# taz.de -- 25 Jahre Frieden in Nordirland: Geteilte Werte | |
> 1998 schlossen die nordirischen Konfliktparteien Frieden. Doch ihre | |
> Kompromisse stoßen in einer veränderten politischen Landschaft an ihre | |
> Grenzen. | |
Eigentlich müsste das nordirische Regionalparlament jetzt tagen. Aber der | |
Sitzungssaal im Belfaster Schloss Stormont ist leer. Rund hundert Stühle | |
sind an langen Tischen aus dunklem Mahagoniholz in einem Oval angeordnet. | |
Auslegware, Sitzbezüge und die Unterlagen auf den Tischen sind dunkelblau. | |
Vorne führen zwei Stufen zum Tisch des Parlamentssprechers. Der Zugang ist | |
durch eine blaue Kordel versperrt. | |
Eóin Tennysons Anzug ist so blau wie die Auslegware, er sieht ein bisschen | |
aus wie ein Konfirmand. Aber er war schon drei Jahre Bezirksverordneter, | |
bevor er vorigen Mai für die Alliance Party ins nordirische | |
Regionalparlament gewählt wurde, das mit dem Karfreitagsabkommen 1998 | |
eingerichtet wurde. Mit 24 Jahren ist er der jüngste Abgeordnete. An einer | |
Sitzung konnte er bisher jedoch nicht teilnehmen. | |
„Wegen des [1][Boykotts der Democratic Unionist Party] (DUP) liegt das | |
Parlament seit Februar vorigen Jahres auf Eis“, sagt Tennyson. Die DUP | |
akzeptierte das 2020 beschlossene Nordirland-Protokoll nicht, weil die | |
Provinz trotz Brexit damit weiterhin im Binnenmarkt sowie der Zollunion der | |
Europäischen Union blieb und deshalb anders behandelt wurde als der Rest | |
des Vereinigten Königreichs. | |
Ende Februar einigten sich die britische Regierung und die EU zwar auf den | |
sogenannten [2][Windsor-Rahmenplan], der das Protokoll ersetzt hat und den | |
Handel zwischen Nordirland und Großbritannien vereinfachen soll, aber der | |
DUP reicht das nicht. So liegen die Institutionen, die am Karfreitag vor 25 | |
Jahren ausgehandelt wurden, weiterhin brach, denn das damals getroffene | |
Belfaster Abkommen schreibt vor, dass die jeweils stärksten Parteien auf | |
protestantisch-unionistischer und katholisch-nationalistischer Seite | |
gemeinsam regieren müssen. | |
„Ich war noch in der Gebärmutter, als das Abkommen 1998 unterzeichnet | |
wurde“, sagt Tennyson. Neben dem Parlament, das nach proportionaler | |
Repräsentation gewählt wird, ist ein gesamtirischer Ministerrat vorgesehen, | |
dem Vertreter des Belfaster (Nordirland) und des Dubliner Parlaments | |
(Republik Irland) angehören. Er beschäftigt sich mit Tourismus, | |
Lebensmittelkontrolle, Wasserstraßen, Wirtschaftsentwicklung und anderen | |
grenzübergreifenden Fragen. Außerdem gibt es einen „Rat der Inseln“ mit | |
Vertretern beider Regierungen sowie der schottischen, walisischen und | |
nordirischen Regionalparlamente. | |
In Nordirland stimmten 1998 71 Prozent und in der Republik sogar 94 Prozent | |
für das Abkommen. Die Wähler in der Republik Irland ließen außerdem die | |
Verfassungsparagraphen ändern, in denen Anspruch auf Nordirland erhoben | |
wurde. Im neuen Text ist nur noch von dem Wunsch nach einem vereinigten | |
Irland die Rede, das aber nur mit Zustimmung einer Mehrheit in Nordirland | |
zustande kommen kann. Für ihre Bemühungen um den Friedensprozess wurde John | |
Hume von der sozialdemokratischen SDLP und [3][David Trimble] von der | |
Ulster Unionist Party der Friedensnobelpreis zugesprochen. Heutzutage | |
spielen ihre Parteien keine Rolle mehr, es dominieren Sinn Féin, die der | |
ehemalige politische Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) ist, | |
und die DUP. | |
„Die komplizierten Regelungen des Abkommens waren damals notwendig“, sagt | |
Tennyson. „Die meisten Menschen in Nordirland sahen sich entweder als | |
