# taz.de -- Evangelischer Kirchentag in Nürnberg: Trotz Krise ein Heimspiel f�… | |
> Auf dem Kirchentag diskutiert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit | |
> Aktivistin Carla Hinrichs. Beide haben Fans - aber auch Kritiker*innen. | |
Bild: „Wir haben etwas zu sagen“: Carla Hinrichs mit Wirtschaftsminister Ro… | |
NÜRNBERG taz | Die größte Halle auf dem Nürnberger Messegelände ist voll | |
besetzt, vor der Tür drängen sich Besucher*innen, die noch einen Platz | |
ergattern wollen: Hier spricht gleich Bundeswirtschaftsminister Robert | |
Habeck. Das Kirchentagspublikum sollte eigentlich ein Heimspiel für den | |
Grünen-Politiker sein. | |
Mit ein paar Minuten Verspätung startet die Veranstaltung. Habeck muss | |
derzeit eine Zerreißprobe seiner Partei durchstehen. Er hat die Aufgabe, | |
den am [1][Donnerstagabend auf der EU-Innenminister*innenkonferenz | |
ausgehandelten Asylkompromiss] gegen scharfe Kritik aus den eigenen Reihen | |
zu verteidigen. Das Publikum hier dürfte dabei nicht unbedingt auf ihrer | |
Seite sein. Doch darum soll es jetzt erstmal nicht gehen. Diskutiert wird | |
über Verantwortung und Schuld in der Klimakrise: „Wer hat's verbockt? Und | |
was machen wir jetzt?“ lautet die Frage. | |
Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation, macht den Auftakt. Es | |
sei ihr nicht leicht gefallen, heute hier zu sprechen sagt sie, denn sie | |
habe den Eindruck, ihr und der Bewegung würde mit Ambivalenz begegnet. | |
[2][Polizeieinsätze und Razzien] gegen die Letzte Generation hätten | |
gezeigt, dass es viele gäbe, die die Stimme der Klimaaktivist*innen | |
nicht mehr hören wollten. Doch sie kündigt weitere Aktionen an: „Wir haben | |
etwas zu sagen und wir werden uns nicht davon abbringen lassen, es weiter | |
zu sagen.“ Die Gesellschaft wisse um die Konsequenzen des Nicht-Handelns in | |
der Klimakrise: „Jetzt ist die Zeit, in der wir zusammenkommen müssen“, | |
schließt sie. Das Publikum applaudiert. | |
## Warnung vor apokalyptischen Szenarien | |
Habeck warnt dagegen vor der Instrumentalisierung apokalyptischer | |
Szenarien, um Forderungen nach mehr Klimaschutz Nachdruck zu verleihen. | |
Andauernde Negativnachrichten würden dem Populismus Zulauf bescheren. „Wie | |
hast du dich in der Klimakrise positioniert“, das werde die eigentliche | |
Frage sein, wenn später auf unsere Zeit zurückgeblickt wird. Es ginge jetzt | |
ums „Hoffen und Machen“, eine Referenz auf das gleichlautende | |
Kirchentagsmotto. Wer genau es in der Vergangenheit „verbockt“ habe, das | |
sei eigentlich irrelevant. „Meine gesamte politische Erfahrung sagt mir, | |
dass es für das Schaffen von Mehrheiten Gemeinsamkeiten braucht. Da hilft | |
es nicht, wenn wir mit dem Finger aufeinander zeigen. Wir müssen uns die | |
Hand reichen.“ | |
Die [3][Protestform der Letzten Generation] kritisiert er als zu | |
unspezifisch: „Der Protest trifft irgendwie alle. Damit erzeugt man nur | |
Wut“. Das sei keine Hilfe sondern verhindere, dass sich eine Mehrheit für | |
den Klimaschutz findet. Offen zeigt sich der Minister aber für die | |
Forderung der Letzten Generation, zufällig ausgeloste | |
Klimagesellschaftsräte einzuberufen. Allerdings dürften diese dann nicht | |
über der repräsentativen Demokratie stehen. Die Reaktionen aus dem Publikum | |
zeigen, dass sich die Kirchentags-Besucher*innen bei beiden wiederfinden. | |
Sowohl Carla Hinrichs als auch Robert Habeck ernten viel Applaus. | |
Björn Kissering ist aus Baden-Württemberg zum Kirchentag angereist. Der | |
Ehrenamtliche in der Behindertenhilfe sagt: „Ich bin mit einem ohnmächtigen | |
Gefühl hier her gekommen: Die [4][Auswirkungen des Klimawandels] spüren wir | |
jetzt schon, und zwar auch bei uns Deutschland. Aber bei dieser | |
Veranstaltung, da merke ich, dass ich nicht alleine bin, dass sich andere | |
auch Gedanken machen.“ Er schaut sich in der vollbesetzten Halle um: „Und | |
wir sind viele.“ | |
9 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Luisa Faust | |
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