# taz.de -- Zukunft von Hamburgs Bahnverkehr: Neue Schienenwege in die Stadt | |
> In Hamburg soll ein aufwendiger S-Bahn-Tunnel die Gleise zum Hauptbahnhof | |
> entlasten. Nun gibt es den Gegenvorschlag von Gleisen entlang der | |
> Autobahn. | |
Bild: Künftig unterirdisch? Noch ist das letzte Wort über die S-Bahnlinie üb… | |
HAMBURG taz | Wenn in Hamburg der zweite [1][S-Bahn-Tunnel vom | |
Hauptbahnhof] Richtung Altona gebaut wird, wird das nicht nur teuer, auch | |
die Auswirkungen für die Bewohner werden ganz schön haarig. So würde der | |
alte S-Bahn-Tunnel, der zum Jungfernstieg führt, teilweise abgerissen und | |
für mindestens 6,5 Jahre nur eingleisig befahrbar sein. Dazu drohen weitere | |
Sperrungen bei U- und S-Bahnen. Dies ist nachzulesen im Kleingedruckten der | |
370-seitigen „Machbarkeitsuntersuchung“, über die das | |
Mobilitätsnachrichtenportal [2][Nahverkehr Hamburg] zuerst berichtete. | |
Der Name für diesen Tunnel ist etwas sperrig, | |
„Verbindungsbahnentlastungstunnel“. Die alte Verbindungsbahn führt | |
viergleisig vom Hauptbahnhof über den Damm zwischen Außen- und Innenalster | |
Richtung Altona. Alle Züge, die nach Kiel, Neumünster, Flensburg oder | |
Westerland fahren, müssen über den Damm. Und ICEs, die in Hamburg-Altona | |
starten, auch. Dieses Nadelöhr zu entlasten, indem die S-Bahn dort wegkommt | |
und unter die Erde gelegt wird, war eine Idee des früheren | |
Verkehrsstaatssekretärs Enak Ferlemann. | |
Als Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) [3][die | |
Machbarkeitsstudie] Ende März im Verkehrsausschuss vorstellte, war von den | |
drohenden Einschränkungen wenig die Rede. Es wirkte so, als könnten die | |
Hamburger jetzt noch über das „Wie“ mitreden, aber nicht über das „Ob�… | |
Klar wäre demnach, dass Hamburgs schönste S-Bahnstrecke mit Alsterblick | |
etwa im Jahr 2040 unter die Erde verschwindet. Offen wäre noch, ob die | |
unterirdischen Haltepunkte entlang der heutigen Strecke Sternschanze und | |
Holstenstraße liegen werden, oder etwas weiter südlich oder nördlich. Für | |
den Bau der einzelnen Bahnhöfe müsste teils wegen des Grundwassers der | |
Boden gefroren werden, was die Sache teuer macht. Die in der | |
Machbarkeitsstudie prognostizierten Kosten hat der Senat für die | |
Veröffentlichung im Transparenzportal geschwärzt. | |
## Es fehlt eine leistungsfähige Mittelachse | |
Doch es gibt nun einen Alternativvorschlag namens „Nordtakt“, der die | |
S-Bahn oben lassen würde, den Norbert Holtz von der Initiative „Klimabahn“ | |
und Holger Busche von der [4][Fachgruppe Mobilität von „Scientists for | |
Future“] ins Gespräch bringen. „Ich vermute, dass der Tunnel statt der mal | |
veranschlagten drei Milliarden eher sieben Milliarden Euro kosten wird“, | |
sagt der Geophysiker Busche. Aber für das gleiche Geld bekäme man an | |
anderer Stelle viel mehr Schienen gebaut. | |
Zentral dabei: Es soll neue Schienenzugänge in die Metropole geben, und | |
zwar entlang der Autobahnen. Heute gibt es – historisch bedingt, da zu | |
Zeiten dänischer Herrschaft in Holstein entstanden – ins Nachbarland | |
Schleswig-Holstein nur jene eine Gleisstrecke nach Westen über Elmshorn und | |
eine nach Osten über Bad Oldesloe. „Es fehlt eine leistungsfähige | |
Mittelachse aus dem Norden“, sagt Busche. | |
Dafür schlägt er vor, ab Neumünster entlang der direkt auf Hamburg | |
zuführenden Autobahn A7 Schienen zu bauen, die dann durch wenig bebautes | |
Gebiet entlang der Flughafen-Zubringerautobahn „Zeppelinstraße“ mit dem | |
S-Bahnhof am Flughafen verbunden werden. Von dort könnte eine Regionalbahn | |