Unionisten, die für die Union mit Großbritannien eintraten, oder als | |
Nationalisten, die die Vereinigung Irlands wollten. Nach fünf Jahren sollte | |
das Abkommen eigentlich überprüft werden, aber das ist nie geschehen.“ | |
Inzwischen hat sich die politische Landschaft verändert, die Alliance Party | |
ist die drittstärkste Partei in Nordirland. Deshalb müsse die Überprüfung | |
nachgeholt werden, sagt Tennyson. Geschehe das nicht, will die Alliance | |
Party versuchen, es juristisch zu erzwingen. | |
Tennyson stammt aus Maghery, einem Dorf in der Grafschaft Armagh. „Es war | |
vorbestimmt, wie ich aufwuchs“, sagt er. „Weil ich katholisch bin, ging ich | |
auf eine katholische Grundschule und danach auf ein katholisches | |
Gymnasium.“ Später studierte er Rechnungswesen an der Queen’s University in | |
Belfast und am University College Dublin. Nach dem Abschluss bekam er einen | |
Job bei Deloitte, einem internationalen Dienstleister für die | |
Wirtschaftsbranche. | |
Dann kam die Politik dazwischen. Sein Interesse wurde geweckt, als die DUP | |
2015 das Gleichstellungsgesetz blockierte: „Ich war wütend, das war | |
vollkommen undemokratisch. Das Parlament hatte mehrheitlich für die | |
gleichgeschlechtliche Ehe gestimmt, aber die DUP legte ein Veto ein, was | |
nach dem Belfaster Abkommen bei sogenannten Themen von besonderer | |
Wichtigkeit möglich ist.“ | |
Er las sich das Belfaster Abkommen genau durch und gelangte zu der | |
Überzeugung, dass es reformiert werden müsse. „Deshalb bin ich trotz meines | |
Backgrounds in die Alliance Party eingetreten, denn ich bin ja auch | |
Mitglied der LGBT-Gemeinschaft“, sagt er. „Und die ist äußerst vielfältig | |
und passt nicht in das binäre Schema von Unionisten und Nationalisten.“ | |
Seine Eltern waren über seinen Beitritt zur Alliance Party genau so | |
überrascht, wie sie es über sein Coming Out im Jahr 2019 gewesen waren. | |
„Ich hatte das Glück, dass meine Familie mich immer unterstützt hat“, sagt | |
Tennyson. „Meine Großtante war lesbisch zu einer Zeit, als das überhaupt | |
nicht cool war, aber meine Mutter hielt immer zu ihr.“ | |
Es gebe noch viel zu tun, sagt er: „Im Bildungsbereich zum Beispiel sind | |
nur neun Prozent der Schulen überkonfessionell, und es gibt keine | |
Initiativen, das zu ändern. Zaghafte Versuche gehen höchstens von Eltern | |
und Lehrern aus, aber nicht von Politikern.“ | |
Davon kann Fergus O’Hare ein Lied singen. Auf Irisch lautet sein Name | |
Fergus Ó hÍr, und er kämpft seit vielen Jahren für die Anerkennung der | |
irischen Sprache in Nordirland. O’Hare hat Pädagogik in Dublin studiert und | |
das Referendariat in Belfast absolviert. 1991 hat er mit einer Gruppe von | |
Eltern eine alte protestantische Kirche auf der Falls Road im Herzen des | |
katholisch-nationalistischen West-Belfast übernommen und eine | |
irisch-sprachige Schule, die „Meánscoil Feirste“, gegründet, deren Direkt… | |
er wurde. | |
„Wir hatten damals neun Schüler“, sagt er. „Heute sind es 900, die Schule | |
ist längst in ein größeres Gebäude umgezogen. Aber es war ein weiter Weg. | |
Für uns war das Belfaster Abkommen der Lackmustest: Wenn das Abkommen nicht | |
die Finanzierung einer irisch-sprachigen Schule sicherstellen könnte, wäre | |
es das Papier nicht wert gewesen, auf dem es geschrieben stand.“ | |
Als der damalige britische Premier John Major an einer Wirtschaftskonferenz | |
im Belfaster Europa-Hotel teilnahm, ließ ihm O’Hare eine Broschüre über die | |
Schule zukommen. Das zeigte Wirkung: „Kurz darauf sagte uns das | |
