| # taz.de -- Prozess gegen Bundespolizisten: Wehrmachtsfan fliegt raus | |
| > Ein Bundespolizist muss den Dienst quittieren, weil er mit Rechtsextremen | |
| > chattete und auf der Suche nach NS-Devotionalien nach Norwegen reiste. | |
| Bild: Hat seine Fan-Gemeinde: Ein deutsches Jagdflugzeug FW 190 aus dem Zweiten… | |
| Hannover taz | In den Augen des ehemaligen Bundespolizisten Michael K. ist | |
| das alles nur ein großes, schreckliches Missverständnis und eine endlose | |
| Verkettung unglücklicher Umstände. Die führte vor dem Verwaltungsgericht | |
| Hannover am Donnerstag allerdings trotzdem dazu, dass er seinen | |
| Beamtenstatus verliert. | |
| Die Geschichte beginnt so: Michael K. ist begeisterter | |
| [1][Militaria-Sammler]. Im Juli 2019 stößt er in einem Militaria-Forum auf | |
| eine Reiseeinladung nach Norwegen, wo Teile abgestürzter | |
| Wehrmachtsflugzeuge geborgen und heimgeholt werden sollen. | |
| Die Gelegenheit ist günstig: K. hatte gerade ein größeres Kontingent an | |
| Überstunden gut geschrieben bekommen, seine Lebensgefährtin ist schwanger | |
| mit dem ersten Kind, er wollte vorher noch mal raus. Dass schon die | |
| Reiseeinladung mit dem Titel „Freiwillige für Weserübung 2.0 vortreten“ | |
| Bezug nimmt auf den [2][Überfall der deutschen Wehrmacht auf Norwegen] und | |
| Dänemark, hat er „irgendwie nicht so wahrgenommen“. | |
| Er meldet sich bei dem Initiator Adrian M., der fügt ihn zusammen mit drei | |
| weiteren Interessenten einer Whatsapp-Gruppe hinzu. Die trägt den Namen | |
| „Kampfgruppe Dietl 2.0 NO“, aber auch dieser Bezug zum Nazi-Generaloberst | |
| fällt Michael K. nicht unangenehm auf, möglicherweise – sagt er – hieß d… | |
| Gruppe am Anfang auch anders und wurde erst später so benannt. | |
| ## Fleißig rechtsextreme Sprüche gekloppt | |
| Auch als der Organisator Adrian M. den Bundespolizisten warnt, er stehe da | |
| möglicherweise auf irgendeiner Liste des Verfassungsschutzes und ein | |
| Kontakt zu ihm könnte sich negativ auf K.s Karriere auswirken, tut dieser | |
| das ab. Er habe gedacht, der will sich bloß wichtig machen, sagt er vor | |
| Gericht. Es werden später allerdings Ermittlungen gegen Adrian M. sein, die | |
| auch das Verfahren gegen Michael K. ins Rollen bringen. | |
| In der Gruppe werden fleißig rechtsextreme und antisemitische Sprüche | |
| geklopft. Hunderte von Seiten ausgedruckter Whatsapp-Chats umfasst die | |
| Gerichtsakte. Aber K. will immer noch nicht gemerkt haben, dass er es hier | |
| mit Neo-Nazis zu tun hat. Er habe auch nur ein bisschen mitgemacht. | |
| Im August tritt der Trupp schließlich die Norwegen-Reise an: nach den | |
| Schilderungen K.s ein ziemlicher Horrortrip. Immer unheimlicher werden ihm | |
| diese Reisegefährten, geben mit ihren Kontakten ins Rockermilieu und zu | |
| rechtsextremen Gefährdern an, schaukeln sich hoch, fangen an | |
| „herumzuhitlern“. | |
| K. fühlt sich bedroht, findet aber auch keine Gelegenheit, sich von der | |
| Gruppe abzusetzen – nicht einmal, als seine Lebensgefährtin anruft und ihm | |
| erzählt, dass sie Blutungen hat. Im Gegenteil, er fotografiert | |
| Gruppenführer Adrian M. beim Hitlergruß („Habe ich nicht gemerkt, war das | |
| nicht der linke Arm?“) und lädt das Foto nach der Rückkehr in die Gruppe | |
| hoch („Das habe ich nicht gesehen, ich habe 30 Fotos im Block hochgeladen, | |
