| # taz.de -- Polizei-Dozentin über Rassismus: „Ich zeige klare Kante gegen re… | |
| > Bahar Aslan bezeichnet Rechte in der Polizei als „braunen Dreck“. Es | |
| > folgt ein Shitstorm. Auch NRW beschäftigt sich mit dem Fall. | |
| Bild: Aslan sagt, dass sich zeigen wird, wie ernst es dem Innenministerium mit … | |
| „Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in | |
| eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der | |
| Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, | |
| sondern die von vielen Menschen in diesem Land. #Polizeiproblem.“ Das | |
| twitterte Bahar Aslan am Samstag, 20. Mai. Seitdem gibt es einen von | |
| rechter Seite organisierten Shitstorm gegen die 38-Jährige Lehrerin, die | |
| auch an einer Polizeihochschule unterrichtet. Mittlerweile beschäftigt sich | |
| auch das Innenministerium Nordrhein-Westfalens mit Aslans Tweet. Die taz | |
| hat am Montagmittag mit ihr am Telefon gesprochen. | |
| taz: Frau Aslan, Sie haben in der Vergangenheit schon häufiger rechte | |
| Strukturen und Praxen innerhalb der Polizei thematisiert. Gab es einen | |
| konkreten Anlass am Samstag, über Racial Profiling zu twittern? | |
| Bahar Aslan: Keinen konkreten Anlass, aber die ganzen [1][Recherchen zu | |
| rechtsextremen Chatgruppen] und rechten Strukturen in der Polizei machen | |
| etwas mit mir – als Lehrerin aber auch als migrantische Person. Letzte | |
| Woche haben wir im Freundeskreis über Polizeikontrollen gesprochen. Eine | |
| Freundin von mir hatte eine Begegnung mit der Polizei, in der sie nicht gut | |
| behandelt wurde. Doch sich dagegen zu wehren, ist schwer, weil man ja nie | |
| weiß, was in der Interaktion mit Polizist*innen alles passieren kann. | |
| In dem Kontext haben wir unsere Erfahrungen mit der Polizei ausgetauscht | |
| und ich habe später den Tweet abgesetzt. | |
| Die Reaktion auf den Tweet war hart, auch Politiker*innen und die | |
| Polizeigewerkschaft GdP aus NRW haben sich eingemischt. Waren Sie | |
| überrascht von der Vehemenz? | |
| Total. Ich habe schon häufiger polizeikritische Inhalte getwittert, aber | |
| dieses Mal ist eine riesige Hasswelle über mich hereingebrochen. Es ist der | |
| größte Shitstorm, den ich bislang erlebt habe. Ich werde als Hetzerin oder | |
| Nestbeschmutzerin beleidigt, mir wird gedroht und es gibt die Forderung, | |
| dass ich entlassen werden soll. Der GdP-Landeschef Michael Mertens hat | |
| sogar „arbeits- und strafrechtliche Schritte“ gegen mich gefordert. Dabei | |
| habe ich nichts verbrochen. | |
| Die Kritik an Ihrem Tweet hängt sich an dem Begriff „brauner Dreck“ auf. | |
| Der CDU-Landtagsabgeordnete Christos Katzidis bezeichnet das als „üble | |
| Nachrede“. | |
| Ich sage ja nicht, alle Polizist*innen sind „brauner Dreck“, sondern | |
| dass es rechtsextreme Strukturen in Sicherheitsbehörden gibt. Das ist ein | |
| Fakt. Dazu gibt es schon eine Vielzahl von Recherchen, unter anderem von | |
| der taz. Und ich bin auch nicht die erste Person, die den Ausdruck | |
| verwendet. Bei Twitter bin ich auf das Magazin Streife für die Polizei in | |
| NRW gestoßen. Darin ging es um den Zustand der Dienststellen nach dem | |
| Auffliegen der rechtsextremen Chatgruppen. Im Interview sagt der | |
| Polizeikommissar Alican Kahraman: „Rassismus ist bei uns kein Thema. | |
| Trotzdem klebt jetzt auch an uns der braune Dreck.“ Er hat also selbst den | |
| Ausdruck benutzt und das Magazin hat das abgedruckt. Aber wenn ich ihn | |
| nutze, dann gibt es eine Kampagne gegen mich, um mich mundtot zu machen. | |
| Woran liegt das? | |
| In einer männerdominierten und strukturkonservativen Behörde falle ich als | |
| Migrantin auf und bin mit meinen Positionen vielen ein Dorn im Auge. Mir | |
| ist schon klar, dass die GdP oder einige Mitarbeiter*innen aus | |
| Behörden mich dort nicht gerne sehen. | |
| Befürchten Sie, dass der Tweet nun negative berufliche Konsequenzen für Sie | |
| haben wird? | |
| Bislang habe ich noch nichts von der Hochschule gehört, aber ich weiß, dass | |
| das Innenministerium sich mit der Angelegenheit beschäftigen wird. Ich habe | |
| selbst schon ein Statement an das Innenministerium, die Hochschule und den | |