weiter Richtung Süden die Alster östlich umfahren und entlang der | |
S-Bahnhöfe Ohlsdorf und Barmbek über die heutige Güterbahn in Richtung | |
Elbbrücken und Harburg führen, von wo es nach Bremen und Hannover ginge. | |
„Der hochbelastete Hauptbahnhof muss dann von vielen Regionalbahnen nicht | |
mehr angefahren werden“, sagt Busche. Gleichzeitig könne jeder Fahrgast auf | |
den Stationen im Stadtgebiet in eine S- oder U-Bahn umsteigen. Sein Plan | |
bringe eine dramatische Fahrzeitverkürzung, ohne dass schneller gefahren | |
werden muss. „Heute ist der Hauptbahnhof das schwarze Loch. Alles muss da | |
rein und von da wieder zurück verteilt werden.“ | |
## Autobahn-Gleise für Güterverkehr | |
Auch für das Gebiet östlich von Hamburg schlägt Busche vor, eine Autobahn | |
mit zwei Gleisen zu versehen, und zwar die A1 von Bad Oldesloe bis zum | |
Güterbahnhof Maschen. Die Strecke solle teilweise sowieso um zwei | |
Fahrspuren verbreitert werden. „Dann können die dort auch Schienen bauen“, | |
sagt er. Auf der Linie könnte auch ein Regionalzug die Gemeinden Glinde und | |
Barsbüttel erreichen. Ab Bad Oldesloe führt heute schon eine Bahnstrecke | |
weiter nach Neumünster, die Schleswig-Holstein elektrifizieren und | |
zweigleisig ausbauen will. | |
Holtz und Busche gehören der bundesweiten [5][„Klimabahn-Initiative“] an, | |
die eine Verdreifachung des Schienenverkehrs bis 2030 erreichen will. In | |
einem Appell vom Oktober 2021 fordern Verkehrswissenschaftler unter dem | |
Motto „Takt vor Tempo“ mehr Schienenverkehr für mittlere Entfernungen | |
zwischen 15 und 250 Kilometern. Denn diese Strecken werden heute noch am | |
häufigsten mit dem Auto gefahren und bieten das größte Potential für | |
Verlagerung. „Wir müssen die Bahn so ausbauen, dass die Züge mit nicht mehr | |
als zehn Minuten Abstand fahren“, sagt Busche. Das gelte auch für die | |
Strecke Hamburg und Lübeck. | |
## Mehr Lärmschutz als Nebeneffekt | |
Für sein Konzept habe er bestehende Ideen aufgegriffen. So [6][plant | |
Schleswig-Holstein], die A 23 im Westen Hamburgs von Itzehoe bis Horst mit | |
Schienen zu versehen. Und da mit dem bei Neubau vorgeschrieben Lärmschutz | |
der Bahn auch der Autobahnlärm gedämmt würde, hofft Busche auf die | |
Akzeptanz der Anwohner. | |
Mit dem Bau des Tunnels würden Stadtteile wie das Schanzenviertel, die um | |
diese Bahnhöfe herum gewachsen sind, ihren oberirdischen S-Bahnhof | |
verlieren. „Das ist für die Menschen im Alltag eine grobe | |
Verschlechterung“, sagt Holtz. Er und Busche wollen nun bei Grünen und SPD | |
für ihr Konzept werben, in der Erwartung, dass noch nicht das letzte Wort | |
gesprochen ist. | |
Die Linke-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann würde eine solche Diskussion | |
begrüßen. „Der Senat und die DB wollen tarnen und tricksen“, sagt sie. Es | |
ärgere sie, dass die Einschränkungen im Ausschuss nicht offen benannt | |
wurden. „Ich erwarte bei so einer wichtigen Entscheidung, dass vorher | |
wirklich alle Alternativen ergebnisoffen geprüft werden“. | |
21 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /S-Bahn-Verbindungen-in-Hamburg/!5731710 | |
[2] https://www.nahverkehrhamburg.de/s-bahntunnel-unter-der-alster-muss-teilwei… | |
[3] https://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/machbarkeitsuntersuchung-verbi… | |
[4] https://de.scientists4future.org/fachgruppe-mobilitaet-verkehr/ | |
[5] https://klimabahn-initiative.de/startseite/ | |
[6] https://unternehmen.nah.sh/assets/2021/Massnahmen-ab-2027_04.pdf | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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