Nordirland-Ministerium das Geld für den Unterhalt der Schule zu.“ Der | |
nächste Konfliktpunkt war die Forderung, dass die Abiturprüfungen auf | |
Irisch stattfinden durften, was zunächst abgelehnt wurde. „Erst als der | |
heutige irische Staatspräsident Michael D. Higgins, der damals | |
Bildungsminister war, anbot, die Prüfungen in der Republik Irland ablegen | |
zu lassen, gab das britische Ministerium nach.“ | |
O’Hare ist ein Kampagnen-Veteran, inzwischen ist er 74 Jahre alt. Er war | |
Mitbegründer der Bürgerrechtsbewegung, die sich Ende der sechziger Jahre | |
formierte. Sie forderte gerechte Job- und Wohnungsvergabe sowie Wahlrecht | |
für alle. Bei Kommunalwahlen durften damals nämlich nur Hauseigentümer | |
wählen, was bedeutete, dass manch protestantischer Ladenbesitzer bis zu 40 | |
Stimmen hatte, während viele Katholiken leer ausgingen. Niemand ahnte | |
damals, dass die moderaten Forderungen einen blutigen Konflikt auslösen | |
würden. | |
Als Antwort auf die Demonstrationen der Bürgerrechtler überfielen | |
protestantische Banden und die protestantische Polizei die katholischen | |
Viertel. Am 15. August 1969 griff eine Meute von der protestantischen | |
Shankill Road die Bombay Street an. Sämtliche 63 Häuser gingen in Flammen | |
auf, die Bewohner mussten fliehen, sie verbrachten den Winter in Schulen, | |
Gemeindehallen und Wohnwagen. Sie bauten ihre Straße wieder auf, ohne | |
staatliche Hilfe. Der Stadtrat ließ eine Mauer zwischen den Vierteln | |
errichten, sie ist eine halbe Meile lang, sechs Meter hoch und besteht aus | |
einer Million Ziegelsteinen. | |
Die Reihenhäuser auf der linken Seite der Bombay Street stoßen direkt an | |
die Mauer, über die winzigen Gärten hinter den Häusern sind Netze gespannt. | |
Sie sind an der Dachrinne befestigt und sollen Wurfgeschosse abfangen, | |
damit die Fenster heil bleiben. Niemand sitzt in den Gärten, selbst an | |
warmen Sommertagen nicht, denn es ist wie in einem Käfig. | |
„Die Bombay Street ist zu einer Touristenattraktion geworden“, sagt O`Hare | |
und zeigt auf eine Gruppe US-Amerikaner, die sich an der Gedenkstätte für | |
die IRA-Mitglieder versammelt haben, die aus dem Viertel stammten und bei | |
Einsätzen ums Leben gekommen sind. Auf der benachbarten Giebelwand prangt | |
ein Wandgemälde mit brennenden Häusern und den Worten „Nie wieder“. „Die | |
Leute kommen aus aller Welt und lassen sich einen wohligen Schauer des | |
Entsetzens über den Rücken jagen“, sagt O’Hare. | |
Die Mauer an der Bombay Street ist nur eine von vielen. Als das Belfaster | |
Abkommen unterzeichnet wurde, trennten 24 Mauern die protestantischen und | |
katholischen Viertel Belfasts. Heute sind es über 40. Eine Annäherung der | |
beiden Bevölkerungsgruppen hat in den am stärksten benachteiligten Vierteln | |
seit Unterzeichnung des Belfaster Abkommens kaum stattgefunden, das | |
Misstrauen sitzt tief. | |
Die Regionalregierung hat zwar 2013 beschlossen, die Mauern binnen zehn | |
Jahre abzubauen, aber das ist nicht zuletzt am Einspruch der Anwohner | |
gescheitert, weil es an den Schnittpunkten der Viertel immer wieder zu | |
Scharmützeln zwischen Jugendlichen kommt. Deshalb werden abends auch die | |
schweren Eisentore in der Mauer geschlossen, durch die tagsüber der | |
Autoverkehr fließt. Zu Fuß gehen lediglich Touristen durch die Tore, für | |
die Einheimischen ist es zu gefährlich. | |
Ende der sechziger Jahre, nach den Überfällen auf die katholischen Viertel, | |
grub die IRA, die sich zehn Jahre zuvor zur Ruhe gesetzt hatte, die Waffen | |
wieder aus. Die britische Regierung entsandte ihre Truppen, und am 9. | |
