# taz.de -- Rechter Shitstorm nach Kritik an Polizei: Wenn Cancel Culture wirkt | |
> Die Dozentin Bahar Aslan kritisierte Rechtsextremismus in der Polizei und | |
> verlor daraufhin ihren Lehrauftrag an der Polizeihochschule. Ein | |
> Armutszeugnis. | |
Bild: Die Dozentin kritisierte rechte Polizeipraktiken | |
Er warnte vor einer „Afrikanisierung und Islamisierung“ europäischer | |
Städte, hetzte gegen die Ehe für alle, schrieb für die rechte Zeitung Junge | |
Freiheit, hielt einen Vortrag vor Menschen aus dem [1][NSU-Umfeld] und | |
gründete einen rechten Verein. Klingt alles ziemlich rechts? Ist es auch. | |
Trotzdem konnte [2][Stephan Maninger mehrere Jahre als Professor an der | |
Bundespolizeiakademie Lübeck] lehren. | |
Als sein Hintergrund 2021 öffentlich bekannt wurde, setzte die Akademie | |
seine Lehrveranstaltungen kurzzeitig aus und überprüfte den Fall. Das | |
Ergebnis: Sie konnten kein „straf- und/oder disziplinarrechtlich relevantes | |
Fehlverhalten“ feststellen. | |
Erst auf Druck der Landesregierung wurde ihm der Lehrauftrag entzogen, doch | |
Maninger ist bis heute Professor an der Bundespolizeiakademie. | |
Maninger ist kein Einzelfall. Im rechten Wirrwarr der Sicherheitsbehörden | |
den Überblick zu behalten ist schwer. Ständig legen Recherchen neue | |
Missstände offen: Rechtsextreme Chatgruppen, Polizist_innen, die andere | |
rassistisch, sexistisch oder antisemitisch beleidigen oder bedrohen, die | |
aktiv sind in rechtsextremen Netzwerken. Konsequenzen bleiben meist aus, | |
viele von ihnen sind noch im Amt: auf Streife, als Kommissar_innen oder in | |
Polizeihochschulen. | |
## Auf den Tweet folgte der Shitstorm | |
[3][Bahar Aslan dagegen hat ihren Job verloren]. Seit 2022 hat die | |
38-jährige Lehrerin „interkulturelle Bildung“ an der Hochschule für Poliz… | |
und Verwaltung (HSPV) in NRW gelehrt. Doch jetzt beendet die Hochschule die | |
Zusammenarbeit mit Aslan. Auslöser ist ein Tweet vom Samstag, in dem Aslan | |
rechte Polizeipraktiken kritisiert hatte. Darin bezeichnete sie | |
rechtsextreme Polizist_innen als „braunen Dreck“. Die HSPV begründet ihre | |
Entscheidung gegenüber der taz damit, dass Aslan ungeeignet dafür sei, eine | |
„vorurteilsfreie, fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz | |
und Neutralität zu vermitteln“. | |
Die Argumentation, dass wer rechte Missstände anprangert, keine Demokratie | |
und Toleranz vermitteln könne, ist dabei an Absurdität kaum zu überbieten. | |
Die Gleichzeitigkeit, dass rechte Polizist_innen über Jahre im Amt | |
bleiben, während eine Antirassistin ihren Job wegen eines Tweets | |
verliert, ist ein Armutszeugnis für die Sicherheitsbehörden. | |
Seit Samstag ist Aslan mit einem Shitstorm konfrontiert, in dem auch | |
Politiker_innen der CDU und Mitglieder der Polizeigewerkschaft GdP | |
mitmischen. Dieser zieht sich vor allem an dem Begriff „brauner Dreck“ | |
hoch. Klar könnte man darüber diskutieren, ob es legitim ist, rechtsextreme | |
Menschen als Dreck zu bezeichnen. Aslan selbst hat gesagt, es sei eine | |
unglückliche Wortwahl gewesen, und sie hat sich bei nicht rechten | |
Polizist_innen entschuldigt. Damit könnte man den Nebenschauplatz abhaken | |
und sich dem Hauptaspekt zuwenden. | |
Nämlich dass wir in Deutschland ein strukturelles Problem mit | |
Rechtsextremen und Rassist_innen in den Sicherheitsbehörden haben. Doch | |
anstatt den „braunen Dreck“ zu thematisieren, sollen diejenigen | |
verschwinden, die ihn sichtbar machen. Die Beendigung des Lehrauftrags an | |
der Polizeihochschule und die fehlende Unterstützung aus dem | |
Innenministerium NRWs zeigen: Es liegt ihnen mehr daran, Kritiker_innen | |
mundtot zu machen, als rechte Netzwerke und Praktiken in den eigenen Reihen | |
aufzudecken und zu unterbinden. | |
## Rechte Cancel Culture | |
Aslans Fall steht einerseits exemplarisch dafür, wie wirkmächtig Shitstorms | |
und Cancel Culture von rechts sind: Sie kosten Menschen ihren Job und | |
gefährden ihre Sicherheit. Gleichzeitig macht er deutlich, dass in den | |
entscheidenden Stellen kein Konsens gegen rechts herrscht. Lieber werden | |
die Augen verschlossen, anstatt sich der Problematik zu stellen. | |
Neben all dem Hass hat Bahar Aslan in den vergangenen Tagen auch enorm viel | |
Solidarität und Öffentlichkeit erfahren. Alle haben gesehen, was passiert, | |
und trotz allem hat die Hochschule reagiert, wie sie reagiert hat. | |
Beängstigend die Vorstellung, was in den Behörden und an den Hochschulen | |
alles passiert, wenn keine_r hinsieht. | |
23 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /NSU-Terroristin-vor-U-Ausschuss/!5936558 | |
[2] /Rechter-Professor-in-Polizeiakademie/!5814610 | |
[3] /Polizei-Dozentin-ueber-Rassismus/!5933417 | |
## AUTOREN | |
Carolina Schwarz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
IG | |
Polizei | |
GdP | |
Nordrhein-Westfalen | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Polizei Sachsen | |
Barbara Slowik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Repressionen gegen Letzte Generation: Wer gefährdet hier die Demokratie? | |
Nach der Großrazzia bei der Letzten Generation zeigt sich: Behörden | |
bekämpfen Aktivist:innen statt Missstände. Das hat Tradition in | |
Deutschland. | |
Konflikt um polizeikritischen Tweet: Bahar Aslan klagt gegen Rauswurf | |
Laut ihrem Anwalt geht die Dozentin nun juristisch gegen die | |
Polizei-Hochschule Gelsenkirchen vor. Die habe ihr keinerlei Gelegenheit | |
zur Stellungnahme gegeben. | |
Polizei-Dozentin über Rassismus: „Ich zeige klare Kante gegen rechts“ | |
Bahar Aslan bezeichnet Rechte in der Polizei als „braunen Dreck“. Es folgt | |
ein Shitstorm. Auch NRW beschäftigt sich mit dem Fall. | |
Jörg Kubiessa zu Polizei Sachsen: „Beamte brauchen einen Kompass“ | |
Die sächsische Polizei hat aus den Corona-Protesten gelernt, sagt | |
Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa. Ein „Leitbild“ soll künftig Skanda… | |
in den eigenen Reihen verhindern. | |
Rassismus bei der Berliner Polizei: Brennpunkteinheit im Fokus | |
Ermittlungen in Berlins zentraler Brennpunkteinheit gegen zwei Polizisten: | |
Es geht um Vorwürfe wie Volksverhetzung. Einer der beiden wurde versetzt. |