# taz.de -- Kommunale Wärmeplanung: Die Streber im Südwesten | |
> Zahlreiche Städte in Baden-Württemberg haben ihre kommunale Wärmeplanung | |
> längst erledigt - und zeigen, was kluge Konzepte ausmacht. | |
Bild: Von Ludwigsburg lernen: solarthermisches Kraftwerk für Fernwärme | |
Es war ein schwieriger Kompromiss: Nach langen Diskussionen hat die | |
Bundesregierung ihr [1][Gebäudeenergiegesetz (GEG)], das ursprünglich schon | |
im kommenden Jahr den Einbau reiner Öl- und Erdgasheizungen verbieten | |
sollte, entschärft. Jetzt soll die Regelung erst dort greifen, wo es | |
[2][kommunale Wärmepläne] gibt. | |
Während die Bundesregierung für deren Ausarbeitung eine Frist bis 2028 | |
setzen will, haben in Baden-Württemberg viele Kommunen ihre Wärmepläne | |
schon fast oder sogar komplett fertiggestellt. Hier wurden schon vor drei | |
Jahren die 104 größten Städte – all jene mit mehr als 20.000 Einwohnern – | |
per Landesgesetz verpflichtet, bis Ende 2023 Wärmepläne vorzulegen. Damit | |
ist Baden-Württemberg allen anderen Bundesländern weit voraus und rückt mit | |
dem Gesetzesvorhaben in Berlin nun deutschlandweit ins Blickfeld. | |
Die beschlossene Kopplung des GEG mit einem „Gesetz für die Wärmeplanung | |
und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ ist das späte Eingeständnis der | |
Bundesregierung, dass allzu starre Vorgaben bei der Heiztechnik nicht | |
sachgerecht sind. Bislang ignorierten die Pläne aus Berlin die Tatsache, | |
dass sich kluge Wärmekonzepte an der örtlichen Siedlungsstruktur | |
orientieren müssen. Denn vor der flächendeckenden Umstellung der Gebäude | |
auf klimafreundliche Heizungen braucht man vor allem lokale Daten zum | |
Wärmebedarf und Wärmeangebot. | |
## Den Schornsteinfeger einbeziehen | |
Diese Daten gilt es im Zuge der Wärmeplanungen zu erheben, nachdem man | |
bisher manchmal eher zufällig auf sinnvolle Wärmekonzepte gestoßen war. | |
Auch das zeigt ein Beispiel aus Baden-Württemberg: In Bonndorf im | |
Schwarzwald begann das Bürgerunternehmen Solarcomplex vor Jahren mit der | |
Planung eines Nahwärmenetzes. Auf der Suche nach möglichen Kunden, nach | |
Wärmeabnehmern, traten die Mitarbeiter auch an die örtliche Schinkenfabrik | |
Adler heran. | |
Die Antwort des Unternehmens kam überraschend. Nein, man brauche wirklich | |
keine Wärme, man habe selbst mehr als genug Abwärme aus der Produktion. So | |
übernahm das Unternehmen am Ende genau die gegenteilige Rolle als jene, die | |
ihm ursprünglich zugedacht war. Adler liefert heute einen guten Anteil der | |
Wärme im Bonndorfer Netz, das 270 Wohn-, Gewerbe- und kommunale Gebäude | |
beheizt. Eine sachgerechte Lösung kam also nur zustande, weil sich vor Ort | |
Akteure die Mühe machten, lokale Potenziale auszuloten. | |
Nicht überall gibt es solche Macher. Auch denken die Unternehmen oft wenig | |
darüber nach, ob es mögliche Interessenten für ihre Abwärme gibt. Werden | |
Städte nun verpflichtet, das Wärmeangebot und den Wärmebedarf auf ihrem | |
Gebiet systematisch zu kartieren, können daraus individuell optimierte | |
Konzepte entstehen. Auch der Bundesverband der Energie- und | |
Wasserwirtschaft begrüßt diese Vorgehensweise: „Vor Ort kann am besten | |
entschieden werden, welche Technologie am sinnvollsten ist, um die | |
Wärmeversorgung schnell und effizient klimaneutral zu machen.“ | |
Für die betroffenen Kommunen steht am Anfang einer solchen Bedarfsanalyse | |
immer die Erfassung des Ist-Zustands. Daten von Energieversorgern und | |