August 1971 begannen die Internierungen. Die Soldaten verhafteten mehr als | |
dreihundert Katholiken, darunter auch O’Hare, und sperrten sie zwei Jahre | |
lang ohne Anklage in Lagern und auf Gefängnisschiffen ein. | |
Später setzte sich O’Hare für die politischen Gefangenen ein, 1981 wurde er | |
als Kandidat der linken People’s Democracy, die sich aus der | |
Bürgerrechtsbewegung entwickelt hatte, in den Belfaster Stadtrat gewählt. | |
Im selben Jahr starben zehn republikanische Gefangene im Hungerstreik. Der | |
erste, [4][Bobby Sands], wurde kurz vor seinem Tod ins Londoner Unterhaus | |
gewählt. Die Wahlerfolge von O’Hare, Sands und anderen sorgten für ein | |
Umdenken bei Sinn Féin: weg von der Straße, rein ins Parlament. | |
Eine treibende Kraft bei diesem Prozess war Danny Morrison, der im Januar | |
70 Jahre alt geworden ist. Auch er war interniert. Er stammt aus der | |
IRA-Hochburg Andersonstown in West-Belfast. Mit 16 war er der IRA | |
beigetreten, besuchte aber noch zwei Jahre lang das Belfaster College für | |
Wirtschaft. 1975 wurde er Chefredakteur der IRA-Zeitung Republican News und | |
Pressesprecher für Sinn Féin. | |
Später verurteilte ihn ein Gericht in Belfast wegen der angeblichen | |
Entführung eines IRA-Spitzels zu acht Jahren Gefängnis. 2008, Morrison war | |
längst wieder frei, hob ein Berufungsgericht das Urteil auf. Einen Grund | |
nannte der Richter nicht, offenbar wollte man den IRA-Doppelagenten | |
schützen, der Morrison damals belastet hatte. | |
Beim Sinn-Féin-Parteitag 1981 hatte Morrison die Strategie „mit der | |
Wahlurne in einer Hand und dem Gewehr in der anderen“ ausgerufen. Die | |
Teilnahme an Wahlen war der Grundstein für den Friedensprozess, der | |
schließlich in das Belfaster Abkommen mündete. „Wir sahen das Abkommen von | |
Anfang an als Experiment“, sagt er. „Es ist gescheitert. Wäre die | |
unionistische Führung intelligent, würde sie Nordirland attraktiv für alle | |
machen, um dem Bestreben nach der irischen Vereinigung den Wind aus den | |
Segeln zu nehmen.“ | |
Die Republikaner haben viele Zugeständnisse gemacht, findet Morrison: „Wir | |
haben den Boykott des Dubliner Parlaments aufgegeben, wir haben Schloss | |
Stormont, das Symbol der jahrzehntelangen Unterdrückung, als Sitz des | |
Regionalparlaments akzeptiert, wir haben zugestimmt, den Anspruch auf | |
Nordirland aus der irischen Verfassung zu streichen. Wir haben Polizei und | |
Gerichtsbarkeit in Nordirland anerkannt. Die IRA hat ihre Waffen abgegeben. | |
All das, um den Unionisten entgegenzukommen. Es hat nichts genützt.“ | |
Ein vereinigtes Irland sei politisch, sozial und wirtschaftlich sinnvoll, | |
glaubt Morrison. „Die Republik Irland hat sich in den vergangenen 30 Jahren | |
stark verändert. Scheidung, gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung sind | |
nun legal“, sagt er. „Und auch Nordirland ist nicht mehr der gleiche Ort, | |
wo ich aufgewachsen bin. Früher konnten die protestantischen Orden die | |
Falls Road entlangmarschieren, und in der Presbyterianischen Kirche wurden | |
Messen abgehalten.“ Diese Kirche wurde später zu O'Hares „Meánscoil | |
Feirste“, und nach dem Auszug der Schule ist das irischsprachige | |
Kulturzentrum „Culturlann“ mit Galerie, Café und Buchladen entstanden. | |
Der Brexit, bei dem 2016 die Nordiren mehrheitlich gegen den EU-Austritt | |
stimmten, war ein Katalysator für die neue Debatte über die irische | |
Vereinigung, meint Tennyson. „Die Alliance Party hält sich bei der | |
konstitutionellen Frage aber zurück, unsere Themen sind Wirtschaft, Renten, | |
