# taz.de -- Nachruf auf Ex-IRA-Mann: Bester Spitzel aller Zeiten | |
> Freddie Scappaticci war Ex-Sicherheitschef der Irisch-Republikanischen | |
> Armee (IRA). Nun ist er im Alter von 77 Jahren gestorben. | |
Bild: Freddie Scappaticci 1987 | |
DUBLIN taz | Es klingt wie ein Spionage-Thriller. Im Mittelpunkt steht | |
„Stakeknife“, der ehemalige Sicherheitschef der Irisch-Republikanischen | |
Armee (IRA), der gleichzeitig für den britischen Geheimdienst gearbeitet | |
hat. Am Dienstag wurde bekannt, dass Stakeknife in der vergangenen Woche im | |
Alter von 77 Jahren friedlich gestorben sei. Das ist nur sehr wenigen | |
Spitzeln während [1][des 30 Jahre währenden Konflikts in Nordirland] | |
vergönnt gewesen. | |
Stakeknifes Identität wurde 2003 von Ian Hurst alias Martin Ingram | |
aufgedeckt. Der arbeitete für die Force Research Unit (FRU), den | |
Geheimdienst der britischen Armee, und hatte in Derry, Nordirlands | |
zweitgrößter Stadt, mehrere Agenten in die IRA eingeschleust. Einer seiner | |
wichtigsten Leute war Frank Hegarty, der Quartiermeister der IRA. | |
Hegarty wurde enttarnt, weil er ein Versteck für Waffen aus Libyen – ein | |
Geschenk Gaddafis für die IRA – an die Behörden in der Republik Irland | |
verraten hatte. Daraufhin wurden die Waffen beschlagnahmt. Hegarty floh | |
nach England, wurde von der IRA mit falschen Versprechungen zurück nach | |
Derry gelockt und umgebracht. Hurst war wütend, dass die FRU das nicht | |
verhindert hatte, obwohl sie über die geplante Ermordung Bescheid wusste. | |
Er outete Stakeknife aus Rache. | |
Es handelte sich um Freddie Scappaticci, der 1946 in Belfast geboren wurde. | |
Seine Eltern waren in den zwanziger Jahren auf Jobsuche aus Italien nach | |
Nordirland eingewandert. Scappaticci wurde Maurer, nahm an | |
Straßenschlachten im Zuge der Bürgerrechtsdemonstrationen teil und wurde | |
1971 ohne Anklage interniert. Im Gefangenenlager Long Kesh bei Belfast | |
lernte er Gerry Adams kennen, der später Präsident [2][von Sinn Féin] | |
wurde. | |
## Mindestens 18 Morde | |
Nach seiner Entlassung machte Scappaticci schnell Karriere in der IRA und | |
stieg schließlich zum Chef der internen Sicherheit auf. Seine Aufgabe war | |
es, Spitzel in der Organisation zu identifizieren und auszuschalten. Auf | |
sein Konto sollen mindestens 18 Morde gehen. Die meisten seiner Opfer waren | |
ebenfalls britische Agenten in der IRA. | |
Der Geheimdienst opferte sie, um Stakeknifes Identität zu schützen, da er | |
wegen seiner exponierten Stellung in der IRA überaus wertvoll war. Der | |
36-jährige Joe Fenton zum Beispiel, so hat die BBC recherchiert, wurde 1989 | |
erschossen, obwohl Scappaticci den Geheimdienst rechtzeitig gewarnt hatte. | |
Er soll bereits 1978 Kontakt zum Geheimdienst aufgenommen haben, weil er | |
mit einem anderen IRA-Mann in einen handfesten Streit geraten war und sich | |
rächen wollte. Scappaticci, der seine Spitzeltätigkeit stets geleugnet hat, | |
sei der beste Agent gewesen, den die FRU jemals hatte, sagt Hurst. Er | |
behauptet, die Geheimdienstler hätten selbst mehrere Menschen getötet, | |
damit Stakeknife unerkannt blieb. | |
2015 wurde der Polizeipräsident von Bedfordshire, Jon Boutcher, mit einer | |
Untersuchung über Scappaticcis Morde und Folterungen sowie die Verwicklung | |
des Geheimdiensts darin beauftragt. Anfang des Jahres sollte eigentlich ein | |
Zwischenbericht veröffentlicht werden, doch nun wurde der Termin | |
verschoben. Boutcher hofft, dass nach Scappaticcis Tod viele Menschen, die | |
ihn kannten, mit Informationen über ihn herausrücken werden. | |
12 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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