# taz.de -- Asylgipfel der EU-Innenminister:innen: Allein gegen die Abschottung | |
> Die Grünen werden die europäische Asylpolitik kaum ändern können. Deshalb | |
> aber die Regierung zu verlassen hieße, die Flüchtenden alleinzulassen. | |
Bild: Grünen-Minister:innen Baerbock und Habeck mit Kanzler Scholz im Kanzlera… | |
Die Grünen können einem fast schon leidtun. Kaum ist die Aufregung über | |
Habecks Heizungsgesetz halbwegs abgeebbt, weil der Klimaschutzminister | |
demütig zurückgerudert ist, da türmt sich schon das nächste Problem mit | |
Potenzial zur Regierungskrise auf. Und diesmal wird es für die Grünen noch | |
schwieriger, denn beim EU-Asyl-Gipfel am Donnerstag geht es nicht um | |
technische Zukunftsfragen und Parteimanöver, die zumindest kurzfristig | |
niemanden existenziell bedrohen, sondern um [1][Menschen in akuter Not, die | |
auf Schlauchbooten versuchen, in Europa Schutz zu finden]. | |
Asylsuchenden zu helfen war immer ein grünes Herzensthema. Das macht der | |
Appell von [2][mehr als 700 Mitgliedern] deutlich, die sich gegen die Pläne | |
der EU wenden, die Aufnahme von Geflüchteten künftig mit dubiosen | |
„Vorprüfungen“ an den EU-Außengrenzen einzuschränken. Wie das praktisch | |
ablaufen soll, bleibt bisher nebulös. In Sammellagern? Inner- oder | |
außerhalb der EU? Klar ist nur, dass alle Zeichen auf noch härtere | |
Abschottung stehen. Und die politischen Ausgangsbedingungen für einen | |
erfolgreichen Widerstand gegen diese Pläne sind denkbar schlecht. | |
Bis auf ein paar Abgeordnete signalisiert kaum jemand aus der Ampel großen | |
Heldenmut. Nicht nur Rechte, auch grüne und sozialdemokratische | |
KommunalpolitikerInnen berichten von ihrer Überforderung bei der Aufnahme | |
von Geflüchteten. Auch die grünen MinisterInnen drängen sich nicht gerade | |
nach Selfies mit SyrerInnen wie Angela Merkel 2015. Die damals kurzzeitig | |
demonstrativ humane Kanzlerin hatte es jedoch auch leichter als Olaf Scholz | |
heute. 2015 gab es keinen Krieg in Europa mit unabsehbaren Folgen und | |
Millionen europäischen Binnenflüchtlingen aus der Ukraine, keine | |
Energiekrise und keine große rechte Oppositionspartei. Heute sitzt der | |
Ampel nicht nur die Merz-CDU im Nacken, sondern auch eine erstarkte AfD mit | |
jetzt schon 19 Prozent. | |
Eine liberale Flüchtlingspolitik wäre trotzdem möglich, weil der eklatante | |
Arbeitskräftemangel in Deutschland allen auffällt und die | |
Aufnahmebereitschaft zumindest langfristig erhöhen müsste. Doch leider gibt | |
es in der [3][EU kaum noch MitstreiterInnen] für eine offene Haltung und | |
eine ausgewogene Verteilung der Geflüchteten auf die 27 Mitgliedsstaaten. | |
Luxemburg, vielleicht. Skandinavien? Vorbei. Die Zahl der rechtsgerichteten | |
Regierungen ist seit 2015 deutlich gestiegen. | |
[4][Regieren zwingt oft zu bitteren Kompromissen]. Und zu Ehrlichkeit: Für | |
unkontrollierte EU-Grenzen gibt es auch hier keine Mehrheit, weil ein | |
Großteil der Geflüchteten so nach Deutschland kommt. Angesichts der | |
Verweigerungshaltung der meisten europäischen PolitikerInnen müssen die | |
Grünen nun wenigstens ernsthaft versuchen, punktuelle, aber wichtige | |
Zugeständnisse zu erreichen, etwa eine bedingungslose Aufnahme von Kindern. | |
Ja, schon eine Vertagung wäre bei diesem Asylgipfel ein Erfolg, weil | |
menschenfreundliche Beschlüsse nicht in Sicht sind. | |
Eine deutsche 15-Prozent-Partei wird die Grundrichtung der europäischen | |
Asylpolitik kaum ändern können. Wer das nicht mehr aushält, müsste die | |
Regierung verlassen. Damit ließe man die Menschen auf der Flucht aber erst | |
recht allein. | |
7 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
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