bereits im März und April nicht genug war. | |
| 2 Wie sieht es aktuell aus? | |
| Auch im Juni fiel bislang viel weniger Regen als im Durchschnittsjuni der | |
| Referenzperiode 1961 bis 1990 – „bis zur Monatsmitte lediglich 6 Prozent“, | |
| sagt DWD-Sprecher Uwe Kirsche. Immerhin könnte sich das teilweise ab diesem | |
| Samstag, dem „Welttag zur Bekämpfung der Dürre“, ändern: Im Osten drohen | |
| Gewitter mit lokalem Unwetterpotenzial durch heftigen Starkregen, | |
| [2][warnt der DWD]. | |
| Vor 29 Jahren hatten die Vereinten Nationen diesen [3][„Welttag“] ins Leben | |
| gerufen, um Staaten an ihre Unterschrift unter das 1994 unterzeichnete | |
| Abkommen gegen das weitere Ausbreiten von Wüsten zu erinnern. Weltweit sind | |
| heute rund 40 Prozent der Landmasse „Trockengebiete“, aber längst nicht nur | |
| dort ist der Kampf um Trinkwasser alltäglich. Beispielsweise leidet Uruguay | |
| derzeit unter einer extremen Dürre. | |
| 3 Was ist das eigentlich: Dürre? | |
| Auf jeden Fall mehr als nur ausbleibender Regen. Dürre ist auch eine Frage | |
| der Bodenbeschaffenheit, der hydraulischen Leitfähigkeit und der | |
| Verdunstung. Sandige Böden nehmen Wasser zwar schneller auf als schwere, | |
| tonhaltige; sie speichern Feuchtigkeit aber auch wesentlich schlechter. | |
| Hitze trocknet die Erde aus, wodurch sich ihre hydraulische Leitfähigkeit | |
| minimiert. Bei hohen Temperaturen verdunsten Bäume beispielsweise mehr | |
| Feuchtigkeit, um sich selbst zu kühlen. „Dürre ist kein absoluter Zustand�… | |
| erklärt Andreas Marx, vom Umweltforschungszentrum Leipzig. „Als | |
| Dürremonat wird ein Monat beschrieben, der 80 Prozent weniger Bodenfeuchte | |
| aufweist als im Mittel der Jahre 1951 bis 2015.“ | |
| Marx betreut den [4][Dürremonitor] des Umweltforschungszentrums. Dieser | |
| zeigt auf drei verschiedenen Karten das für den Pflanzenwuchs verfügbare | |
| Wasser im Boden sowie Dürre im Oberboden (bis 25 Zentimeter Tiefe) und im | |
| Unterboden (1,8 Meter Tiefe) an. Dreiviertel Deutschlands sind beim | |
| „verfügbaren Wasser“ derzeit rot eingefärbt: Null Prozent, die Vegetation | |
| ist am sogenannten Welkepunkt. Ohne Wasser können Pflanzen die | |
| Photosynthese nicht mehr durchführen, sie verwelken. | |
| In der Karte des Oberbodens sind viele Stellen hellgelb gefärbt, also | |
| „ungewöhnlich trocken“. In Baden-Württemberg, Franken, Südniedersachsen, | |
| Ost- und Norddeutschland gibt es beigefarbene Gebiete, die „moderate | |
| Dürre“. In Sachsen, an der Ostseeküste, im Harz und in den Alpen leuchten | |
| tiefgelbe bis rote Punkte – „schwere“ und „extreme Dürre“. In der | |
| Unterbodenkarte gibt es sogar große Gebiete, die tiefrot eingefärbt sind: | |
| Am Oberrhein, in der Pfalz, der Altmark, im Harz, in der Lausitz, an der | |
| Ostsee und im Weserbergland herrscht dort im Boden, wo beispielsweise die | |
| Bäume ihr Wasser beziehen, „außergewöhnliche Dürre“ – die höchste de… | |
| Warnstufen. | |
| 4 Wie ist das zu interpretieren? | |
| Die erste Karte beschreibt, was der Wetterdienst ermittelte: Es gab in | |
| etlichen Regionen zuletzt zu wenig Regen. Die zweite Karte illustriert die | |
| Folgen: Die Dürregefahr nimmt zu. Karte drei zeigt die Folgen der | |
| vergangenen Jahre, sozusagen das „Gedächtnis“ des Bodens. | |
| Die „außergewöhnliche Dürre“ im Unterboden ist ein Resultat der trockenen | |
| und heißen Jahre 2018, 2019, 2020 und 2022. „Ausgedörrte Böden sind in der | |
| Regel selbst nach einem starken Regenguss staubtrocken“, sagt Andreas Marx. | |
| Zwar sehe die Oberschicht nach einem Platzregen oft nass aus, doch bis in | |
| die tieferen Schichten dringt der Regen nicht mehr vor. Der Meteorologe | |
| vergleicht das mit dem Kuchenbacken: „Schüttet man Milch auf trockenes | |
| Mehl, vermengt sich beides kaum. Ein feuchter Teig hingegen nimmt | |
| Flüssigkeit sehr leicht auf.“ | |
| Ausgedörrte Tiefenschichten also können Wasser nicht mehr aufnehmen, es | |
| perlt an ihnen ab, verbleibt in den höheren Bodenschichten oder fließt | |
| gleich an der Erdoberfläche ab. | |
| 5 Welche Folgen hat das? | |
| Überraschenderweise steigt durch Dürre die Flutgefahr. Eben weil | |
| staubtrockener Boden kaum Feuchtigkeit aufnimmt, rauschen im Gewitterfall | |
| die Wassermassen nahezu unaufhaltsam gen Tal. Und auch die Wälder leiden. | |
| Nach dem aktuellen Waldzustandsbericht sind mittlerweile vier von fünf | |
| Bäumen krank. Aber nicht nur im Wald geht es ihnen schlecht. Berlin zum | |
| Beispiel hat in den vergangenen Trockenjahren Tausende Stadtbäume verloren. | |
| Außerdem setzt die Dürre dem Grundwasser zu. „Wenn weniger Wasser im Boden | |
| ist, dann steht auch weniger Wasser zur Grundwasserneubildung bereit“, | |
| erklärt Andreas Marx. Die Wasserversorgung in Deutschland basiert zu 70 | |
| Prozent auf Grundwasser. Wasserwerke dürfen nur so viel davon fördern, wie | |
| sich auf Dauer neu bildet. Und da haben uns die jüngsten Sommer eine | |
| Gewissheit geraubt, die in Deutschland jahrzehntelang galt: Dass es | |
| genügend Wasser für alle gäbe. | |
| 6 Was heißt das für diesen Sommer? | |
| Prognosen sind bekanntlich schwierig, trotzdem gibt es beim Deutschen | |
| Wetterdienst eine „Jahreszeitenvorhersage“, in der die Monate Juli, August | |
| und September abgebildet werden. „Demnach wird es in diesem Jahr 1 Grad | |
| wärmer werden, als im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 2019“, sagt | |
| DWD-Sprecher Kirsche. Und es wird, so die Prognose, bis zu 25 Prozent | |
| weniger Regen geben. | |
| 18 Jun 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2023/20230530_deutschlan… | |
| [2] https://www.dwd.de/DE/wetter/vorhersage_aktuell/vhs_brd_node.html;jsessioni… | |
| [3] https://www.bmuv.de/service/veranstaltungen/veranstaltung/welttag-fuer-die-… | |
| [4] https://www.ufz.de/index.php?de=37937 | |
| ## AUTOREN | |
| Nick Reimer | |
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