| das meiste waren Landschaftsbilder“). | |
| Er schneidet mit seiner Akkusäge Wrackteile heraus und schafft sie nach | |
| Deutschland, wo die Männer sie unter sich aufteilen. Bei dem Stück, das er | |
| für seine Sammlung erhält, ging es ihm gar nicht um das Hakenkreuz, sondern | |
| um die Flugzeugkennung, die unmittelbar darunter steht, erklärt er. | |
| So geht das immer weiter. Für jeden Vorwurf hat Michael K. eine gewundene, | |
| unstrukturiert vorgetragene Ausrede. Warum er in Norwegen eine | |
| Erbsentarnhose der Waffen-SS getragen hat? Er hatte halt auf der Fahrt eine | |
| kurze Hose an und zum Wechseln nur alte Bundeswehrklamotten dabei, die | |
| nicht mehr richtig passten. Da hat ihm Adrian M. diese Hose aus dem | |
| Kofferraum gegeben, als es nachts kalt wurde. | |
| Warum er es als Polizist okay fand, in eine Jagdhütte einzubrechen und dort | |
| zwei Nächte zu verbringen? Auch das eine absolute Notlage, sie hatten sich | |
| im Hochgebirge bei der Route und der Witterung verkalkuliert und keine | |
| andere Übernachtungsmöglichkeit. Er habe doch immerhin sein ganzes Bargeld | |
| im Gästebuch hinterlassen. | |
| Der Totschläger und die Schrot-Patronen, die bei einer Durchsuchung bei ihm | |
| gefunden wurden? Die hat ihm jemand in einem Jutebeutel in den Briefkasten | |
| gelegt. Warum er auch nach der Reise noch Kontakt zur Gruppe, insbesondere | |
| dem Anführer gehalten hat? Aus Angst. | |
| ## Lauter diverse Freunde | |
| Aber auf keinen Fall sei er selbst ein [3][Rechtsextremer]. Sein | |
| Stiefbruder hat zwei schwarze Kinder adoptiert und er selbst habe einen | |
| türkischen Freund, einen afghanischen Freund, einen türkischen Friseur, mit | |
| dem er auch sehr eng ist, schwule Nachbarn, bei denen er schon mal zum | |
| Kaffeetrinken war, seine Lebensgefährtin unterrichtet Migrantenkinder, da | |
| habe er auch schon einmal ausgeholfen, und auf der Wache sei immer er | |
| derjenige gewesen, der so gut mit der „schwarzafrikanischen Kundschaft“ | |
| klargekommen sei. | |
| Warum er dann nichts unternommen, sich nicht früher distanziert oder | |
| ausführlich ausgesagt hat? Er hat schlechte Erfahrungen in einem früheren | |
| [4][Disziplinarverfahren] gesammelt, bei dem er als Kronzeuge ausgesagt | |
| hat, und das letztlich in seine Versetzung aus St. Augustin nach Hannover | |
| mündete, erklärt er. Die Akten dazu sind aber schon vernichtet, deshalb | |
| lässt sich das nicht belegen. Außerdem hatte er eine total unfähige | |
| Anwältin, die alle Fristen versäumt hat. | |
| Dass der Mann wirklich so ein kolossaler Pechvogel, quasi ein Forrest Gump | |
| unter Neo-Nazis ist, nimmt ihm das Gericht allerdings nicht ab. Er habe | |
| sich gleich mehrerer schwerwiegender Dienstvergehen schuldig gemacht, | |
| urteilt die Richterin. Die Zweifel an seiner Verfassungstreue seien | |
| berechtigt, das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn und der Allgemeinheit | |
| angesichts der gezeigten Charakterschwäche irreparabel beschädigt. Die | |
| Entscheidung, ihn zu entlassen, ist noch nicht rechtskräftig. | |
| 14 Sep 2023 | |
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| [4] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-891292 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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