| Ministerpräsidenten Hendrik Wüst geschrieben, darin erklärt, dass ich zu | |
| meiner Aussage stehe und mich in meinem Sicherheitsgefühl gerade stark | |
| eingeschränkt sehe, und den Ministerpräsidenten um ein Gespräch gebeten. | |
| Welche Reaktion erhoffen Sie sich davon? | |
| Am Umgang mit mir wird sich zeigen, wie ernst der Behörde und dem | |
| Innenministerium der Kampf gegen Rechtsextremismus ist. Als Demokratin | |
| erwarte ich von einer demokratischen Behörde und vom Innenminister Herbert | |
| Reul, dass er sich hinter mich stellt. Ich zeige klare Kante gegen rechts | |
| und muss dafür eine Hasskampagne und persönliche Bedrohungen über mich | |
| ergehen lassen. Wenn Reul sich nicht auf meine Seite stellt, weiß ich, wie | |
| es um den Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus in NRW bestellt ist. | |
| Haben Sie nach Ihrem Tweet auch Solidarität erfahren? | |
| Ja, viele Menschen haben sich mit mir solidarisiert. Einige | |
| Student*innen und Lehrbeauftragte der Hochschule haben sich gemeldet und | |
| vereinzelt Leute von den Grünen und Lehrbeauftragte der Bundeswehr. Das | |
| fühlt sich gut an. | |
| Trotzdem ziehen Sie sich jetzt erst einmal von Twitter zurück. Überlegen | |
| Sie, strafrechtlich gegen die Bedrohungen vorzugehen? | |
| Ich bin mit meinen Anwälten in Kontakt und werde mit ihnen besprechen, was | |
| wir machen können. Ich bin nicht bereit, die Kampagne gegen mich einfach | |
| hinzunehmen. | |
| Sie sind für Ihre antirassistische und auch polizeikritische Haltung | |
| bekannt, wie kam es dazu, dass Sie Lehrbeauftragte an einer | |
| Polizeihochschule wurden? | |
| Nach Auffliegen der rechtsextremen Chats hat das Innenministerium in NRW | |
| gesagt: Wir müssen mehr machen. Eine der Maßnahmen war, mehr | |
| interkulturelle Bildung an Hochschulen zu unterrichten. Im Zuge dessen | |
| wurde ich eingestellt. Wenn mein Lehrauftrag im nächsten Semester | |
| zurückgezogen wird, dann ist das für mich ein klarer Hinweis darauf, dass | |
| sie ihr Versprechen vor allem gegenüber der migrantischen Community nicht | |
| einhalten. | |
| Thematisieren Sie rechte Praktiken und Strukturen in der Polizei auch an | |
| der Hochschule? | |
| Selbstverständlich. Gerade schreiben fünf Student*innen eine Hausarbeit | |
| und einer eine Abschlussarbeit bei mir zu rechten Strukturen und Racial | |
| Profiling. Und ich habe generell das Gefühl, dass die Auszubildenden dem | |
| Thema sehr offen gegenüberstehen. Viele der Studierenden, gerade aus | |
| Duisburg und Essen, sind in einer migrantisch geprägten Gesellschaft | |
| aufgewachsen – die kennen das gar nicht anders. Ich nehme wenig Vorbehalte, | |
| aber dafür Unsicherheiten und auch Unwissen wahr. Deswegen verstehe ich es | |
| als meine Kernarbeit, praxisbezogen und auf den Polizeiberuf ausgelegt zu | |
| erklären, wie eine postmigrantische Gesellschaft funktioniert. | |
| Wie sieht das praktisch aus? | |
| Ich versuche Betroffenenperspektiven in den Mittelpunkt zu stellen, zeige | |
| zum Beispiel Videos von dem [2][Vater von Hamza Kurtović, der bei dem | |
| rassistischen Anschlag in Hanau getötet wurde]. Er erzählt, dass er sich | |
| nicht mehr als ein Teil der Gesellschaft fühlt. Weil sein Sohn getötet | |
| wurde und auch er selbst immer wieder schlechte Erfahrungen mit der Polizei | |
| gemacht hat. Darüber sprechen wir dann in der Runde. Oder wir thematisieren | |
| Fluchterfahrungen und sprechen wie politische Dynamiken zwischen | |
| migrantischen Communitys hier entstehen. Mein Ziel ist es, die jungen | |
| Menschen für ihren Berufsalltag zu sensibilisieren, damit sie ihre Rolle | |
| als Polizist*innen in einer pluralen und postmigrantischen Gesellschaft | |
| reflektieren. | |
| Hinweis: Nach taz-Redaktionsschluss berichten verschiedene Medien, dass | |
| Bahar Aslan an der Hochschule keinen weiteren Lehrauftrag erhalten werde. | |
| Eine Weiterführung sei geplant gewesen, aber nun von der Hochschulleitung | |
| gestoppt worden | |
| 22 May 2023 | |
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| Carolina Schwarz | |
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