# taz.de -- Geflüchtete an EU-Außengrenzen: Aufruf zur Menschlichkeit | |
> Die EU-Kommission will Asylverfahren an den Außengrenzen ermöglichen. | |
> Hilfsorganisationen fordern, dass die Ampel die Pläne ablehnt. | |
Bild: Flüchtende Menschen in einem Boot | |
BERLIN taz | Über 50 deutsche Hilfsorganisationen appellieren an die | |
Bundesregierung, in der Europäischen Union für eine menschliche | |
Flüchtlings- und Asylpolitik einzutreten. Das Bündnis, zu dem etwa Pro Asyl | |
oder Misereor gehören, fordert die deutsche Bundesinnenministerin Nancy | |
Faeser auf, ihre jüngste Zustimmung zu weiten Teilen [1][des geplanten | |
EU-Flüchtlingspakets] zurückzunehmen. Das Vorhaben der EU-Kommission | |
rüttele an den „Grundfesten des Rechtsstaates“, die Bundesregierung gerate | |
durch ihre Zustimmung in „eklatanten Widerspruch zu zentralen Versprechen | |
des Koalitionsvertrags.“ | |
Die Pläne der EU-Kommission sehen Asylverfahren teils direkt an der | |
EU-Außengrenze vor. Wie genau das aussehen soll, ist noch unklar, | |
mutmaßlich soll der Prozess in Transitzonen oder anderen geschlossenen | |
Einrichtung direkt an der Grenze ablaufen. Betreffen soll dies Geflüchtete | |
aus Staaten mit einer durchschnittlichen Asyl-Anerkennungsquote von weniger | |
als 20 Prozent. In ihrer Position zu den Plänen spricht sich die | |
Bundesregierung dafür aus, diese Grenze auf 15 Prozent abzusenken, | |
befürwortet die Vorschläge der Kommission sonst aber weitestgehend. Auch | |
[2][die grün geführten Bundesministerien haben zugestimmt.] | |
Laut dem Aufruf der Flüchtlingsorganisationen drohe durch die | |
Grenzverfahren, „dass Standards bei der Prüfung von Schutzgesuchen in der | |
EU so stark abgesenkt werden, dass keine fairen Verfahren mehr zu erwarten | |
sind.“ Dies gelte insbesondere, weil die Geflüchteten für die Dauer der | |
Verfahren absehbar in Haft genommen werden sollen. „Humanitären Missstände | |
an den EU-Außengrenzen“ dürften sich daher weiter verstärken während „d… | |
Flüchtlingsschutz durch absehbare Verfahrensmängel weiter untergraben | |
wird“. | |
Im Aufruf wird auch die deutsche Zustimmung für den Vorschlag kritisiert, | |
die Standards für sogenannte „sichere Drittstaaten“ abzusenken. Wer über | |
einen solchen Staat in die EU einreist, erhält in der Regel kein Asyl mehr. | |
Durch ihre Zustimmung zur Ausweitung des Status auf weitere Länder breche | |
die Bundesregierung „ihr Versprechen, jedes Asylgesuch inhaltlich zu | |
prüfen“, heißt es im Aufruf. | |
Die EU-Kommission will außerdem am Dublin-System festhalten, dass die | |
Staaten mit den Asylverfahren beauftragt, in denen die Flüchtlinge | |
ankommen. Einen verpflichtenden Mechanismus zur Verteilung der Flüchtlinge | |
auf alle EU-Staaten soll es weiter nicht geben. Stattdessen ist lediglich | |
ein Solidaritätsprinzip angedacht, bei dem Staaten, die Aufnahme verweigern | |
können und stattdessen Geld geben. Die Flüchtlingsorganisationen schreiben, | |
statt dem zuzustimmen solle in Deutschland lieber „mit Nachdruck an einer | |
solidarischen Aufnahme von Ankommenden in der EU gearbeitet werden, welche | |
die Rechte und Bedürfnisse der Schutzsuchenden stärker in den Mittelpunkt | |
stellt.“ | |
Würde das Asylpaket mit Zustimmung der deutschen Bundesregierung | |
letztendlich beschlossen, so bedeute dies einen Dammbruch „vergleichbar mit | |
dem deutschen Asylkompromiss vor dreißig Jahren.“ 1992 hatte die damalige | |
Bundesregierung unter Helmut Kohl mit Unterstützung der SPD das Grundrecht | |
auf Asyl im Grundgesetz stark eingeschränkt. Seitdem gilt etwa die Regelung | |
zu sicheren Drittstaaten, die Geflüchteten das Asyl verwehrt, wenn sie über | |
Staaten nach Deutschland einreisen, in denen sie nicht verfolgt werden. | |
Auch das Verfahrens- und Sozialrecht wurde damals deutlich verschärft. | |
17 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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