# taz.de -- Verkehrwende in Hamburg: „Monster-Tunnel“ ohne Nutzen | |
> Eine Hamburger Bürgerinitiative warnt vor neuem S-Bahn-Tunnel. Besser | |
> wäre eine zweite Elbquerung und eine Ring-Bahn, die den Hauptbahnhof | |
> entlastet. | |
Bild: Schon jetzt proppevoll: S-Bahn-Steig am Hamburger Hauptbahnhof | |
HAMBURG taz | Dass Hamburgs Hauptbahnhof entlastet werden muss, sieht jeder | |
Bahngast sofort, der dort mal umstieg und ins Gedrängel geriet. Doch das | |
Projekt „Verbindungsbahnentlastungstunnel“ (VET), das der Bund der Stadt | |
nahezu komplett spendieren will, wird das nicht ändern. | |
Darauf weist die [1][Bürgerinitiative „Prellbock Altona“] jetzt hin, | |
nachdem sie die dazugehörige Machbarkeitsstudie analysierte. „Wir halten | |
das Gesamtprojekt für schädlich“, sagt Sprecher Michael Jung. | |
Der neue Tunnel ist für Hamburg-Fans schon ästhetisch ein Problem. Soll | |
doch mit ihm die schönste S-Bahn-Strecke, die aus Altona über Dammtor | |
direkt über die Alster führt, 30 Meter tief unter die Erde gelegt werden. | |
Damit stünden – so die Idee des Bunds – oben auf dem Bahndamm statt nur | |
zwei künftig vier Gleise für Regional- und Fernzüge frei und könnten im | |
„Deutschlandtakt“ pendeln. | |
Wie berichtet, stellte der grüne Verkehrssenator Anjes Tjarks kürzlich jene | |
[2][Machbarkeitsstudie im Verkehrsausschuss vor] und lud die Hamburger dazu | |
ein, über die Lage der neuen Haltepunkte mitzudiskutieren, nicht aber über | |
die Tieflegung der S-Bahn an sich. | |
## S-Bahn-Gäste bekommen nicht mehr Platz | |
Doch die Initiative, die ihren Namen wählte, weil sie seit Jahren für den | |
Erhalt des Altonaer Bahnhofs mit seinen Prellböcken streitet, lässt [3][in | |
ihrer Analyse] kein gutes Haar am Plan des neuen „Monster-Tunnels“. | |
An der Überfüllung der beiden S-Bahn-Bahnsteige am Hauptbahnhof mit ihren | |
vier Gleisen zum Beispiel wird sich gar nichts ändern, da die heutigen | |
Gleise 3 und 4 lediglich verlagert würden. Dafür soll östlich neben der | |
Hauptbahnhofshalle unter der Erde ein neuer Bahnsteig gebaut werden. Für | |
dessen Anschluss würde das heutige Gleis 1 sogar [4][über viele Jahre | |
gesperrt]. Der neue Tunnel schaffe auch keine zusätzliche S-Bahn-Kapazität, | |
kritisiert die Initiative in ihrem zehnseitigen Argumentationspapier. | |
Demgegenüber zögen die Baumaßnahmen so viele Sperrungen nach sich, dass | |
dies eine „schwere Schädigung des Wirtschaftsstandortes Hamburg“ bedeute, | |
so Jung. Allein fünf große Baugruben für die Stationen mit je über 220 | |
Meter Länge und 40 Meter Tiefe sind geplant und eine sehr große mit 50 | |
Metern Tiefe. | |
Die ganze östliche Seite des Hauptbahnhofs werde vom Stadtteil St. Georg | |
aus gar nicht mehr zugänglich sein, prophezeit Jung. „Der Hachmannplatz ist | |
zehn Jahre dicht“. Und sei der Tunnel erst mal fertig, lägen die restlichen | |
Bahnhöfe sehr tief, was das Umsteigen und das Sicherheitsgefühl | |
beeinträchtige. | |
## Nutznießer sind die Tunnelbau-Unternehmen | |
Auch fürs Klima sei der Bau schädlich. So werden nach Schätzung der | |
Initiative für die insgesamt 16 Kilometer Tunnelröhre und die Bahnhöfe weit | |
