# taz.de -- Folgen von Wasserknappheit: Uruguay versalzt sein Trinkwasser | |
> Wegen Dürre werden Wasservorräte mit salzhaltigem Wasser aus Meeresnähe | |
> gestreckt. Das überschreitet die WHO-Höchstwerte für Natriumchlorid. | |
Bild: Protestaktion in Montevideo für eine nachhaltige Regierungspolitik anges… | |
BUENOS AIRES taz | Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou hat zu Wochenbeginn | |
den Wassernotstand für die Hauptstadt und den Großraum Montevideo | |
ausgerufen. Betroffen sind rund 1,8 Millionen Menschen und damit mehr als | |
die Hälfte der Bevölkerung des kleinen Landes. Deren wichtigste | |
Versorgungsquelle ist der Stausee Paso Severino, der große | |
Süßwasserspeicher 85 Kilometer nördlich von Montevideo, dessen | |
Wasservorräte schwinden. Eine Besserung ist nicht einmal langfristig in | |
Sicht. | |
Seit drei Jahren stöhnt Uruguay unter einer Dürre. Forscher*innen machen | |
dafür das Wetterphänomen La Niña verantwortlich, das in [1][Südamerika für | |
geringe Niederschläge] sorgt. Die offizielle Erklärung der Regierung lautet | |
denn auch, dass der Río Santa Lucia mangels Regen den Stausee nicht mehr | |
ausreichend füllt. Mitte Juni waren noch 3,7 Millionen der insgesamt 67 | |
Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen vorhanden, ein neuer historischer | |
Tiefstand seit 1949. Weil das Wasser aus dem Stausee allein nicht mehr | |
ausreicht, um den Ballungsraum zu versorgen, wird es mit Wasser aus dem Río | |
de la Plata vermischt. Und da Uruguay an der Mündung des Río de la Plata | |
ins Meer liegt, entsteht so ein Gemisch aus Süß- und Brackwasser. | |
## Die Salzwerte stiegen rasant an | |
Seit Anfang Mai kommt das salzhaltigere Wasser aus den Hähnen und zweimal | |
musste die Gesundheitsbehörde die erlaubten Höchstwerte für Natriumchlorid | |
anheben. Zunächst von 200 auf 440 Milligramm, dann auf 700 Milligramm pro | |
Liter. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen Grenzwert von | |
höchstens 200 mg. Zudem muss mehr Chlor eingesetzt werden, um das Wasser | |
aus dem Río de la Plata zu behandeln. „Es ist absolut sicher, dass die | |
Erhöhung der Werte 45 Tage lang keine gesundheitlichen Schäden verursachen | |
wird“, versuchte Gesundheitsministerin Karina Rando zu beruhigen. | |
Die Tarife für die unappetitliche Brühe wurden noch gesenkt. Stattdessen | |
ließ der starke Salz- und Chlorgeschmack die Nachfrage und die Preise für | |
in Flaschen und Kanistern abgefülltes Trinkwasser in den Supermärkten so | |
sehr in die Höhe schnellen, dass die Regierung die Steuer auf die Behälter | |
senkte und ärmeren Verbraucher*innen derzeit zwei Liter pro Tag | |
kostenlos zur Verfügung stellt. | |
Die Wassernot ist derart groß, dass in dem rund 60 Hektar großen Parque | |
Batlle, der grünen Lunge im Zentrum der Hauptstadt, zwei Brunnen mit einer | |
Tiefe von 90 und 42 Metern gebohrt wurden, die bis zu 480 Kubikmeter | |
trinkbares Wasser pro Tag liefern. Angesichts der täglich benötigten | |
Wassermenge für Montevideo von bis zu 600.000 Kubikmetern ist es ein | |
Tropfen auf den heißen Stein, wie selbst der staatliche Wasserversorger OSE | |
einräumt. Da der Salzgehalt geringer ist, wird es immerhin für die | |
Versorgung von Krankenhäusern und Schulen genutzt. | |
## Umweltschutzgruppen klagen die Wirtschaft an | |
Für Uruguays Umweltschutzgruppen wie Redes – Amigos de la Tierra gibt es | |
noch eine ganz andere Ursache: Der Regen bleibe aus, weil die Landnutzung | |
radikal verändert wurde. „No es sequía, es saqueo – Es ist keine Dürre, … | |
ist Plünderung“, so der Protestruf. Nicht nur die jetzige liberale | |
Regierung von Präsident Lacalle Pou, auch die progressiven | |
Vorgängerregierungen hätten die [2][Wasserversorgung von Industrie und | |
Agrarwirtschaft] über die Versorgung der Bevölkerung gestellt. Allen voran | |
die wasserintensiven Zellulosefabriken sowie die dafür angelegten | |
Agrarindustrieplantagen von Pinien- und Eukalyptusbäumen. | |
Die Kritik ist umso berechtigter, da seit Jahren vor dem jetzigen Zustand | |
gewarnt wurde. Denn das Recht auf sauberes Trinkwasser ist in Uruguays | |
Verfassung verankert. „Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu sanitären | |
Einrichtungen ist ein grundlegendes Menschenrecht“, heißt in Artikel 47, | |
für den sich 2004 eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung ausgesprochen | |
hatte und der zugleich der Privatisierung von Wasserrechten einen Riegel | |
vorschob. | |
Befürchtet wird, dass die liberale Regierung den Wassernotstand jetzt | |
nutzt, um mit großangelegten Projekten privaten Investoren die Hintertür zu | |
öffnen. Der jetzt ausgerufene Notstand dient in erster Linie der | |
Beschleunigung solcher Vorhaben. Widerstand vonseiten der Opposition ist | |
nicht zu erwarten. | |
22 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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skeptisch. |