die Gesundheitsversorgung. Wir sprechen uns weder für noch gegen die | |
irische Vereinigung aus.“ Man will niemanden verprellen, aber falls es zu | |
einem Referendum kommen sollte, könnten die Wähler der Alliance Party | |
entscheidend sein. „Irgendwann muss die Partei deshalb Farbe bekennen, wo | |
sie steht“, findet Morrison. | |
Die jungen Leute haben ganz andere Sorgen, meint Tennyson hingegen: „Es | |
geht ihnen um Klimawandel, um Gleichberechtigung, um LGBT-Themen. Und viele | |
haben Probleme, einen Studienplatz zu ergattern, und wandern aus.“ Sein | |
Wahlkreis bestehe zu relativ gleichen Anteilen aus Protestanten und | |
Katholiken, sagt er. „Ich werde von beiden Seiten unterstützt, weil meine | |
Themenpalette so breit ist, dass sie für beide Seiten relevant ist.“ Dass | |
er schwul ist, hat ihm zwar Hassbotschaften eingebracht, aber er meint, für | |
Frauen in der Politik sei es viel schwieriger, sie würden in den sozialen | |
Medien stärker gemobbt. | |
„Meiner Generation wurde bei der Unterzeichnung des Belfaster Abkommens | |
viel mehr versprochen“, sagt er. „Zwar haben wir seitdem relativen Frieden, | |
aber die paramilitärischen Verbände rekrutieren noch immer.“ Im Februar ist | |
der Polizeibeamte John Caldwell von zwei Attentätern niedergeschossen | |
worden und liegt seitdem schwer verletzt im Krankenhaus. Die New IRA, die | |
sich 2012 von der IRA abgespalten hat, bekannte sich zu der Tat. Im | |
November hatte sie einen Bombenanschlag auf einen Streifenwagen verübt. | |
Ende März hat die britische Regierung nach Hinweisen des Geheimdienstes MI5 | |
die zweithöchste Terrorwarnstufe für Nordirland ausgerufen. Grund ist der | |
Besuch des US-Präsidenten Joe Biden, der nach Ostern in Nordirland erwartet | |
wird und nach einer Stippvisite in Dublin zu seiner Verwandtschaft im | |
westirischen Mayo reisen will. | |
Tennyson freut sich zwar, dass Biden zum 25. Jahrestag des Belfaster | |
Abkommens nach Nordirland kommt, aber das Abkommen funktioniere in seiner | |
jetzigen Form nicht mehr, sagt er: „Die Alliance Party könnte auch dann | |
nicht den stellvertretenden Ersten Minister stellen, wenn sie zweitstärkste | |
Partei wäre. Wenn nämlich ein Unionist oder ein Nationalist Erster Minister | |
wäre, müsste sein Stellvertreter zwingend von der jeweils anderen Seite | |
kommen. Viele kritische Entscheidungen benötigen eine Mehrheit auf beiden | |
Seiten, aber in diesen Fällen zählen die Stimmen der Alliance Party nicht, | |
weil sie eben keiner Seite angehört. Das ist undemokratisch.“ | |
Morrison warnt aber davor, das Abkommen so zu reformieren, dass notfalls | |
auch ohne die DUP regiert werden kann: „Es wäre nicht gut, man darf die DUP | |
nicht weiter in die Ecke drängen, denn die Folgen wären nicht vorhersehbar. | |
Es könnte erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen.“ | |
Die DUP verhindere aber, dass das Belfaster Abkommen funktioniere, sagt | |
Tennyson. Die Partei sei voller Widersprüche: „Einerseits will sie nicht, | |
dass Nordirland anders behandelt wird als andere Teile des Vereinigten | |
Königreichs, andererseits lehnt sie britische Gesetze über Frauenrechte, | |
Abtreibung oder LGBT ab.“ | |
Tennyson rechnet nicht damit, dass er selbst irgendwann Erster Minister | |
sein werde, aber einen Alliance-Politiker kann er sich auf dem Posten | |
vorstellen: „Wenn jemand vor fünf Jahren prophezeit hätte, dass Alliance | |
zur drittstärksten Kraft würde, hätte man ihn für verrückt erklärt.“ | |
6 Apr 2023 | |
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Ralf Sotscheck | |
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