# taz.de -- Gebäudeenergiegesetz der Ampelkoalition: Gutes Heizen, schlechtes … | |
> Die Bundesregierung hat ihren Zwist vorerst beigelegt, nun ist der | |
> Bundestag am Zug. Was bringt der Kompromiss? | |
Bild: Hoffnungsschimmer Fernwärme: Unterirdische Rohre in Berlin | |
## + Endlich ein Anfang | |
Deutschland will und muss 2045 klimaneutral sein. In 22 Jahren darf also | |
praktisch keine fossile Energie mehr genutzt werden. Doch eine Heizung hält | |
gut und gern länger. Noch im ersten Quartal dieses Jahres war nach Angaben | |
des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie mehr als die Hälfte der | |
verkauften Heizungen gasbetrieben. Bleibt es dabei, sind die Klimaziele | |
nicht zu schaffen. Die Bundesregierung will nun, dass ab dem kommenden Jahr | |
Heizungen in Neubauten in Neubaugebieten mindestens zu 65 Prozent | |
erneuerbar betrieben werden. Das kann zum Beispiel durch eine Wärmepumpe | |
geschehen, aber auch durch verschiedene andere Optionen. Ausnahmen und | |
Sonderregelungen trüben das Bild – aber die Bundesregierung liefert einen | |
Aufschlag zur Wärmewende. | |
## + Druck weg von Bürger:innen | |
Die gravierendste Änderung, auf die sich [1][die Ampelfraktionen | |
verständigt haben]: Anders als ursprünglich vorgesehen wird die Wärmewende | |
nicht zuerst den Bürger:innen aufgebürdet, sondern die Kommunen werden | |
in die Verantwortung genommen. Sie müssen eine kommunale Wärmeplanung | |
aufstellen, das heißt Konzepte fürs Heizen der Gebäude in ihrem | |
Einzugsgebiet entwickeln. Wenn sie das nicht tun, gilt das Heizungsgesetz | |
für die Bürger:innen nicht. Das soll gewährleisten, dass sie | |
Planungssicherheit bekommen und nicht jede:r für sich allein eine Lösung | |
suchen muss, sondern auf Angebote vor Ort zurückgreifen kann. Spätestens | |
bis 2028 sollen alle Kommunen in Deutschland so eine Wärmeplanung vorlegen. | |
## + Der Ausbau der Fernwärme | |
Ein wichtiger Teil des Projekts Heizungserneuerung ist die Fernwärme. Dabei | |
wird Wärme in Kraftwerken produziert und über Rohre in Häuser geleitet. Das | |
kann sehr effizient sein, technische Neuerungen sind schneller umsetzbar | |
als bei einem Austausch vieler einzelner Heizungen. Für Bürger:innen hat | |
Fernwärme einen großen Vorteil: Ist ihr Haus an ein Fernwärmenetz | |
angeschlossen, müssen sie sich nicht selbst um eine klimafreundliche | |
Heizung kümmern. Größere Umbauten sind in der Regel für einen Anschluss | |
nicht nötig. „Gerade Wärmenetze können eine besonders kosteneffiziente | |
klimaneutrale Lösung für die Wärmeversorgung von Gebäuden, Quartieren und | |
ganzen Kommunen sein“, sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck | |
(Grüne). Nach Angaben seines Hauses wurden im Jahr 2022 etwa 6,1 Millionen | |
Wohnungen mit Fernwärme versorgt, das entspricht einem Anteil von 14,2 | |
Prozent an allen Wohnungen. Die Bundesregierung will, dass künftig jedes | |
Jahr 100.000 Wohnungen an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. Im Jahr | |
2045 soll jeder dritte Haushalt mit Fernwärme heizen. | |
Allerdings ist auf diesem Gebiet noch viel zu tun. Noch kommt die Fernwärme | |
zu 80 Prozent aus Heizkraftwerken, die mit Öl, Gas oder Kohle betrieben | |
werden. Ein weiteres Problem, auf das die Verbraucherverbände hinweisen: | |
Fernwärmenetze sind Monopole. Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass die | |
Anbieter das nicht ausnutzen und unverschämte Preise nehmen. | |