Schornsteinfegern – aus der Heizleistung der Kessel lassen sich die | |
Bedarfswerte abschätzen – liefern das Grundgerüst der Wärmepläne. Am Ende, | |
so die Vorgaben in Baden-Württemberg, müssen die Dokumente zeigen, wie der | |
gesamte Wärmesektor in der Kommune bis 2050 klimaneutral werden kann. Für | |
das Jahr 2030 sind Zwischenziele zu definieren. | |
Wenn nun auch der Bund ein Wärmegesetz erlässt, ist das für die größeren | |
Städte im Südwesten wenig relevant – sie haben ihre Hausaufgaben schon | |
gemacht. Wichtig könnte das neue Gesetz hingegen auch dort für kleinere | |
Städte werden. Der Bund möchte Wärmepläne bereits für Städte ab 10.000 | |
Einwohnern einfordern, nicht erst ab 20.000. Damit fielen in | |
Baden-Württemberg rund 130 weitere Städte unter das Gesetz – was Experten | |
für Energieeffizienz, wie etwa die Klimaschutz- und Energieagentur | |
Baden-Württemberg in Karlsruhe, sehr begrüßen würden. | |
Bei der Erstellung der Wärmepläne hatten die Kommunen Baden-Württembergs | |
viele Freiheiten, um entsprechend ihrer lokalen Bedürfnisse eigene Akzente | |
zu setzen. In Lörrach zum Beispiel erarbeitete man einen Plan für den | |
gesamten Landkreis, womit dann auch all die kleinen Gemeinden eingebunden | |
wurden, die gar nicht verpflichtet sind, einen Wärmeplan zu erstellen. Der | |
Landkreis Lörrach hat seinen Plan bereits vor Ablauf der Frist | |
abgeschlossen. Auch die Stadt Offenburg wird ihren Wärmeplan schon im Juli | |
beim Regierungspräsidium einreichen. | |
Die Vorgaben seien durchaus praktikabel und das Ergebnis für die weitere | |
Planung ausgesprochen hilfreich, heißt es in den Stadtverwaltungen. Das | |
Gesetz ließ eine sachgerechte Herangehensweise zu. So taten sich auch | |
Städte zusammen, wenn es ihnen sinnvoll erschien – wie etwa Kornwestheim | |
und Ludwigsburg im Großraum Stuttgart, die ohnehin über ein gemeinsames | |
Stadtwerk verfügen. | |
## Holzhackschnitzel und Solarwärme | |
Andernorts beteiligen sich kleinere Kommunen an der Wärmeplanung ihrer | |
großen Nachbarn, obwohl sie selbst gar nicht dazu verpflichtet sind. Ein | |
großer Pluspunkt der Wärmeplanungen liegt in der technologieoffenen | |
Strategie. So kann jede Stadt eigene Ideen entwickeln, wie sie der | |
gestellten Anforderung der Klimaneutralität gerecht werden will. Sie kann | |
stark auf Wärmepumpen setzen, muss dann aber darlegen, aus welchen Quellen | |
der Strom für deren Betrieb kommen soll. | |
Möglich ist auch der Einsatz von Gas, sofern dieses als „grün“ anerkannt | |
ist, etwa bei Biogasanlagen. Auch Abwärme soll bestmöglich eingebunden | |
werden. Solche Projekte werden in Baden-Württemberg zahlreicher. In | |
Rheinfelden zum Beispiel, wo das Chemieunternehmen Evonik mit Abwärme | |
bislang den Rhein heizte, wird die Energie nun über ein Nahwärmenetz an | |
Kunden geliefert. Andere Netze nutzen Holzhackschnitzel als Wärmequelle; | |
immer öfter wird auch Solarwärme aus einem Kollektorfeld eingebunden. | |
Gute kommunale Wärmekonzepte sind, wie die baden-württembergischen Projekte | |
zeigen, eben keine Projekte von der Stange – was nach langem Streit um das | |
GEG inzwischen auch Eingang in die Berliner Debatte gefunden hat. | |
17 Jun 2023 | |
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[1] /Gebaeudeenergiegesetz-der-Ampelkoalition/!5935237 | |
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## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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