Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Britischer Spionage-Thriller „Argylle“: Sie munkeln nur, sie wi…
> Verwirrung und der Wille zur Persiflage: Matthew Vaughns Film „Argylle“
> jongliert wild mit seinen Handlungsebenen. Ist das auch glaubwürdig?
Bild: Spion gegen Spion auf Zugtoilette: Szene aus Argylle
Ob sie, wie das große Vorbild John Le Carré, selber mal Spionin gewesen
sei, wird Krimiautorin Elly Conway (Bryce Dallas Howard) bei einer Lesung
gefragt. Ihre Spionageromane um einen Superagenten namens Argylle sind
offenbar Kult in der fiktiven Welt des Films.
Aber nicht nur ihr ungeschickt-verlegenes Lächeln spricht gegen Ellys
Berufserfahrung im Metier. In allem erscheint die Frau, die unter Flugangst
leidet und nie ohne ihren Kater Alfie im Spezialrucksack reist, als das
Gegenteil jener sportlich-eleganten, supersexy Mannequins, die sonst so
das Genre von „Mission: Impossible“ bis „James Bond“ bevölkern.
Was natürlich der beste Hinweis darauf sein könnte, dass ihr Äußeres nur
Tarnung ist, schließlich handelt es sich hier um einen Film von Matthew
Vaughn. Der Brite hat sich nicht als sozialer Realist einen Namen gemacht,
sondern als Produzent der Guy-Ritchie-Erfolge „Bube, Dame, König, grAS“ und
„Snatch – Schweine und Diamanten“.
## Reichlich Stil, wenig Substanz
Als Regisseur insbesondere der „Kingsman“-Filme hat der 53-Jährige immer
wieder einer gewissen Vorliebe für „Style over Substance“ gefrönt. Für d…
Effekt der „überraschenden Wendung“ ist Vaughn quasi jedes Mittel recht. Da
könnte sich auch Kater Alfie als Doppelagent entpuppen.
Ob die Prämisse von „Argylle“ eher abgedroschen oder altmodisch-verspielt
ist, lässt sich nicht sofort entscheiden. Die Auftaktsequenz, die in der
Welt von Ellys Büchern spielt, mit Henry Cavill als titelgebendem
Agentenheld mit seltsamem Haarschnitt, erscheint so willentlich schlecht
kostümiert und inszeniert, dass man sich in einer Persiflage wähnt.
Die Szenen mit Elly als trutschiger Schriftstellerin am heimischen
Schreibtisch, die wegen des letzten Kapitels ihres neuen Manuskripts Rat
bei Mama (Catherine O’Hara) sucht, wirken aber kaum weniger parodistisch.
Als sich dann mit dem Auftauchen von Sam Rockwell als Superagent Aidan die
beiden Welten zu vermischen beginnen, entpuppen sich solche Genrefragen als
sowieso überflüssig. Der Phrase „Nichts ist so, wie es scheint“ wird hier
jedenfalls durch willentliches Überstrapazieren noch der Rest an
Anwendbarkeit geraubt.
## Fesselndes Zickzack
Da das Handlungs-Zickzack das zentrale fesselnde Element des Films ist, in
dessen Welt hinter jedem Baum ein Agent hervorspringen kann, verliert man
besser nur wenige Worte darüber. Dass sich „Sinn“ ergäbe, wäre auch zu v…
verlangt. Statt dessen funktioniert „Argylle“ ganz gut als Test dafür,
worauf man als individueller Zuschauer und Zuschauer*in so anspringt.
Für die einen mag das ein Schauspieler wie Sam Rockwell sein, der es
versteht, die Kunst des Understatements mit feiner defätistischer
Unternote zu versehen. Oder Bryan Cranston, der mit geradezu diebischer
Freude von einfühlsam-sorgendem Papa zum bedrohlichem Mastermind und zurück
wechseln kann.
Catherine O’Hara weiß noch die abstruseste Situation routiniert in
humorigen Slapstick zu verwandeln, und Henry Cavill als Spion ist quasi
immer schon seine eigene Selbstparodie.
Einzig Bryce Dallas Howard als Elly macht aus der Rolle der Frau, die gegen
ihren Typ besetzt ist, erstaunlich wenig. Die Verantwortung dafür trägt
aber auch das Drehbuch von Jason Fuchs ([1][„Wonder Woman“]), der ihr
außer der Sorge um ihren Kater und beständigem Staunen über das, was um sie
herum vorgeht, nur wenig zu tun gibt.
Dass man ihr die Agentin nicht „abnimmt“, verliert im Kontext eines Films,
dessen ganze Konstruktion auf „suspension of disbelief“ beruht, sowieso an
Logik. Für alle, die sich nach jener Art von Unterhaltung sehnen, die
„James Bond“-Filme boten, bevor es auch da immer ernster und tragischer
zuging, liefert „Argylle“ leider nur mit Abstrichen eine Alternative.
1 Feb 2024
## LINKS
[1] /Comic-Verfilmung-Wonder-Woman/!5416633
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Spionage
England
Thriller
Schwerpunkt Berlinale
Whistleblower
Schwerpunkt Berlinale
IRA
Thriller
## ARTIKEL ZUM THEMA
 Thomas Arslan über „Verbrannte Erde“: „Das Unwirtliche der Stadt“
In dem Thriller „Verbrannte Erde“ erzählt Thomas Arslan von der Berufsethik
von Gangstern (Panorama). Der Film spielt in einem abweisenden Berlin.
Spielfilm „Reality“ über Whistleblowerin: Sie wollte kein Snowden sein
„Reality“ ist das Debüt der Regisseurin Tina Satter. Darin inszeniert sie
die Vernehmung der Whistleblowerin Reality Winner als surreales
Kammerspiel.
Reiseverbot für iranische Filmemacher: Ohne Papiere
Eigentlich sollten Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha zu Berlinale
kommen. Die Festivalleitung fordert nun die Aufhebung des Reiseverbots.
Nachruf auf Ex-IRA-Mann: Bester Spitzel aller Zeiten
Freddie Scappaticci war Ex-Sicherheitschef der Irisch-Republikanischen
Armee (IRA). Nun ist er im Alter von 77 Jahren gestorben.
Agenten-Serie „Die Schläfer“: Echte Ostblock-Atmosphäre
Die tschechische Spionage-Serie „Die Schläfer“ auf Arte wirkt oldschool und
authentisch. Nichts sieht nach billiger Kulisse aus, niemand scheint
verkleidet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.