## - Vernachlässigter Gebäudebestand | |
Abseits vom Neubau dürfen Hausbesitzer:innen fröhlich weiter | |
klimaschädliche Gasheizungen einbauen – bis es in ihrem Ort eine kommunale | |
Wärmeplanung gibt. Dafür will die Bundesregierung bis 2028 Zeit einräumen. | |
Eigentümer:innen können sich also noch für einige Jahre auf eine | |
Wärmegewinnung festlegen, die klimaschädlich ist und durch steigende | |
CO2-Preise im Betrieb immer teurer wird. Immerhin: Laut den Plänen der | |
Bundesregierung sollen Käufer:innen von Gasheizungen verpflichtet | |
werden, an einer Energieberatung teilzunehmen – in der ihnen in vielen | |
Fällen vorgerechnet werden dürfte, dass sie sich für eine langfristig | |
kostspielige Lösung entschieden haben. | |
## - Umstrittene Technologien erlaubt | |
Gasheizungen dürfen künftig weiter eingebaut werden, wenn sie auf | |
Wasserstoff umrüstbar sind. Ursprünglich hatte die Bundesregierung diese | |
Option stark einschränken und nur gelten lassen wollen, wenn die Kommune | |
einen verbindlichen Transformationsplan für ein Wasserstoffnetz hat. Ob und | |
wie sich die Rolle von Wasserstoff beim Heizen in Zukunft ändert, ist indes | |
ungewiss – schließlich wird das rare Gut auch für viele andere Zwecke | |
gebraucht. | |
Auch Holz- und Pelletheizungen sollen nun ohne Ausnahme als nachhaltig | |
gelten – dabei ist das Heizen mit Holz nicht klimaneutral. Die | |
Holzverbrennung produziert CO2 und ist auch für die Freisetzung von Methan | |
verantwortlich. Außerdem entsteht Feinstaub, der die Luft verschmutzt. „Mit | |
den nun vereinbarten ‚Leitplanken‘ für das Heizungsgesetz rast die Ampel | |
sehenden Auges in die Klimakatastrophe“, sagt deshalb Olaf Bandt, Chef des | |
Umweltverbands BUND, zu den Plänen. „Mit Ach und Krach retten Scholz, | |
Habeck und Lindner die Koalition, fahren aber die deutsche Klimapolitik | |
weiter gegen die Wand.“ | |
## - Unsicherheit beim Mieten | |
„Mieter sollen nicht über Gebühr belastet werden“, heißt es recht | |
optimistisch im Einigungspapier. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich | |
formulierte es etwas vorsichtiger: „Wir wollen die Belastungen so sozial | |
wie möglich gestalten.“ Lange lag der Fokus auf der finanziellen Belastung | |
von Eigentümer:innen. Doch auch [2][Mieter:innen sind indirekt vom | |
Heizungsgesetz betroffen]. Denn Vermieter:innen können mit der | |
sogenannten Modernisierungsumlage ihre Investitionskosten auf sie abwälzen. | |
Nun soll eine zusätzliche Modernisierungsumlage eingeführt werden – unter | |
zwei Bedingungen. Sie kann erstens nur geltend gemacht werden, wenn | |
Vermieter:innen eine staatliche Förderung in Anspruch nehmen. Die Idee | |
dahinter: Bezieht ein Vermieter Fördergelder, kann er die in Anspruch | |
genommene Summe nicht umlegen – das dämpft die Mietsteigerung. Die zweite | |
Bedingung ist allerdings völlig schwammig. Im Papier heißt es, dass | |
Mieter:innen von der Förderung „finanziell profitieren“ müssen. Nach | |
erstem Umhören verstehen die drei Fraktionen darunter aber unterschiedliche | |
Dinge – im Gesetzgebungsprozess wird darüber hart verhandelt werden. Eins | |
ist klar: Die Mieten werden steigen. | |
14 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Ampel-Kompromiss-zum-Heizungsgesetz/!5935236 | |
[2] /Ampeleinigung-beim-Heizungsgesetz/!5940668 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
Susanne Schwarz | |
Jasmin Kalarickal | |
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