über eine Million Kubikmeter Stahlbeton verbaut und etwa 1,35 Millionen | |
Tonnen CO2 freigesetzt, was vom Klimaeffekt her erst nach 250 bis 300 | |
Jahren Bahnverkehr ausgeglichen wäre. | |
Zudem stünden viele Bauwerke im Grundwasser, der Grund sei unter Hamburg | |
jedoch so schwierig wie in München, wo der Bau der dortigen zweiten | |
S-Bahn-Stammstrecke sich stark verteuerte, von 2,5 Milliarden auf 8,5 | |
Milliarden Euro. | |
Die Kosten für den Hamburger VET ließ der Senat in der | |
[5][Machbarkeitsstudie schwärzen] und verweigert die Auskunft. Eine | |
Vorgänger-Studie schätzte 2020 die Kosten auf drei Milliarden Euro. Jung | |
prognostiziert eine ähnliche Steigerung wie in München. Profitieren würden | |
vor allem Tunnelbauunternehmen. | |
Doch dieses Geld wäre anders sinnvoller eingesetzt. So könnte die | |
zweigleisige Strecke auf der Verbindungsbahn mit moderner Signaltechnik so | |
aufgerüstet werden, dass dort problemlos die Fern- und Regionalbahn im | |
engeren Deutschlandtakt fahren. Auch wäre der Ausbau des Dammtorbahnhofs | |
von vier auf sechs Gleise sinnvoll, damit die dort haltenden Regionalzüge | |
die Strecken nicht verstopfen. | |
## Absprachen zwischen Hamburg und dem Bund? | |
Um den Hauptbahnhof zu entlasten, fordert „Prellbock Altona“ [6][seine | |
Umfahrung]. Sinnvoll dafür könnte eine zweite Querung der Elbe im Westen | |
der Stadt sein. Würde man die Haltestelle Neuwiedental im Südwesten | |
Hamburgs unter der Elbe durch einen – wesentlich kürzeren – Tunnel mit den | |
Bahnhöfen Altona und Diebsteich im Nordosten verbinden, könnte diese | |
Strecke fortsetzend über eine alte Güterumgehungsbahn rund um Hamburg zu | |
einer attraktiven Ring-S-Bahn werden, wie es ihn in Berlin schon gibt. | |
Für beide Projekte – westliche Elbquerung und Nutzung der Güterbahn – | |
wurden zeitgleich Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben, die bald fertig | |
sein müssten. Nötig wäre es, diese Studien abzuwarten und ergänzend zu | |
betrachten, sagt Jung. „Alle drei Projekte bedingen einander.“ Stattdessen | |
werde vom Senat die VET-Studie „gepuscht“. Prellbock-Altona vermutet | |
dahinter politische Absprachen mit dem Bund, insbesondere was die | |
Finanzierung parallel laufender Projekte wie den Bau der U5 betrifft. | |
Die Initiative fordert jetzt vom Senat eine offene Diskussion darüber, ob | |
der Tunnel sinnvoll ist. Denn nur die Frage zu stellen, wo die Haltestellen | |
liegen sollen, sei „Scheinbeteiligung“. | |
31 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] http://prellbock-altona.de/wp-content/uploads/2023/05/04_230414_VET.pdf | |
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/83290/wort_protokoll_der_o… | |
[3] http://prellbock-altona.de/wp-content/uploads/2023/05/2023.05.26.PM-Einladu… | |
[4] https://www.nahverkehrhamburg.de/s-bahntunnel-unter-der-alster-muss-teilwei… | |
[5] https://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/machbarkeitsuntersuchung-verbi… | |
[6] /Zukunft-von-Hamburgs-Bahnverkehr/!5933097 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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