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# taz.de -- Vor der Stichwahl in Uruguay: Zur Zusammenarbeit verdonnert
> In Uruguay will die linke Frente Amplio mit ihrem Kandidaten Yamandú Orsi
> zurück an die Macht. Aber selbst wenn: Durchregieren kann sie nicht.
Bild: Uruguay vor der Wahl: Anhänger von Alvaro Delgado, Präsidentschaftskand…
Buenos Aires taz | Schafft die Linke in Uruguay den Sprung zurück an die
Macht? Am Sonntag sind rund 2,7 Millionen Wahlberechtigte dazu aufgerufen,
in der Stichwahl einen neuen Präsidenten zu wählen. In der [1][ersten Runde
im Oktober] hatte sich Yamandú Orsi als Kandidat der oppositionellen Frente
Amplio mit 44 Prozent der Stimmen an die Spitze gesetzt. Sein Kontrahent
Álvaro Delgado von der regierenden konservativen Partido Nacional (PN) zog
mit 27 Prozent der Stimmen als Zweitplatzierter in die Stichwahl ein. Der
scheinbar große Stimmenvorsprung schrumpft bei näherer Betrachtung schnell.
Uruguays politische Landschaft ist zweigeteilt. Auf der einen Seite ist der
Mitte-links-Block der Frente Amplio, dem „Breiten Bündnis“, das von
Kommunist*innen bis zu gemäßigten Sozialdemokrat*innen und
Sozialliberalen reicht, und während drei aufeinanderfolgender Amtszeiten
(2005–2020) den Präsidenten stellte.
Auf der anderen Seite ist die derzeit regierende Mitte-rechts-Allianz aus
fünf Parteien, die den rechtskonservativen Präsidenten Luis Lacalle Pou
stützt. Die traten aber anders als die Linke nicht gemeinsam an, sondern
mit fünf Präsidentschaftskandidaten, die insgesamt 47 Prozent der Stimmen
erhielten. Schon am Wahlabend war klar, dass in der Stichwahl alle Álvaro
Delgado unterstützen.
In den Umfragen kommen weder Yamandú Orsi noch Álvaro Delgado auf über 50
Prozent – die Unentschlossenen aus der Mitte werden die Wahl entscheiden.
Das weckt Erinnerungen an die Stichwahl 2019, nach der es einige Tage
dauerte, bis der Sieger offiziell verkündet werden konnte. Am Ende setzte
sich Lacalle Pou mit einem hauchdünnen Vorsprung durch.
## Präsident Lacalle Pou hätte Chancen – aber er darf nicht
Kurz nach seinem Amtsantritt begann die Covid-19-Pandemie. Statt eine
Ausgangssperre zu verhängen, forderte der frisch gekürte Präsident die
Bevölkerung zu einer freiwilligen Quarantäne auf. Ein Vorgehen, das ihm bis
heute hohe Sympathiewerte beschert und die Umsetzung seiner
liberal-konservativen Vorhaben erleichterte. Stets an seiner Seite war
Álvaro Delgado, den er zum Leiter des Präsidialamtes ernannt hatte.
Noch während der Pandemie ließ er den Kongress im Eilverfahren ein 476
Artikel umfassendes Reformgesetzpaket verabschieden, das [2][Maßnahmen zur
Liberalisierung der Wirtschaft und zur Verschärfung des Streik- und
Demonstrationsrechts] enthielt. Gegen 135 Artikel des Reformpakets hatten
der Gewerkschaftsdachverband PIT-CNT und kleinere Basisorganisationen ein
Referendum angestrengt, an dem sich schließlich auch die Frente Amplio
beteiligte. Bei der Abstimmung wurde jedoch die erforderliche Stimmenzahl
verfehlt.
Lacalle Pous nächster großer Schritt war die lange diskutierte
Rentenreform, deren Kernstück die Anhebung des Renteneintrittsalters von 60
auf 65 Jahre ist. „Die von den Beitragszahlern gezahlten Beiträge reichen
nicht aus“, begründete er die Maßnahme, mit der auch Einsparungen im
Staatshaushalt erfolgen sollten. Auch dagegen brachten der
Gewerkschaftsdachverband und Teile der Frente Amplio ein Referendum auf
den Weg. Die Abstimmung erfolgte parallel zur ersten Runde der
Präsidentschaftswahl – und wieder wurde die nötige Stimmenzahl nicht
erreicht.
Präsident Lacalle Pou hätte gute Chancen, im Amt zu bleiben, aber die
Verfassung lässt eine sofortige Wiederwahl nicht zu. Deshalb schickte er
Álvaro Delgado ins Rennen, in dem viele nur einen Statthalter sehen.
Delgados zentraler Wahlkampfslogan verspricht denn auch Kontinuität:
„Reelegí un buen gobierno – Wähl eine gute Regierung wieder“. Allerdings
fehlt ihm Lacalle Pous dynamisches Charisma, er wirkt wie ein kompetenter
Staatsbeamter mit einer gelassenen Überheblichkeit.
Der 57-Jährige Yamandú Orsi gilt als politischer Ziehsohn von [3][José
Mujica], dem kauzigen ehemaligen Guerillero und Staatsoberhaupt
(2010–2015). Der gelernte Geschichtsprofessor hat zehn Jahre lang
Canelones, das zweitgrößte Departement des Landes, regiert. Allerdings hat
auch er nicht im Ansatz die Ausstrahlung seines Ziehvaters. In der einzigen
Fernsehdebatte vor der Stichwahl stand er steif am Pult und verhaspelte
sich gefühlt bei jedem dritten Satz.
Wer auch immer gewählt wird, verfügt nicht über eine solide Mehrheit im
Kongress. Im Senat hält die Frente Amplio 16 Mandate, gegenüber 14 der
Mitte-rechts-Allianz. Und von den 99 Sitzen im Abgeordnetenhaus entfallen
48 auf die Frente Amplio, 49 auf die Allianz. Alt-Präsident Mujica
analysiert das ganz nüchtern: Wir werden so oder so eine Regierung haben,
die mit der anderen Seite verhandeln muss.“
23 Nov 2024
## LINKS
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[3] /Dokumentarfilm-ueber-Jose-Mujica/!5017942
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Uruguay
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