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# taz.de -- Datenleck bei Polizei in Nordirland: IRA-Rest weiß nun, wo sie woh…
> Die IRA hat bis 1998 im Nordirlandkonflikt 302 Polizisten getötet. Nun
> haben Dissidenten der IRA Daten von 10.000 Polizisten – und das bereitet
> Sorge.
Bild: Polizeichef Byrne trifft zum Krisentreffen ein, Belfast am 10. August
Dublin taz | Seit Montagabend herrscht in Nordirland Gewissheit: Die Daten
von 10.000 Polizisten, die vorige Woche versehentlich veröffentlicht
wurden, sind in den Besitz von Dissidenten der ehemaligen
Irisch-Republikanischen Armee (IRA) gelangt. „Wir müssen davon ausgehen“,
sagte Polizeichef Simon Byrne, „dass sie diese Liste dazu benutzen werden,
um Angst und Unsicherheit zu verbreiten sowie Polizeibeamte einzuschüchtern
und zur Zielscheibe zu machen.“
Am Nachmittag waren mehrere Seiten der Dokumente an die Wand gegenüber dem
Sinn-Féin-Büro in Belfast geklebt worden. Sinn Féin [1][war früher der
politische Flügel der IRA]. Im Zuge des Nordirland-Friedensprozesses
erkannte die Partei die Polizei an und entsandte Vorstandsmitglied Gerry
Kelly sogar in den Aufsichtsrat der Polizeibehörde.
Kelly war 1973 für Bombenanschläge in London zu zweimal „lebenslänglich“
plus 20 Jahre verurteilt worden. Nun ist er selbst Angriffsziel. Neben den
Dokumenten klebte ein Foto von Kelly und die Drohung: „Gerry, wir wissen,
wo du wohnst.“
Wie konnte es dazu kommen? Die nordirische Polizeibehörde war aufgrund des
Gesetzes zur Informationsfreiheit um eine Aufschlüsselung nach Dienstgraden
gebeten worden. Versehentlich wurde an die Antwort eine Tabelle mit den
Nachnamen und Dienstorten aller Mitarbeiter angehängt. Diese Informationen
standen zweieinhalb Stunden offen im Internet.
## IRA-Splittergruppen noch aktiv
Byrne gestand außerdem, dass bereits Anfang Juli dienstliche Dokumente mit
200 bis 300 Namen aus dem Privatwagen eines Polizisten gestohlen worden
seien. Viele Polizisten haben sich danach zur Sicherheit versetzen lassen
oder sind sogar umgezogen. Ein Sprecher der Polizeigewerkschaft sagte,
jeder Beamte habe stets darauf geachtet, seine Identität zu schützen.
Oftmals wussten selbst Freund und Nachbarn nicht, dass sie der Polizei
angehörten.
In Zeiten des Konflikts war das lebensnotwendig. Damals hieß die
nordirische Polizei Royal Ulster Constabulary (RUC) und bestand fast
ausschließlich aus Protestanten. So mancher gehörte gleichzeitig einer
protestantisch-loyalistischen Terrorgruppe an. [2][Sie galten für die IRA
als legitimes Angriffsziel], 302 Polizisten wurden in dem Konflikt getötet.
Im Zuge des Friedensprozesses wurde die RUC zur PSNI (Police Service of
Northern Ireland) und besteht heute zu rund 30 Prozent aus Katholiken.
Dennoch müssen sie nach wie vor um ihr Leben fürchten, denn es sind noch
IRA-Splittergruppen aktiv. Mehrere Polizisten sind in den letzten Jahren
durch Schüsse oder Autobomben getötet oder verletzt worden. Im Februar
überlebte Chefinspektor John Caldwell aus Omagh einen Anschlag, als er mit
einer Jugendgruppe Fußball spielte.
[3][Omagh war der Schauplatz des schlimmsten Anschlags] in der Geschichte
des Nordirland-Konflikts. Die „Real IRA“ zündete vor genau 25 Jahren, am
15. August 1998, eine Bombe auf der Hauptstraße des Marktfleckens. 29
Menschen kamen ums Leben, mehr als 200 wurden verletzt.
Bisher wurde niemand für die Tat verurteilt. Erst im Februar dieses Jahres
beraumte der britische Nordirlandminister Chris Heaton-Harris eine
öffentliche Untersuchung an. Nun muss er auch herausfinden, wie es zu dem
Datenleck kommen konnte.
15 Aug 2023
## LINKS
[1] /Politisches-Erdbeben-in-Irland/!5660307
[2] /Erneuter-Anschlag/!5166532
[3] /19-Millionen-Euro-Schadensersatz/!5161694
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Nordirland
Polizei
Datenleck
IT-Sicherheit
IRA
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Irischer Fußball
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